Politik, Konkurrenz, Kunden

Hürdenlauf für den Mittelstand

25.04.2012
Der Mittelstand lebt, aber er muss ständig neue Hindernisse überwinden. Eine Bestandsaufnahme.
Der Mittelstand lebt. Aber er muss ständig neue Hindernisse überwinden.
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Man kann nun wirklich nicht sagen, dass es mittelständische IT-Hersteller in diesen Zeiten leicht haben. Täglich müssen sie sich neuen Herausforderungen stellen und unzählige Hindernisse bewältigen. Hindernisse, die ihnen die Politik, die Konkurrenten und die sich verändernde Gesellschaft (sprich: die Kunden) in den Weg stellen.

Wir haben mehrere Softwareanbieter, die im deutschen Markt eine wichtige Rolle spielen und verschiedene Segmente bedienen, nach ihren derzeit größten Herausforderungen gefragt. Nur wer die richtigen Antworten auf die Probleme hat, kann im harten Wettbewerb dauerhaft bestehen.

Martin Hubschneider, Vorstandsvorsitzender der CAS Software AG: "Aktuell erleben wir die Auswirkungen eines massiven Ingenieurmangels - mit allen Nebeneffekten."

Am meisten Sorgen bereitet den mittelständischen IT-Unternehmen derzeit der Fachkräftemangel. "Aktuell erleben wir die Auswirkungen eines massiven Ingenieurmangels", sagt Martin Hubschneider, Vorstandsvorsitzender der CAS Software AG in Karlsruhe. Er weist darauf hin, dass "in den vergangenen Jahren viel zu wenig Ingenieure ausgebildet wurden".

Martin Kempf, Vorstandsvorsitzender der MKS Software Management AG in Friedrichshafen, stimmt ihm zu: "Es wird zunehmend schwieriger, qualifiziertes Fachpersonal zu gewinnen. Diese Situation erfordert im Mittelstand ein Umdenken. Dieser muss für den Nachwuchs attraktiver gemacht werden." Kempf will dieser Situation zum Beispiel mit einer verstärkten Zusammenarbeit mit Hochschulen begegnen und junge Talente gezielt fördern.

Der aktuelle Fachkräftemangel führt lauf CAS-Chef Hubschneider zu "Nebeneffekten wie Abwerbungen, Lohnsteigerungen und Kapazitätsengpässen in den Projekten". Der Spezialist für CRM-Software weiß aber, dass der Mittelstand bei Sozialleistungen und Gehaltsstrukturen mit Großunternehmen oft nicht mithalten kann.

Peter Dewald, Geschäftsführer der Sage Software GmbH: "Derzeit rechnen wir mit vier bis sechs Monaten, bis wir qualifizierte Arbeitskräfte finden."

Auch Peter Dewald, Geschäftsführer der Sage Software GmbH, weiß ein Lied davon zu singen. "Die Enge am Arbeitsmarkt erschwert eine zügige Stellenbesetzung. Derzeit rechnen wir mit vier bis sechs Monaten, bis wir qualifizierte Arbeitskräfte finden", erläutert er. Ein langer Zeitraum, in der die Konkurrenz nicht schläft und in der sich die IT-Welt weiter dreht.

Martin Berchtenbreiter, General Manager Mittelstand & Partner und Mitglied der Geschäftsleitung bei der Microsoft Deutschland GmbH: "Die größte Herausforderung für Softwareanbieter ist die sich verändernde Arbeitskultur der Gesellschaft."
Foto: Microsoft

IT-Gigant Microsoft scheint mit dem Recruiting dagegen kein so großes Problem zu haben. Denn für Martin Berchtenbreiter, General Manager Mittelstand & Partner und Mitglied der Geschäftsleitung bei der Microsoft Deutschland GmbH, liegt die größte Herausforderung der Softwareanbieter derzeit "in der sich verändernden Arbeitskultur der Gesellschaft". Mehr Mobilität der Arbeitnehmer, flexible Arbeitsformen, der Einzug sozialer Netzwerke und privater IT-Geräte in den Unternehmensalltag – "die Anbieter sind gefordert, entsprechende Lösungen bereitzustellen, die den Sicherheitsstandards genügen". Nur dann könnten die Vorteile dieser neuen Arbeitskultur ("Consumerization of IT") genutzt werden.

Auf der nächsten Seite erfahren Sie, welche Herausforderungen den Softwareanbietern durch die Cloud entstehen.

"Software Made in Germany" – kontroverse Meinungen
Oliver Grün, Grün Software, und Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands IT-Mittelstand e.V. (BITMi):
"Das Gütesiegel "Software made in Germany" ist ein sehr großer Erfolg. Bei uns gehen fast täglich Anfragen auf Zertifizierung ein. Die große Resonanz zeigt, dass wir mit unserer Konzeption ein Kernanliegen der IT-KMUs getroffen haben. Für deutsche IT-Firmen ist es nicht nur wichtig, eine qualitativ hochwertige Lösung anbieten zu können. Vielmehr geht es darum, diese weltweit vermarkten zu können und dementsprechend wettbewerbsfähig zu sein. Denn der deutsche Mittelstand birgt dasselbe Potenzial wie eBay, Google, Twitter oder Facebook."
Martin Hubschneider, CAS Software:
"Das Gütesiegel ist ein riesiger Erfolg, ein eindeutiges Leistungsversprechen und ein Symbol, das von Kunden im In- und Ausland sofort verstanden wird. Es bestätigt unser permanentes Streben nach Spitzenqualität und die Fähigkeit, den höchsten Ansprüchen unserer Kunden gerecht zu werden."
Michael Kempf, MKS Software:
"Generell genießen Produkte "Made in Germany" weltweit einen hervorragenden Ruf. Davon wollen wir profitieren. Wir erhoffen uns durch das Gütesiegel einen Imagegewinn. Die Nähe zum Softwareanbieter ist für Nutzer ein entscheidender Faktor in der Geschäftsbeziehung. Diese Botschaft wird durch das Gütesiegel hervorragend transportiert."
Martin Pfisterer, ElectronicSales:
"Wir sehen das Gütesiegel des BITMi als eine externe Bestätigung unserer Fokussierung auf Qualität, Service und Zuverlässigkeit. Dazu gehört auch ein klares Bekenntnis zum Standort Deutschland: von der Konzeption, Entwicklung und Gestaltung bis hin zum Projektmanagement und Support. Das Qualitätssiegel kommt bei Interessenten und Kunden sehr gut an und hat sich als Bestandteil unserer Marketingstrategie bewährt. Wir haben bereits Neukunden gewonnen, die im ersten Schritt durch die "Software Made in Germany"-Zertifizierung auf uns aufmerksam wurden."
Max Ertl, DocuWare Europe:
"Zertifizierungen sind für viele Unternehmen ein Kriterium im Auswahlprozess. Wir haben uns von Anfang an auf unsere Fahnen geschrieben, Software von höchstmöglicher Produktqualität zu entwickeln. Durch das Gütesiegel haben unsere Anwender eine weitere Gewissheit, dass DocuWare höchsten Anforderungen gerecht wird."
Martin Berchtenbreiter, Microsoft:
"Das Ziel des BITMi, die Innovationskultur und den Wissenstransfer zu festigen, einen Überblick über IT-Lösungen zu schaffen und den Standort Deutschland zu stärken sehen wir sehr positiv. Ob allerdings ein Gütesiegel in der aktuellen Form hilfreich ist, muss der Bundesverband mit seinen Mitgliedern vereinbaren. Wir haben in den vergangenen Jahren sehr viel in die Qualitätssicherung unserer Produkte investiert. Unsere Erfahrung zeigt, dass für den Kunden die Qualität im täglichen Einsatz das Entscheidende ist, weniger die Herkunft der Software."
Friedrich Neumeyer, SAP:
"SAP ist ein globales Unternehmen. Natürlich liegen unsere Wurzeln, auf die wir sehr stolz sind, in Deutschland. Und wir profitieren von einem positiven Image des IT-Standorts hierzulande. Gleichwohl generieren wir 80 Prozent unseres Umsatzes außerhalb Deutschlands. Auch die Software für unsere Mittelstandskunden entwickeln wir auf der ganzen Welt und nehmen landesspezifische Anpassungen im jeweiligen lokalen Markt vor."
Peter Dewald, Sage Software:
"Das Gütesiegel des BITMi haben wir zur Kenntnis genommen. Aber in Zeiten wachsender Globalisierung ist das Kriterium "Software Made in Germany" nicht mehr zeitgemäß. Das scheinen unsere Kunden und Fachhändler auch so zu sehen, denn bisher gab es keine spürbare Nachfrage nach diesem Siegel. Unsere Software ist zwar tatsächlich größtenteils "Made in Germany", aber wir vertreiben zunehmend auch Produkte für den internationalen Einsatz, die dann durchaus auch anderswo entwickelt werden."

Qualität gefordert, Investitionen nötig

Dr. Friedrich Neumeyer, Mitglied der Geschäftsleitung und verantwortlich für den Geschäftsbereich Mittelstand, OnDemand & Partner Ecosystem SAP Deutschland AG & Co. KG: "Mittelständler stehen vor der Herausforderung, in Plattformen zu investieren statt in einzelne Punktlösungen."

Auch Friedrich Neumeyer, Mitglied der Geschäftsleitung und verantwortlich für den Geschäftsbereich Mittelstand, OnDemand & Partner Ecosystem bei der SAP Deutschland AG & Co. KG, kommt auf die "Vermischung privater und geschäftlicher Nutzung von Laptops und Smartphones" zu sprechen. Seiner Meinung nach "stehen Mittelständler jetzt vor der Herausforderung, in Plattformen zu investieren statt in einzelne Punktlösungen, die nicht mehr einsatzfähig sind, wenn der nächste Technologiesprung oder die nächste Generation mobiler Endgeräte ansteht". Daher müssten Anbieter eine zukunftsfähige Plattform bieten und mobile Anwendungen so entwickeln, dass sie unabhängig von Geräteversionen funktionieren und Investitionssicherheit sowie Flexibilität gewährleisten.

Wer sich als mittelständisches Unternehmen vom Wettbewerb differenzieren will, insbesondere im Vergleich zu Softwarekonzernen, "muss neben einer hohen Produktqualität durch Aspekte wie Service und Transparenz überzeugen", gibt Martin Pfisterer, Geschäftsführer der ElectronicSales GmbH in Parsberg, zu bedenken. Er ergänzt: "Wenn dies gelingt, haben kleine und mittlere Anbieter gerade bei Firmenkunden ähnlicher Größe sehr gute Chancen. Denn sie kennen die speziellen Anforderungen und Bedürfnisse dieser Zielgruppe oft deutlich besser als mancher Global Player."

Doch auf den Anbietern liegt sowieso schon ein hoher Druck, wie Max Ertl, Geschäftsführer der DocuWare Europe GmbH in Germering, zu bedenken gibt. "Aufgrund der Nachfrage nach Cloud-basierter Software und nach Apps müssen sie ihr Geschäftsmodell ändern und hohe Investitionen tätigen." Nur so könnten mittelständische Softwarehersteller in Zukunft erfolgreich sein.

Michael Kempf, Vorstandsvorsitzender der MKS Software Management AG: "Im Mittelstand muss ein Umdenken stattfinden, da es immer schwieriger wird, qualifiziertes Fachpersonal zu gewinnen."

Sage-Chef Dewald weist auf Kundenbefragungen hin, wonach sich der Mittelstand mehr und mehr für Cloud-Lösungen interessiere. Aber eben nicht pauschal. Denn während sich die fertigende Industrie noch scheue, komplette ERP-Systeme in die Cloud zu heben, sei die Bereitschaft für Lohnabrechnung und Kundenmanagement im Einstiegssegment ziemlich hoch. "Daher besteht für viele Softwarehersteller die Herausforderung darin, zum richtigen Zeitpunkt die richtige Lösung anzubieten", erklärt Dewald.

Auch Microsoft-Manager Berchtenbreiter kommt auf "den eingeschlagenen Weg in die Cloud" zu sprechen und auf die entsprechenden Herausforderungen, die sich dadurch ergeben: "Einheitliche Standards, Interoperabilität und offene Schnittstellen über alle Produkte hinweg sind grundlegende Voraussetzungen für den Erfolg des Unternehmens und die Entwicklung neuer branchenspezifischer Lösungen."

Gleichzeitig müsse laut Berchtenbreiter das Know-how im Channel gezielt gefördert werden, denn "vor allem im KMU-Bereich sind unsere Partner viel näher am Kunden und können auf die speziellen Bedürfnisse eingehen". Und da der deutsche Mittelstand sehr heterogen und vielfältig aufgestellt sei, "können wir als Microsoft ihn nicht in dem Sinn abdecken, wie es unsere Partner können", ergänzt der Manager.

Auf der nächsten Seite erfahren Sie, wie die Softwareanbieter über den indirekten Vertrieb denken.

Ein Hohelied auf die Partner

Max Ertl, Geschäftsführer der DocuWare Europe GmbH: "Durch die Nachfrage nach Cloud-basierter Software und nach Apps liegt auf den Softwareanbietern ein hoher Druck."

Apropos Channel: Auch DocuWare-Manager Ertl, der im Dokumentenmanagementumfeld zu Hause ist, weiß, was er an den Partnern hat: "Anwender in mittelständischen Unternehmen sind an ihre Ordner und Papierablagen gewöhnt und haben im Vorfeld keine Vorstellung von der Entlastung, die sie durch Dokumentenmanagementlösungen erhalten. Der Partner vor Ort kennt die IT-Umgebung des Anwenders und kann bei der Installation und Konfiguration beratend und unterstützend eingreifen."

Auch für CAS-Manager Hubschneider sind die Partner unverzichtbar: "Sie teilen mit uns die Leidenschaft, unsere Produkte so innovativ und effizient wie möglich zu gestalten und Schnittstellen zu anderen Business-Applikationen zu entwickeln." Weltweit sind es ihm zufolge mehr als 200 Softwarehäuser, die "für den Großteil unserer Kunden als kompetente Ansprechpartner vor Ort fungieren".

Auf ein "flächendeckendes Partnernetzwerk" setzt auch der ERP-Lösungsanbieter MKS. "Damit können wir schneller auf die Anforderungen unserer Kunden reagieren und uns auf die Weiterentwicklung unserer Produkte als Kernkompetenz konzentrieren", sagt MKS-Manager Kempf. Die Entscheidung für den indirekten Vertrieb habe sich MKS aber nicht leicht gemacht. "Wir mussten zunächst die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen, zum Beispiel die persönliche Betreuung der Partner sicherstellen, Provisionsmodelle errichten und den Wissenstransfer durchführen", fügt Kempf hinzu.

Martin Pfisterer, Geschäftsführer der ElectronicSales GmbH: "Mittelständische Hersteller kennen die Bedürfnisse mittelständischer Anwender oft besser als ein Global Player."

Eine gute Mischung zwischen indirektem und direktem Vertrieb glaubt Sage gefunden zu haben. "Bei unseren Produkten im Einstiegssegment ist eine Implementierung, Schulung oder Wartung durch Partner nicht nötig. KMUs hingegen verfügen über komplexe Unternehmensabläufe und wünschen individuelle, meist branchenspezifische Anpassungen", weiß Sage-Manager Dewald. "In diesen Fällen sind Beratung und Unterstützung durch unsere mehr als 400 autorisierten Fachhändler existenziell." Und im gehobenen Segment? "Das war bisher dem Direktvertrieb vorbehalten. Doch auch da gibt es Entwicklungen, Partner einzubeziehen", ergänzt Dewald.

Ein Hohelied auf die Partner singt auch SAP-Manager Neumeyer: "Unsere Partner sind in bestimmten Branchen, Geschäftsfeldern oder Technologien ausgewiesene Experten. Sie können unseren Kunden auf Augenhöhe begegnen und ihre Bedürfnisse und Herausforderungen einschätzen." 80 Prozent der SAP-Kunden seien mittelständische Unternehmen, betont Neumeyer, "und nahezu alle gewinnen wir über Partner". Dies zeige, welch entscheidende Bedeutung das Partnernetz mit etwa 800 Partnern in der D-A-CH-Region für SAP habe. "Wenn Partner mithilfe unserer Lösungen mehr Umsatz generieren und ihre Kundenbasis erweitern können, stärkt das sowohl ihre als auch unsere Marktstellung und Innovationskraft", betont Neumeyer.

Doch egal, ob man ein mittelständischer Softwareanbieter ist oder einer seiner Partner: "Entscheidend ist es, Kunden die Mehrwerte von Integration, Transparenz und Flexibilität zu verdeutlichen", hebt ElectronicSales-Manager Pfisterer hervor. Denn während große Hersteller häufig ein festes System oder eine starre Plattform hätten, an die sich Kunden anpassen müssten, "haben mittelständische Anbieter im Gegensatz dazu die notwendige Flexibilität, ihren Kunden individuelle Systeme zur Verfügung zu stellen", erläutert Pfisterer.

Wie man es dreht und wendet: Mittelständische IT-Anbieter können meistens nur dann bestehen, wenn ihnen ihre Partner den Rücken freihalten. (tö)