Mit Abstand größtes Geschäft bei Huawei ist bis heute der Carrier-Bereich, mit dem Huawei 1987 in der damals noch recht überschaubaren "Vorstadt von Hong Kong" Shenzhen an den Start ging. In Shenzhen ist auch heute noch der Hauptsitz, allerdings ist das Betriebsgelände inzwischen selbst eine Kleinstadt, während Shenzhen mit rund 14 Millionen Einwohnern Hong Kong weit hinter sich gelassen und geografisch an selbiges herangewachsen ist - weiterhin aber strikt durch eine massive Grenze abgeschirmt.
Firmengründer Ren Zhengfei gilt als genialer und charismatischer Ingenieur mit hohen ethischen Standards. Mit Huawei (was etwa mit "Stolz Chinas" übersetzt werden kann) hatte er von Anfang an Großes im Sinn, wollte aber nicht nur technologisch glänzen, sondern auch mit seiner Unternehmensphilosophie einen Kontrapunkt zur reinen Profitmaxime vieler westlicher Unternehmen schaffen.
So ist Huawei bis heute ein vollständig privat geführtes Unternehmen, das zu 100 Prozent im Besitz seiner Mitarbeiter ist. Bis 2010 fungierte Ren Zhengfei als Chief Executive Officer (CEO). Seit 2011 hat er sich als Lenker und "Vater" weitgehend aus dem operativen Geschäft zurückgezogen, die Position des CEO wird seither im Rotationsverfahren aus einem Kreis von drei Top-Managern besetzt - im strammen Wechsel alle sechs Monate.
In den ersten acht Jahren seiner Firmengeschichte konzentrierte sich Huawei mit seinen Telefonnebenstellenanlagen vorwiegend auf die ländlichen Gegenden Chinas - und hier vor allem Hotels und kleinere Unternehmen. Erst 1997 begann die "Eroberung" chinesischer Metropolen. Im gleichen Jahr brachte das Unternehmen seine ersten GSM-Lösungen auf den Markt - der Einstieg in den Mobilfunkmarkt, bis heute einer der wichtigsten Sektoren im Carrier-Business. Mit der Eröffnung eines großen Forschungs- und Entwicklungszentrums (F&E) im indischen Bengalore begann der Konzern 1999 seine globale Expansion.
Als TK-Ausrüster ins internationale Business
Klarer Schwerpunkt beim Geschäft außerhalb Chinas waren in den ersten Jahren Lösungen für TK-Provider. Um international als bedeutender TK-Ausrüster ernst genommen zu werden, eröffnete Huawei im Jahr 2000 sein erstes europäisches Forschungszentrum in Stockholm, 2001 folgten vier Forschungszentren in USA. Mit dem Amerika-Auftritt schloss sich Huawei der International Telecommunications Union (ITU), dem für Telekommunikation zuständigen Bereich der Vereinten Nationen an. 2002 flossen bereits 550 Millionen Dollar aus dem internationalen Geschäft in die Firmenkassen der Chinesen.
Heute gilt Europa mit 6,6 Milliarden Dollar Umsatz als wichtigster Markt für Huawei außerhalb Chinas. Knapp 10.000 Mitarbeiter zählt das Unternehmen hier, verteilt auf 44 Niederlassungen und 18 Forschungseinrichtungen. Nach Deutschland kam Huawei im Jahr 2001. Heute beschäftigt das Unternehmen hier rund 1.800 Mitarbeiter an 18 Standorten. Die von Kevin Hu geführte Konzernzentrale für Deutschland und Westeuropa liegt in Düsseldorf - in München errichtet Huawei derzeit mit Unterstützung öffentlicher Stellen eine 5G-Testumgebung.
Steiniger Weg in den Enterprise-Markt
Mit der Bildung eines Joint Ventures mit 3Com stieg Huawei 2003 in den Enterprise-Markt ein: Das Portfolio des unter dem Namen H3C firmierenden Unternehmens bestand zunächst aus Netzwerk Interface Controllern (NICs), Switches, Routern und kabellosen Netzwerken (WLAN). Ebenfalls mit dabei waren IP-TK-Anlagen. Über 3Com streckte Huawei seine Fühler auch erstmals in den Security-Markt.
Im Angebot waren die Intrusion Prevention Systeme von Tipping Point, seinerzeit enger Partner von 3Com und ab 2005 im Besitz der Netzwerker. Besonders glücklich war die Allianz jedoch nicht - schon 2006 verkauften die Chinesen ihre 49 Prozent H3C-Anteile zurück an 3Com, die 2010 komplett in den Besitz von Hewlett Packard überging. Erst kürzlich veräußerte HP übrigens seine Tipping Point-Division an Trend Micro.
Huawei indes gründete weitere Joint-Ventures, vor allen in den Bereichen optische Netze und Mobilfunk. Partner waren etwa 2004 Siemens und 2006 Motorola. Über ein Joint Venture mit Symantec erweiterte Huawei 2007 sein Portfolio um weitere Security- und neu auch Storage-Produkte. Anders als beim 3Com-Gemeinschaftsunternehmen H3C strengte Huawei beim Gemeinschaftsunternehmen mit Symantec drei Jahre später den Vollbesitz an. Seit 2011 gehört Huawei-Symantec zu 100 Prozent zu Huawei.
Obwohl Huawei seinen Business-Zweig seit Jahren stark forciert, ist seine Marktbedeutung bislang noch zweitrangig. Für Huawei schlagen seine Umsätze aktuell lediglich mit fünf Prozent zu Buche. Allerdings hat das Unternehmen in den letzten Jahren sehr viel investiert und 2015 eine große Zahl an Highend-Produkten auf den Markt gebracht. Den Schwerpunkt bilden Lösungen, die Unternehmen dabei unterstützen, ihre IT in die Cloud zu verlagern.
Huawei sieht seine Rolle dabei in erster Linie als Infrastruktur-Provider (Infrastructure-as-a-Service, IaaS). Cloud-Lösungen unterstützt Huawei unter anderem mit drei elementaren Software-Plattformen, darunter Fusionsphere, eine Art Cloud-Betriebssystem. Auf der Hardware-Seite hat Huawei ein sehr umfangreiches Portfolio an Servern, Security-Appliances und Rechenzentrumsausstattung. Den Speichermarkt will Huawei in den nächsten drei Jahren gar mit neuartigen All-Flash-Systemen komplett umkrempeln. Dementsprechend ehrgeizig ist die erwartete Wachstumsrate: 40 bis 50 Prozent sind für den Business-Bereich angepeilt.
Consumer-Markt: Das Ende der Bescheidenheit
Ähnliches gilt auch für den Consumer-Bereich, der allerdings mit gut 11,6 Milliarden Dollar aktuell bereits rund 25 Prozent zum Gesamtumsatz beiträgt. Auch hier konzentrierte sich Huawei lange primär auf den chinesischen Markt, erst seit 2009 ist eine Auswahl von Huawei-Endgeräten in nennenswerter Stückzahl auch außerhalb Chinas im Verkauf. Strategisch besetzte das Unternehmen mit seinen Smartphones, Tablets, UMTS- und später auch LTE-Adaptern und -Routern etc. zunächst den Low-end-Sektor - nicht selten sogar ohne eigenes Branding, sondern als OEM-Hersteller für andere Marken.
Anfang 2013 startete Huawei mit dem Smartphone Ascend P2 auch die groß angelegte, globale Vermarkung von Highend-Geräten unter eigenem Namen, und spätestens seit dem Mobile World Congress (MWC) Anfang 2015 in Barcelona ist klar, dass Huawei zur beliebtesten Consumer-Marke überhaupt werden möchte. Und tatsächlich ist 2015 Huawei der erste Smartphone-Hersteller aus China, der den Meilenstein von 100 Millionen verkauften Smartphones erreicht hat - die Chinesen liegen damit an dritter Stelle hinter Apple und Branchenprimus Samsung. Auf dem MWC 2015 gab das Unternehmen auch seinen Einstieg in den Zukunftsmarkt der Wearables bekannt - flankiert von entsprechenden Neuankündigungen wie etwa Uhren und Headsets mit intelligenten Funktionen für Körperüberwachung und Kommunikation.
Vollgas bei Forschung und Entwicklung
Nach dem Symantec-Deal scheint Huawei intern einen Strategiewechsel vollzogen zu haben. Offenbar haben die Chinesen Joint Ventures in der Expansionsphase ihres Unternehmens als eine gute Möglichkeit gesehen, bei vergleichsweise geringem Risiko und geteilten Kosten neue Technologien aufzunehmen und das globale Standing zu vergrößern. Danach steckte Huawei seine Mittel jedoch noch stärker in eigene Forschung und Entwicklung.
Aktuell sind bei Huawei rund 76.000 Menschen im Bereich F&E beschäftigt, das ist fast die Hälfte der gesamten Belegschaft (45 Prozent). Und nach wie vor buttert der Konzern jedes Jahr zwischen 10 und 15 Prozent seiner Umsätze in eigene Entwicklungen. Über die letzten zehn Jahre sollen es zusammengenommen mehr als 30 Milliarden Dollar gewesen sein. Dieses Engagement schlägt sich auch bei der Zahl der Patente nieder: Weltweit besaß Huawei Ende 2014 38.825 Patente, in Europa hat das Unternehmen allein im Jahr 2014 1.600 neue Patente angemeldet, fast 50 Prozent mehr als noch 2013. Damit dürfte jedem klar sein: Huawei meint es ernst mit seiner Rolle als technologischer Vorreiter.