Hewlett-Packard (HP) will im Zuge der Aufspaltung in zwei Firmen nochmals 25.000 bis 30.000 Stellen streichen.
"Der Weg war steinig, das steht außer Frage", zitiert das "Wall Street Journal" Konzernchefin Meg Whitman von einem Treffen mit Finanzanalysten gestern. Die jetzt verkündeten, nochmals drakonischen Personalmaßnahmen sollen aber laut Whitman wenigstens "jegliche zukünftige Restrukturierung des Unternehmens überflüssig machen". Sprich: HP nutzt die Unternehmensänderung jetzt aus, um sich (hoffentlich) ein für alle Mal wettbewerbsfähig aufzustellen in einem Markt, der die großen Computer und PC-Netze hinter sich gelassen hat, mit denen der Konzern im zurückliegenden Jahrzehnt gewachsen ist.
Insgesamt will Hewlett-Packard mit seinem neuesten Sparprogramm jährliche Kosten von 2,7 Milliarden Dollar einsparen und sich schlanker besser für den Wettbewerb in neuen Märkten wie Cloud Computing aufstellen. Der Stellenabbau betrifft etwa zehn Prozent der HP-Belegschaft von laut Finanzdienst Bloomberg zuletzt rund 302.000 Mitarbeitern. Vor vier Jahren nach der Übernahme des IT-Services-Riesen Electronic Data Systems (EDS) hatten in Spitzenzeiten 350.000 Menschen für HP gearbeitet. Die Einnahmen des Konzerns sind allerdings seither von 127,2 Milliarden Dollar für das Geschäftsjahr 2011 auf 111,5 Milliarden im Fiskaljahr 2014 gesunken.
Die bis zu 30.000 jetzt angekündigten Stellenstreichungen nimmt HP zusätzlich zu den 55.000 bereits in der Vergangenheit angekündigten vor. Im vierten Quartal, das Ende Oktober endet, sollen dafür 2,7 Milliarden Dollar abgeschrieben werden. "Sie versuchen, ihre Kostenbasis zu drücken, bevor sie in das erste Jahr als geteiltes Unternehmen eintreten", kommentiert Crawford Del Prete, Chief Research Officer von IDC. Aus seiner Sicht versucht HP verstärkt, aus dem margenschwachen Outsourcing-Geschäft herauszukommen und in lukrativere Geschäftsfelder wie Big Data und Analytics, Security und Modernisierung von Applikationen vorzustoßen.
Branchenbeobachter hatten die fünfstelligen Entlassungen im Prinzip bereits seit Mai erwartet, nachdem HP seinerzeit Restruktierunskosten von 2 Milliarden Dollar avisiert hatte. Gestern nannte das Unternehmen nun erstmals konkrete Zahlen. Wann die Betroffenen entlassen werden, ist indes noch unklar.
Fehler wie die milliardenschwere Übernahme von Autonomy unter Whitmans Amtsvorgänger Leo Apotheker werde Hewlett-Packard nicht wieder machen, versprach die CEO. "Ich denke, Sie werden mit zustimmen, dass wir in den vergangenen vier Jahren nichts Dummes mehr gemacht haben, und wir wollen auch in Zukunft nichts Dummes tun", versprach Whitman den Finanzanalysten.
Details der Aufspaltung
Hinlänglich bekannt ist bereits, dass sich HP zum 1. November in zwei Unternehmen aufspaltet. Die abgetrennte Hewlett Packard Enterprise (HPE) soll unter Ägide von Whitman primär Server und Software für den Geschäftsbetrieb von Unternehmen verkaufen. Damit konkurriert die Ausgründung auch gegen Trend, Rechenleistung von Cloud-Providern wie Amazon (Web Services), Microsoft oder IBM zu mieten.
Durch die Zweiteilung sollen sich beide HP-Firmen jedenfalls besser auf ihre jeweiligen Märkte fokussieren können. "Als eine Firma haben wir immer versucht, alle Teile unter eine übergreifende Strategie zu fassen", sagt die CEO. "Wir freuen uns darauf, als zwei branchenführende Firmen zu operieren", wird Whitman von der "New York Times" zitiert. "Sie werden erleben, dass wir mehr Geschäfte ausputzen, die nicht passen."
HP geht zum jetzigen Zeitpunkt davon aus, dass die neue Enterprise-Firma im November 2016 für ihr dann zurückliegendes erstes eigenständiges Geschäftsjahr einen Nettogewinn von 75 bis 85 Cent pro Aktie ausweisen kann. Der Pro-forma-Gewinn soll bei 1,85 bis 1,95 Dollar je Anteilschein liegen, sprich 1,10 Dollar werden als Kosten für Umbau und Separierung abgezogen veranschlagt.
HPE ist deutlich stärker von dem neuen Stellenabbau betroffen. Besonders treffen wird es frühere EDS-Jobs Arbeitsplätze in Call- und anderen Service-Centers in Industrieländern. Viele dieser Positionen sollen automatisiert, andere in lohngünstigere Länder wie Indien und Costa Rica verlagert werden.
Nach Angaben von Mike Nefkens, Leiter des HP-Geschäftsbereichs Enterprise Services, will Hewlett Packard Enterprise außerdem die Abhängigkeit von wenigen, extrem profitablen Kunden weiter verringern. 2013 habe seine Sparte 65 Prozent ihres operativen Gewinns mit nur drei Key Accounts gemacht. "Heute macht kein einzelner Kunde mehr als Prozent aus", sagt Nefkens.Seine Umsätze rund um Cloud Computing will Hewlett Packard Enterprise in den kommenden Jahren um im Schnitt mehr als 20 Prozent steigern.
Die auf PCs und Drucker fokussierte HP Inc. werde sich unter anderem auf die Rückgabe von Geld an ihre Aktionäre konzentrieren und gleichzeitig in neue Märkte wie 3D-Druck vorstoßen, sagte Whitman. Die Inc. wird laut HP-Finanzchefin Cathie Lesjak in den kommenden drei Jahren 3300 von aktuell rund 50.000 Jobs streichen, 1200 davon 2016. Das Pro-forma-Ergebnis für das erste Fiscal Year der Hewlett-Packard Inc. setzt Lesjak bei 1,67 bis 1,77 Dollar pro Aktie an.
Analysten dämpfen den Optimismus
Laut Whitman schaltet Hewlett-Packard im November "vom Turnaround- in den Wachstumsmodus". Einige Analysten bezweifeln aber etwa, dass HPE in den nächsten drei Jahren das von Whitman in Aussicht gestellte gemittelte jährliche Wachstum (CAGR) von 4,4 Prozent schafft. "Ihr halbes Portfolio wird in den kommenden drei Jahren nicht wachsen", prophezeite etwa Toni Sacconaghi von Sanford Bernstein. "Ist es wirklich realistisch, dass HP wachsen kann?"
Whitman glaubt daran, "falls Enterprise Services aufhören kann zu schrumpfen". Sie hofft jedenfalls für HPE auf "BPI-mäßige Wachstumsraten" und will die Gewinnmargen durch effizientes Management erhöhen. Whitman wird übrigens dem Verwaltungsrat der HP Inc. vorsitzen. CEO dort wird Dion Weisler, der aktuell noch das Druckergeschäft von HP leitet.
Die Story von Hewlett-Packard
Die Story von Hewlett-Packard Hewlett-Packard (HP) durchlebt seit drei, vier Jahren sehr stürmische Zeiten. Das liegt nicht nur an Verschiebungen auf dem Markt und starkem Wettbewerb, sondern auch an der Sprunghaftigkeit sowie Fehlentscheidungen im Topmanagement und in der Unternehmensstrategie. Allerdings hat der Konzern seit seiner Gründung bereits erfolgreich eine respektable Metamorphose durchgemacht.
1939: In der Garage fing alles an In der mittlerweile wohl berühmtesten Garage der Welt findet Hewlett-Packard 1939 seinen Anfang. Damals gründen Bill Hewlett und David Packard ihr Unternehmen und schrauben neben ihren eigentlichen Jobs in der Garage gleich auf dem Grundstück in Palo Alto, auf dem sie wohnen, einen Tongenerator zusammen. Sie legen damit unbewusst den Grundstein für das Silicon Valley, die vielbeachtete Hightech-Region in Kalifornien.
Die Walt Disney Studios zählen zu den ersten Kunden ... ... und kaufen gleich acht Oszillatoren HP200B, um ein innovatives Tonsystem für den Film "Fantasia" zu entwickeln.
1957: Der Gang an die Börse mit Messtechnik 1951 erfindet HP mit dem 524A ein Hochgeschwindigkeits-Frequenzmessgerät. Damit ist technisch die Grundlage für das Analysegeschäft gelegt. Fünf Jahre später baut das Unternehmen sein erstes Oszilloskop. 1957 geht HP an die Börse. Eine Aktie kostet 16 Dollar. (In Frankfurt wurde die HP-Aktie am 30. April 2013 für knapp 15,50 Euro gehandelt.)
1959: Produktion in Deutschland Die erste Produktion außerhalb der USA baut HP 1959 in Deutschland auf. Hier hat das amerikanische Unternehmen die meisten Kunden im europäischen Geschäft. Die Standortentscheidung für Baden-Württemberg ist angeblich eine Entscheidung gegen Bayern: In München soll ein Ministeriumsvertreter bei Gesprächen mit Bill Hewlett die bayerische Lebensart mit deftiger Brotzeit und Bier allzu sehr gelobt haben. Der Amerikaner war aber mehr an Produktivität als an Lebensgenuss interessiert und entschied sich deshalb für das als tüchtig und arbeitsam geltende Schwaben.
1962: Böblingen verantwortet das Softwaregeschäft Der nächste Umzug steht im Jahr 1962 an: Über 150 Mitarbeiter ziehen in das HP-eigene Werk in der Herrenberger Straße, an der noch heute der Sitz der deutschen Tochter liegt. Im Jahr 1963 wächst die technologische Bedeutung der deutschen GmbH: Böblingen baut eine Entwicklungsabteilung auf.
1966: Marktpremiere des ersten HP-Computers 1967 zeigt HP Deutschland, dass das Unternehmen nicht nur technologisch an der Spitze stehen will und führt als internationaler Vorreiter flexible Arbeitszeiten ein. Stechuhren haben ausgedient, auch in der Produktion. In den USA führt HP ein solches Arbeitszeitmodell erst sechs Jahre später ein.
1972: Der Taschenrechner hält Einzug Mit dem HP-35 bringt Hewlett-Packard 1972 den ersten wissenschaftlichen Taschenrechner der Welt auf den Markt, zwei Jahre später kommt der erste programmierbare Taschenrechner dazu, der HP 65.
1977: Miniaturisierung mit dem HP-01 n der Elektronik treibt HP die Miniaturisierung voran und bringt 1977 eine Art Personal Digital Assistant fürs Handgelenk heraus: Die HP-01 trägt sich wie eine Armbanduhr, zeigt aber nicht nur die Uhrzeit an, sondern dient auch als Taschenrechner und Kalender.
1980: Der erste Personal Computer HP 85 Im Jahr 1980 bringt HP seinen ersten Personal Computer auf den Markt, den HP 85. Mit kleinem Bildschirm und schmalem Druckwerk erinnert er noch stark an eine Schreibmaschine. Für die deutsche Tochtergesellschaft gewinnt das Softwaregeschäft an Bedeutung: Die GmbH übernimmt die Verantwortung für Entwicklung und Vermarktung von Anwendungssoftware im CAD/CAM-Bereich und behält sie auch bis zur Abspaltung des Geschäftsbereichs im Jahr 2000.
1988: Die fetten Druckerjahre kommen Ab 1988 beliefert Hewlett Packard mit seinem Tintenstrahldrucker HP DeskJet den Massenmarkt, ab 1991 auch mit einem Farbdrucker, dem DeskJet HP 500C.
1993: Jörg Menno Harms prägt HP Deutschland Im Jahr 1993 übernimmt Jörg Menno Harms den Vorsitz in der Geschäftsführung der HP GmbH. Bis heute ist er dem Unternehmen verbunden und hat den Vorsitz des Aufsichtsrats inne. Die ersten x86-Server von HP kommen unter dem Namen ProLiant auf den Markt.
1998: Jordana - der erste PDA Mit dem HP Jornada PDA baut Hewlett-Packard 1998 seinen ersten echten Personal Digital Assistant.
2001: Fusion mit PC-Hersteller Compaq Eine weitere Änderung äußert sich 2001 in der Gründung von HP Services. Der Computerhersteller will stärker auch mit Dienstleistungen Geld verdienen und bietet jetzt Consulting, Outsourcing, Support und Solution Deployment Services an. Das Internet und elektronische Dienstleistungen bilden den Kern der neuen HP-Strategie. Nach dem Abschluss der Übernahme von Compaq geht auch in Deutschland das neue Unternehmen HP am 3. Mai an den Start.
2004: Geschäftsfeld IT-Services wird ausgebaut Das Unternehmen erweitert sein Angebot für Privatanwender um digitale Unterhaltungstechnik vom Fotodrucker bis zum Personal Media Drive. Im selben Jahr macht HP einen großen Schritt in Richtung Dienstleister und schließt zum 1. April 2004 die Akquisition von Triaton ab, dem von ThyssenKrupp ausgegründeten IT-Dienstleister des Stahlkonzerns.
2005: HP feuert Fiorina und holt Mark Hurd Der Verwaltungsrat entlässt 2005 die Konzernchefin Carleton Fiorina. Ihr Compaq-Deal bleibt umstritten. Ihr Versuch, Konkurrenten wie Dell im unteren und IBM im oberen Leistungsbereich des IT-Geschäfts anzugreifen, gilt als wenig erfolgreich. Ihr Nachfolger wird Mark Hurd, Chef der NCR Corporation.
2008: EDS-Übernahme macht HP zum Servicegiganten Mit dem Zukauf von einer ganzen Reihe an Unternehmen will HP sein Geschäft in den Bereichen Software und Services stärken. 2008 übernimmt HP schließlich für 13,9 Milliarden Dollar den IT-Dienstleister EDS, nach der Compaq-Übernahme der zweitgrößte Deal der Unternehmensgeschichte. EDS beschäftigte damals knapp 120.000 Mitarbeiter, die einen Umsatz von 21,3 Milliarden Dollar erwirtschafteten. HP wird damit im Dienstleistungsgeschäft zu einem absoluten Schwergewicht mit 210.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 38 Milliarden Dollar.
2009: HP kauft den Networking-Spezialisten 3Com Seine Netzwerkkompetenz baut HP schließlich 2009 durch die Akquisition der 3Com Corporation aus. In Deutschland übernimmt zum 50-jährigen Bestehen der HP GmbH Volker Smid den Vorsitz in der Geschäftsführung. Er leitet bis heute die Deutschland-Tochter.
2011: eBay-Chefin Meg Whitman übernimmt das Ruder Der Verwaltungsrat ist gegen Apotheker und holt eBay-Chefin Meg Whitman. Seit dem 22. September 2011 ist sie CEO von HP. Sie geht einen anderen Weg, sieht das Hardwaregeschäft als wichtiges Standbein. Mittlerweile hat sie HP einen harten Sparkurs verordnet. Die Geschäftszahlen für 2012 waren noch katastrophal: Bei einem Umsatz 120,4 Milliarden Dollar machte HP einen Verlust von 12,7 Milliarden Dollar.
2013: Das PC-Geschäft bricht ein Unter Whitman will HP wieder in die technologische Offensive gehen. Neue Produkte rund um Cloud Computing, Big Data und Analytics sollen helfen, das Runder herumzureißen. Sie sollen das wegbrechende PC-Geschäft kompensieren helfen. HP ist zwar noch Marktführer, doch die PC-Verkäufe sind im ersten Quartal 2013 um fast 24 Prozent abgesackt.
2014: Die Aufspaltung kommt Anfang Oktober 2014 nimmt der einstige Branchenprimus Anlauf für den finalen Befreiungsschlag: Bis November 2015 soll der Konzern durch einen Aktiensplitt aufgeteilt werden in HP Inc. als Anbieter von Personal Computern und Drucker sowie in Hewlett-Packard Enterprise (HPE) mit Unternehmenslösungen für Infrastruktur, Software und Services.
2015: Neues Enterprise-Logo Im April stellt Hewlett-Packard Enterprise sein neues Logo vor.
Die Schwachstelle Enterprise Services unterstreicht auch Anand Srinivasan, Analyst bei Bloomberg Intelligence. "HP muss unbedingt Enterprise Services, PCs und Server über beide künftigen Firmen hinweg in den Griff kriegen", sagt der Experte. "Einige der Probleme sind marktabhängig, andere wiederum hausgemacht und HP-spezifisch. Die Lösung für das Umsatzwachstum wird jedenfalls nicht aus Restrukturierungsmaßnahmen kommen."