HP hat im Oktober eine neue Strategie angekündigt. Wollen Sie sich vom angestammten Geschäft mit PCs und Druckern lösen?
Fauser: Ganz sicher nicht. Unsere Strategie ruht künftig auf drei Säulen. Da ist zunächst das Kernelement Advance; dahinter verbirgt sich unser angestammtes PC- und Drucker-Business. Vor allem im PC-Bereich sehen wir noch enormes Potenzial, es sind ungefähr 700 Millionen Geräte im Feld, die älter als vier Jahre sind. Da besteht Ablösebedarf. Marktanalysen zeigen, dass sich die Generation Z, die jetzt nach und nach ins Arbeitsleben eintritt, wieder mehr für PCs und Notebooks interessiert als die Generation davor, die Tablets und Smartphones bevorzugt hat.
Im Geschäft mit dem Drucken, zu Hause oder im beruflichen Umfeld, sehen wir wesentliche Veränderungen. Der Markt schrumpft, die Nachfrage nach Druckern und Druckerzeugnissen im Büroumfeld geht zurück. Das stellt uns vor Herausforderungen. Wir sind aber trotzdem überzeugt davon, dass dieses Geschäftsfeld relevant bleiben wird. Wir konzentrieren uns hier auf die Erhöhung unseres Marktanteils.
Digital- und 3D-Druck sind Zukunftsmärkte von HP
Welche Rolle spielt künftig der 3D-Druck?
Fauser: Da kommen wir zur zweiten Säule "Disrupt", deren Kern in 3D-Druck und Industrial Printing besteht. In diesen Bereich gehört auch der Digitaldruck, den HP in den vergangenen Jahren maßgeblich geprägt hat. Wir haben viel getan, um von der analogen in die digitale Druckwelt zu kommen, dafür stehen unsere Maschinen der Indigo-Reihe. Konzerne wie Ferrero nutzen sie, um beispielsweise personalisierte Verpackungen herzustellen und so die Nachfrage zu erhöhen. Auch wenn Dienstleister individuelle Fotobücher oder Grußkarten herstellen, steht oft eine HP-Indigo-Maschine dahinter. 3D Druck ist die nächste Stufe der Industrialisierung.
Warum heißt der Bereich Disrupt?
Fauser: Die Technologien, die wir heute im thermischen Tintenstrahl- oder 3D-Druck einsetzen, werden schon bald auch in anderen Märkten genutzt werden können. Sie werden für disruptive Veränderungen sorgen, etwa im Kosmetikumfeld oder im medizinischen Bereich. Wir halten Patente an Technologien, die es uns ermöglichen, das Verhalten mikroskopisch kleine Tropfen exakt zu beeinflußen- so groß wie der zehnte Teil eines menschlichen Haares. Damit lassen sich winzige Materialmengen auf Trägerstoffen etwa im Kosmetik- oder Medikamentenumfeld aufbringen.
Auch unser 3D Druck basiert auf dieser Technologie. Dass der 3D-Druck, beispielsweise im Orthopädie- oder im Dentalbereich, auch im industriellen Umfeld disruptive Kraft entfalten wird, darüber schreiben Sie ja selbst immer wieder.
Zwei Säulen kennen wir nun, welche ist die dritte?
Fauser: Sie ist strategischer Art. Wir haben Organisation und Ausrichtung der Firma zum 1. November in ein neues Modell überführt, indem wir Hierarchieebenen abgebaut haben. Wir haben aus drei geographischen Zonen zehn gemacht, die direkt an einen weltweiten Vertriebsvorstand berichten. So sind die Entscheidungswege kürzer geworden und wir werden nun massiv in die Digitalisierung und Automatisierung der Abläufe investieren, um an den Schnittstellen zu Partnern und Endkunden schneller zu werden.
Ist das der Hintergrund, vor dem der Anfang Oktober kommunizierte Personalabbau stattfinden wird?
Fauser: Ja. Wir werden viel schlankere Prozesse haben, und die führen im Laufe von ungefähr drei Jahren zu einem Abbau von 7000 bis 9000 Arbeitsplätzen weltweit. Unser Ziel ist es, dort, wo wir Schnittstellen zu Kunden und Partnern haben - in den Landesgesellschaften - auf Kontinuität zu setzen.
Mir ist wichtig klarzustellen, dass wir aus einer Position der Stärke heraus agieren. Wir haben seit der Ausgründung der HP Inc. aus dem Konzern Quartal für Quartal den Umsatz gesteigert und im PC- ebenso wie im Print-Bereich in neue Technologien und Patente investiert. Die Transformation in den nächsten drei Jahren wird uns helfen, uns besser an den Anforderungen der Märkte auszurichten.
HP partnert mit BASF, Evonik und Henkel
Können Sie prozentual einordnen, wieviel Geschäft HP künftig im Advance-Bereich, also mit PCs und Druckern, machen wird und wieviel im Disrupt-Bereich?
Fauser: Momentan würde ich den überwiegenden Teil noch im Advance-Bereich sehen, aber wir gehen davon aus, dass sich die Geschäfte allmählich in die andere Richtung drehen werden. Wir befinden uns hier in einer langfristigen Transformation. Auch die Vertriebsprozesse sind andere.
Im 3D-Druck hat Deutschland eine Schlüsselrolle. Wir haben beispielsweise bei den Materialien Partnerschaften mit BASF, Evonik und Henkel geschlossen. Bei der Industrialisierung kooperieren wir mit Siemens. Es ist für uns eminent wichtig, professionell in der additiven Fertigung durchzustarten. Dazu müssen wir diverse Schnittstellen bedienen können. Der Design- und Fertigungsprozess hat ja nichts mit dem zu tun, was wir mit unseren Druckern im klassischen Büroumfeld vorfinden. Deswegen haben wir intern eine Commercial Organisation aufgestellt, die sich um das klassische HP-Geschäft kümmert. Eine weitere Organisation nimmt sich der Industrial-Themen an.
Welche Veränderungen erwarten Sie in Ihrem klassischen Geschäft mit PCs und Druckern?
Fauser: Im Business-Umfeld setzt sich durch, dass Geräte in einem As-a-Service-Modell bezogen werden. Die Unternehmen bevorzugen, wie auch bei der Software, variable anstelle von Fixkosten. Opex-Aufwendungen tauchen anders in der Bilanz auf als Capex-Investitionen. Außerdem ist man flexibler und skalierungsfähig, kann einfacher aufrüsten und verändern.
Das As-a-Service-Modell ermöglicht uns, PC- und Drucker-Umgebungen per Predictive Maintenance zu monitoren und beispielsweise zu sehen, wann ein PC oder Drucker ausgetauscht werden muss. Das machen wir nicht selbst, bieten unseren Partnern aber die Voraussetzungen, diese Aufgabe zu übernehmen. Die können mit solchen Systemen bei ihren Kunden ganze Geräteflotten überwachen. Das passiert derzeit vor allem bei Managed Print Services, aber zunehmend auch bei Devices as a Service, also PCs.
Es geht hier nicht nur um ein Finanzierungs- oder Leasing-Modell, sondern weit darüber hinaus um ein auf den Kunden zugeschnittenes Vertragsmodell, das wachsen und schrumpfen kann. Wir glauben, dass mit solchen Ansätzen die Nachfrage im PC-Geschäft stabil bleiben wird - auch noch im Februar 2020, wenn der Support für Windows 7 abgelaufen ist und viele Nutzer auf Windows 10 gewechselt haben werden.
Worauf kommt es bei der Weiterentwicklung der Notebooks selbst an?
Fauser: Die Welt der Arbeit wird zunehmend mobil, was zur Folge hat, dass es leichte, sichere Geräte mit einer hohen Akku-Leistung und fortgeschrittenen Sicherheits-Features braucht. Wichtig ist ein großes, hochauflösendes Display mit kleinem Rahmen und die Möglichkeit, ein Tablet draus zu machen. Bei unserem neuesten Modell sind 86 Prozent der Notebook-Fläche Bildschirm.
Auch das Thema Nachhaltigkeit wird wichtiger. Wir bauen die Geräte so, dass die Materialien später bei der Entsorgung einfach getrennt werden können. Und bei unserem neuen Gerät HP Elite Dragonfly bestehen nahezu alle Kunststoff-Bestandteile aus recycelten PET-Flaschen aus dem Meer. Wir haben im Rahmen einer großen Initiative vor Haiti Millionen von Flaschen aus dem Meer gefischt, gereinigt, geschreddert und wiederverwendet - zum Beispiel in den Lautsprechern und der Tastatur.
Der Arbeitsplatz der Zukunft wird kollaborativ sein, Telefon- und Videokonferenzen spielen eine wichtige Rolle. Deshalb gewinnen Speaker, Mikrofone und die Unterstützung von Telefonie eine Rolle. Klassische Leistungsmerkmale wie Prozessor, Hauptspeicher, SSD etc. bleiben wichtig, aber sie werden auf hohem Level erwartet - Differenzierungsmöglichkeiten sind hier eher eingeschränkt.
Security-Features werten HP-Notebooks auf
Sie haben die IT-Sicherheit erwähnt. Ist das nicht eher ein Thema für Ihre Partner?
Fauser: Natürlich verlassen wir uns hier auf die Beratungskompetenz unserer Partner, die viele Sicherheitslösungen bei den Kunden integrieren und einführen. Aber unsere Geräte im Drucker- wie im Printer-Umfeld sind heute mit vielen Sicherheitsfunktionen ausgestattet. Zum Beispiel bieten wir auf unseren Notebooks die Funktion "Sure Start" an, die von Anfang an bestimmte Boot-Viren filtert. Wir haben mit "Sure View" außerdem einen elektronischen Blickschutz, der Dritten das Ausspähen von Bildschirminhalten - beispielsweise im Café oder am Flughafen erschwert. Dann gibt es einen mechanischen "Shutter", um die Kamera auszuschalten. Und die Unterstützung der MIL-SPECs sorgt im Business dafür, dass alle eingesetzten Arbeitsgeräte robuster geworden sind.
Ähnlich sind wir bei Druckern und Multifunktions-Geräten vorgegangen. Leider denkt weniger als jeder dritte IT-Verantwortliche bei Sicherheitsthemen an Endgeräte wie PCs und vor allem Drucker. Zu wenige Anwender denken bei ihrer Kaufentscheidung über Sicherheit nach. Das zeigt eine Studie, die wir bei IDC in Auftrag gegeben haben. Auch Drucker sind Internet-fähige und damit angreifbare Endgeräte im firmeninternen Netzverbund. Durch USB-Anschlüsse, WLAN- und Bluetooth-Zugänge werden sie zum Einfallstor in Unternehmen. Das unterschätzen viele. Es ist alarmierend, wie wenige Unternehmen Drucker in ihren Sicherheitskonzepten berücksichtigen.
Das Geschäftsmodell im Druckersegment bestand lange darin, billige Drucker in den Markt zu schieben und an teuren Verbrauchsmaterialien gut zu verdienen. Ist das immer noch so?
Fauser: Wir glauben, dass es an der Zeit ist umzudenken. Wir haben einen klaren Plan, wie wir das Geschäftsmodell umstellen. Beispielsweise bieten wir heute schon Großtanksysteme an, die privaten Anwendern ermöglichen, drei Jahre zu drucken, ohne Patronen austauschen oder nachfüllen zu müssen. Ähnliches gibt es in einigen Ländern von HP bereits für Laserdrucker.
Wir fragen uns auch, ob wir nicht teurere Drucker anbieten können, dafür den Kunden aber die Option bewahren, die Tinte zu verwenden, die sie zu günstigen Preisen irgendwo anders erstehen können. Anders herum könnten wir auch günstige HP-Drucker anbieten mit der Auflage, unsere Supplies zu verwenden. Da sind wir für alle Optionen offen, vergleichbar mit vertrags- und nicht-vertragsgebundenen Mobilfunkangeboten.
HP-Geschäftsmodell basiert auf einem Technologiekern
Wenn man auf Ihre Unternehmensbereiche Advance und Disrupt blickt, stellt sich die Frage, ob man sich HP nun zweigeteilt vorstellen muss. Das sind ja zwei völlig unterschiedliche Geschäftsfelder.
Fauser: Nicht unbedingt, wir reden im Prinzip über die gleichen Basistechnologien. Die Druckköpfe in einem Abteilungsdrucker unterscheiden sich nicht so stark von denen in einem 3D-Drucker. Microfluidics ist die einende Technologie dahinter. Darauf basiert im Kern das thermische Tintenstrahlverfahren. Es geht um die Wissenschaft, kleinste Mengen von Flüssigkeiten kontrollierbar zu manipulieren. Ausgehend vom klassischen Tintenstrahl-Druck sind wir jetzt den großformatigen Druck angegangen und haben hier die Industrialisierung vorangetrieben. Der nächste Schritt ist der 3D-Druck: Hier drucken wir mit einer Flüssigkeit in einem Pulverbett, der Unterschied zum Druck auf Papier ist gar nicht so groß.
Uns interessiert Additive Manufacturing. Wir konzentrieren uns auf Maschinenbau und den Automotive-Sektor, den Gesundheits- und den orthopädischen Bereich. In Zukunft können Kosmetik und Pharmazie hinzukommen. Dort möchten wir klassische Fertigungsprozesse ersetzen. Da sind wir heute noch nicht, aber das ist die Zukunft.