Microsoft verärgert den Fachhandel

Holpriger Verkaufsstart von Windows 7

09.07.2009
Microsoft wird bereits ab dem 15. Juli Windows 7 für 49,99 Euro in Retail- und E-Tail-Märkten anbieten. Fachhändler dürfen an dieser Aktion nicht teilnehmen. Fehlende Upgrade-Möglichkeiten und weltweite Preisdiskrepanzen werfen zusätzlich Schatten auf die Einführung des neuen Betriebssystems.

Rund zweieinhalb Jahre nach der missglückten "Windows Vista"-Einführung blüht Microsoft mit "Windows 7" erneut ein holpriger Start. Während bei Vista fehlende Gerätetreiber, inkompatible Applikationen oder zu schwache Hardware einer erfolgreichen Einführung im Wege standen, setzt Microsoft diesmal auf eine fachhandelsfeindliche Vertriebsstrategie und nimmt Anwendern in Europa die Möglichkeit des Upgradens.

Das 49,99-Euro-Problem

Microsoft wird ab 15. Juli sein neues Betriebssystem in einer befristeten Vorbestellungs-Sonderaktion auf den Markt bringen. Und zwar ausschließlich im Retail- und Online-Handel. Für schlappe 49,99 Euro wird die "Windows 7 E Home Premium"-Version bei Händlern wie Amazon und Media Markt vier Wochen unters Volk geschmissen - solange der Vorrat reicht. Der Rest der Händlerschaft darf zuschauen. "Leider ist diese Aktion nur über ausgewählte Retailer möglich", beantwortete Martin Schnelldorfer, Partner Account Manager OEM Deutschland bei Microsoft, kurz und bündig eine Anfrage von Michael Schröter, Geschäftsführer der Pentacom GmbH aus Berlin. Regelrecht beschämend ist ein Microsoft-Statement, das ein anderer Fachhändler vom Distributor Devil bekam. Dort wird die 49,99-Euro-Retail-Verkaufsaktion als Dankeschön an Windows-Beta-Tester charakterisiert (siehe Kasten rechts). Die Sonderaktion ist nicht auf Deutschland beschränkt. So gab es ab 26. Juni auch in Kanada, den USA und Japan ein entsprechendes Angebot. Nach dieser Vorverkaufsphase steigt der Preis von Windows 7 E zum Erscheinungsdatum am 22. Oktober 2009 deutlich an (siehe Tabelle auf Seite 3).

"Als Dankeschön für Beta-Tester"

Von Devil verschicktes Microsoft-Statement zur 49,99-Euro-Sonderaktion für Windows 7:

"Ab 15. Juli 2009 können Kunden bei einigen Händlern Windows 7 Home Premium E zu einer unverbindlichen Preisempfehlung von 49,99 Euro vorbestellen. Da dieses Vorverkaufsangebot als kleines Dankeschön für Beta-Tester und alle weiteren an der Entwicklung des neuen Betriebssystem Beteiligten gedacht ist, steht nur eine limitierte Anzahl in einem begrenzten Zeitraum zur Verfügung. Diese sind über Hard- und Softwarehändler und E-Tailer verfügbar. Mit dem günstigen Angebot für die finale Version möchten wir allen danken, die dabei mitgeholfen haben, Windows 7 weiterzuentwickeln. Aufgrund der limitierten Anzahl der für dieses Vorverkaufsangebot verfügbaren Lizenzen, die auch das Angebot der beteiligten Händler begrenzt, ist es Microsoft leider nicht möglich, alle Händler in das Programm zu integrieren. Trotzdem sind auch die kleineren und mittelgroßen Händler ein außerordentlich wichtiger Eckpfeiler für unseren Vertrieb und unsere Kundenbeziehungen. Sie können unseren Kunden zum Beispiel über Upgrade-Optionen beim Verkauf neuer Windows-Vista-PCs, von Einzelhandelsprodukten oder System-Builder-Paketen ebenfalls Windows 7 zu sehr günstigen Konditionen anbieten. Mehr Informationen dazu gibt es unter http://www.windows.de/upgrade."

Die einzige Möglichkeit für den Fachhandel, jetzt schon Windows 7 zu verkaufen, sind die "System Builder"-Versionen. Händler können ab sofort Vista-Rechner mit Windows-7-Gutscheinen verkaufen. Der Kunde darf dann im Oktober kostenlos auf Windows 7 upgraden.

Das Internet-Explorer-Problem

Microsoft verkündete Anfang Juni, Windows 7 in Europa ohne integrierten Internet Explorer auszuliefern. Hintergrund ist ein Kartellverfahren mit der EU-Kommission, in dem es um genügend Wettbewerb bei Internet-Browsern geht. Um europäischen Wettbewerbsgesetzen gerecht zu werden, werde der Internet Explorer nicht mit dem Betriebssystem angeboten, so das Unternehmen aus Redmond. So weit, so gut. Was auf den ersten Blick begrüßenswert erscheint, bringt mehrere, teils erhebliche Nachteile für die Kundschaft mit sich.

Erstens: Anwender, die sich eine der "Windows 7 E" betitelten EU-Versionen kaufen möchten, können lediglich eine "Vollversion" erwerben. Günstigere "Upgrade"-Varianten werden in der EU nicht angeboten. Denn da der Internet Explorer zu tief in alten XP- oder Vista-Systemen verwurzelt ist, ist es technisch laut Microsoft zurzeit nicht möglich, ein solches System auf ein browserfreies Windows 7 zu aktualisieren. Stattdessen ist eine komplette Neuinstallation notwendig. "Wir schließen nicht aus, dass es zu einem späteren Zeitpunk Upgrade-Versionen gibt", sagt Microsoft Pressesprecherin Irene Nadler gegenüber ChannelPartner. So werden also europäische Kunden gezwungen, teure Vollversionen zu kaufen. Bis jetzt gibt es kein Signal seitens Microsofts, den Kunden entgegenzukommen, indem man diese EU-Ausführungen von Windows 7 zum Beispiel vergünstigt anbietet.

"Ein Update ist technisch nicht vorgesehen"

Thomas Hemmerling-Böhmer, Vorstandssprecher Microsoft Business User Forum e.V., spricht mit Marcel Schneider, Großkundenverantwortlicher bei Microsoft, über Windows 7 ohne Internet Explorer und die Migration im Unternehmen (Quelle: computerwoche.de)

Hemmerling-Böhmer: Seit Jahren schwelt der Streit zwischen der EU und Microsoft bezüglich der standardmäßigen Integration des Internet Explorers in das Betriebssystem. In den Augen der EU stellt das eine Wettbewerbsverzerrung dar. Microsoft hat immer argumentiert, man könne den IE nicht herauslösen, weil sonst nicht vertretbare Inkompatibilitäten bei der Windows-internen Kommunikation aufträten. Nun wurde berichtet, Microsoft liefere Windows 7 ohne IE aus. Woher kommt der Stimmungswandel?

Schneider: Der weltweite Launch von Windows 7 rückt schnell näher. Wir halten daran fest, das neue Betriebssystem zeitgleich in Europa und dem Rest der Welt zu launchen. Vor dem Hintergrund offener rechtlicher Auseinandersetzungen hat Microsoft daher entschieden, den Internet Explorer Computerherstellern und Endkunden als Stand-alone-Produkt zur Verfügung zu stellen, anstatt ihn in Windows 7 zu integrieren. Das ist ein wichtiger Schritt für uns. Wir wollen und werden den weltweiten Launch-Termin einhalten; von daher müssen wir uns mit den rechtlichen Realitäten in Europa auseinandersetzen. Obgleich es nicht unsere erste Wahl ist, glauben wir, dass unser Vorgehen zielführend ist.

Hemmerling-Böhmer: Windows 7 ist offensichtlich eine Weiterentwicklung von Vista. Daher gibt es auch einen klaren Migrationspfad von Vista nach Windows 7. Was ist aber mit der großen Installationsbasis von XP? Gerade im industriellen Sektor sind ja nicht sehr viele Firmen auf Vista umgestiegen. Wie wird Microsoft diese Unternehmen unterstützen?

Schneider: Die Kunden können von Windows XP auf Windows 7 upgraden - allerdings müssten sie dazu einen "Clean Install" vornehmen. Das bedeutet: Sie müssen ihre Daten sichern, Windows 7 installieren, die Programme und Daten wieder aufspielen. Ein Update ist technisch nicht vorgesehen. Technisch möglich ist ein Update von Windows Vista, aber auch hier empfehlen wir eine Neuinstallation. Übrigens bieten wir Hilfestellung zu allen Migrationsthemen auch in unserem "Springboard"-Center für Client-Themen an. Speziell für den Upgrade-Pfad von XP nach Windows 7 offerieren wir Hilfsmittel wie das "Automated Installation Kit" für die Mehrplatzmigration und das kostenlose "Microsoft Deployment Toolkit" für alle Phasen eines Auslieferungsprojekts.

Ein weiteres Problem betrifft nicht nur den Endkunden, sondern auch den Fachhandel. Aktuell werben PC-Anbieter wie Acer, Asus, HP oder Toshiba damit, dass Kunden, die bis Januar 2010 einen PC oder ein Notebook mit Windows Vista kaufen, ab dem 22. Oktober nahezu kostenfrei auf Windows 7 upgraden können. Moment - waren Upgrades nicht technisch unmöglich? Richtig, unter "Upgrade" verstehen die Hersteller im Windows-7-Fall gegen eine geringe Bearbeitungsgebühr verschickte DVDs der Vollversion von Windows 7 E beziehungsweise Gutscheinbeilagen zum frischerworbenen Rechner, die im Oktober zum Download des Betriebssystems berechtigen. Was die Hersteller zumindest in ihren Marketingkampagnen verschweigen, ist, dass auch bei diesen Rechnern ausschließlich Neuinstallationen möglich sind. Wer also jetzt einen Vista-Rechner mit "Upgrade"-Garantie kauft, stellt dann im Oktober fest, dass er die Festplatte löschen und seinen nicht mehr ganz so neuen PC frisch einrichten muss. Kundenfreundlich ist das nicht, und der Fachhandel kann sich schon mal auf wütende Kunden im Verkaufsraum vorbereiten.

Das Preisproblem

Die fehlenden Windows-7-Upgrade-Editionen bringen eine nicht unerhebliche Preisdiskrepanz zwischen den browser-losen EU-Varianten und den "normalen" Versionen des Rests der Welt mit sich. Während zum Beispiel in den USA ein "Windows 7 Professional Upgrade" für 199 US-Dollar zu haben ist, muss ein deutscher Nutzer 285 Euro (rund 400 US-Dollar) für die Vollversion des gleichen Produkts hinblättern, ein britischer Bürger immerhin noch rund 189 Pfund (rund 313 US-Dollar). In der Tabelle unten haben wir die unterschiedlichen Preise der verschiedenen Versionen in Deutschland, Großbritannien und den USA gegenübergestellt. Sie gelten ab dem 22. Oktober 2009.

Microsoft äußert sich zu den Preisunterschieden wie folgt: "Die Preise für Windows-Versionen sind je nach Region unterschiedlich und hängen von verschiedenen, spezifischen Faktoren ab. Dazu gehören zum Beispiel (aber nicht ausschließlich) Wechselkurse, lokale Marktbedingungen und Steuern sowie die Preisgestaltung der Händler." (bb)

Lesen Sie außerdem:

Endkundenpreise für Windows 7 (ab dem 22. Oktober 2009)

Home Premium

Professional

Ultimate

EU (in Euro)

119,99

285

299

Großbritannien (in Pfund / in US-Dollar)

79,99 / ca. 132

189,90 / ca. 313

229 / ca. 330

USA (Upgrade-Version; in US-Dollar)

119

199

219,99

USA (Vollversion; in US-Dollar)

199,99

299,99

319,99

Kommentar

Die Vorzeichen für einen reibungslosen Start von Windows 7 stehen schlecht. Microsoft verärgert mit einer reinen Retail- und E-Tail-Sonderverkaufsaktion im Juli einen Großteil seiner Händlerschaft. Die meisten Fachhändler dürfen die 49,99-Euro-Billigversion nicht verkaufen und müssen zusehen, wie die Kunden in Strömen zu Media Markt und Co. wandern. Die Möglichkeit, wenigstens Vista-Rechner mit Windows-7-Gutscheinen verkaufen zu können, spendet nur wenig Trost. Denn ein Großteil der Kunden, die einen neuen Rechner kaufen wollen, wird bis zum Windows-7-Erscheinungstermin im Oktober warten. Der Rest geht bis dahin zum Retailer und sichert sich seine Windows-7-Kopie für einen Fünfziger. So bleibt es den Resellern in den nächsten Wochen verwehrt, Windows-7-Kunden an sich zu binden und mit ihnen wichtiges Zusatzgeschäft mit PCs, Notebooks und Peripherieprodukten zu machen. Schade eigentlich! Gerade in der Krise wünscht man sich doch als Microsoft-Partner Loyalität.

Die fehlenden Upgrade-Versionen von Windows 7 wiederum werden die Gemüter vieler Kunden erhitzen. Denn wer will sich jetzt einen Vista-Rechner kaufen, um dann in drei Monaten eine Windows-7-Neuinstallation durchzuführen? Gerade dann, wenn ihn ein kompetenter Fachhändler über den Neuinstallationszwang aufgeklärt hat. Und dies ist ratsam, denn die um ihre Upgrade-Funktion geprellten Kunden werden im Oktober bestimmt nicht in Unterschleißheim bei München vor der Microsoft-Zentrale protestieren, sondern vor der Ladentheke beim Händler ihres Vertrauens, wenn sie vor dem Umstieg auf Windows 7 ihre Festplatte formatieren sollen.