Hinter den jetzt bekannt gewordenen Betrugsfällen scheint ein größerer Gaunerring zu stecken. Neben deutschen Händlern und Distributoren sind weitere Reseller aus anderen europäischen Ländern betroffen. Durch die Berichterstattung in ChannelPartner und durch einen Hinweis eines französischen Distributors wurde Alain Godet vom europäischen Distributionsverzeichnis ITdistri.com auf die Fälle aufmerksam. Seine Recherchen bringen erstaunliches ans Tageslicht: Neben deutschen Geschädigten sind auch Händler und Distributoren in Polen, Ungarn, Italien, Tschechien, Großbritannien und Dubai betroffen. Alleine in Polen soll ein Distributor Ware im Wert von 90.000 Euro verloren haben.
Das Muster ist immer dasselbe: Zunächst wird per E-Mail der Kontakt angebahnt. Dabei bedienen sich die Gauner der Namen bekannter Händler oder Distributoren. Die angegebenen Kontaktdaten für Rückfragen führen zu den Betrügern. Selbst komplette Webseiten werden dafür gefälscht. Bei der Bestellung wird um ein verlängertes Zahlungsziel gebeten. Ist die Ware dann ausgeliefert, wird sie zu einer Transportgesellschaft umdirigiert.
Laut Godet sind die verwendeten Telefonnummern beim französischen Mobile Virtual Network Operator Keyyo durch einen Hintermann aus Abidjan / Elfenbeinküste angemietet. Die Spur der falschen Internetseiten führt zu einem Server in Regensburg.
Die Ware wurde an die Transportfirma Fly Freight International mit Sitz in Paris geliefert. Von dort aus ging sie nach London und nach Bamako, der Hauptstadt Malis. Ob bei Fly Freight Mitwisser sitzen, kann aber nicht belegt werden. Es sei aber zumindest Vorsicht geboten, sollte Ware zu dieser Firma umdirigiert werden, rät Godet.
Weitere Namen missbraucht
Mittlerweile sind weitere Namen bekannt geworden, die für die Betrügereien missbraucht wurden: Auf der Liste stehen unter anderem Bechtle, Bestware, Conectis, Cybertek, Eric Archivage, Germond, Immotique Distribution, NetApp France, Newcom Distribution, RCO, Riso und Textorm. In einigen Fällen sind komplette Internet-Auftritte gefälscht wie beispielsweise bei Riso oder Conectis (siehe Bildergalerie). Obwohl dies bekannt ist, sind manche Fake-Seiten immer noch online. Der Eifer der Strafverfolgungsbehörden, sowohl in Deutschland als auch in Frankreich scheint sich in Grenzen zu halten.
Die E-Mails für den Erstkontakt können folgendermaßen aussehen:
Vorsicht bei E-Mails nach diesem Muster:
Dear, XXX
We're a company IMMOTIQUE DISTRIBUTION based in CAEN ( France).We would like to open an account in your company.
We wish to know the conditions to open an account with you.Please list the required things to open the account.
Awaiting to read from.
Sincerly.
REMY WEIBEL
IMMOTIQUE DISTRIBUTION
tel:0033974777106
email:rweibel@immotiquedistribution.com
6 rue d'atalante zac citis
14200 herouville saint clair
403 068 158 R.C.S. CAEN
Greffe du Tribunal de Commerce de CAEN
Siret : 403 068 158 00019
Numéro de TVA : FR 61 403 068 158
In diesem Fall wird Immotique Distribution missbraucht. Der Name Remy Weibel existiert tatsächlich und steht auch in Zusammenhang mit dem französischen Grossisten. Der reale Remy Weibel hat natürlich nichts mit den Gaunern zu tun und gehört somit auch zu den Geschädigten der Frankreich-Afrika-Connection.
Wie bei Memoryworld (ChannelPartner berichtete) versuchten die Gauner auch bei Jet Computer Ware zu erschleichen, sogar mehrmals unter unterschiedlichen Firmennamen, wie Marketing Director Erdem Winnicki bestätigt. "Wir haben zum Glück keinen Schaden erlitten, da wir entsprechende Sicherheitsmassnahmen ergriffen haben", erklärt er. So prüft Jet beispielsweise genau, ob die Kontaktdaten mit dem Gewerbenachweis übereinstimmen. Wenn möglich, pflegt man den persönlichen Kontakt mit dem Kunden.
Vorsicht bei vielen Rechtschreibfehlern
Alain Godet von ITdistri.com hat mittlerweile eine Warnung an alle 6.000 Distributoren, die in seinem Verzeichnis gelistet sind, geschickt. So ist Vorsicht geboten, wenn eine Anfrage beispielsweise in schlechtem Englisch oder Deutsch gestellt wird. "Die Gauner sind oft nicht rechtschreibsicher", weiß Godet. Zusätzlich sollten folgende Punkte beachtet werden:
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Gibt es das anfragende Unternehmen wirklich? Ist es in anerkannten Branchenverzeichnissen (in Frankreich beispielsweise www.societe.com, www.pagesjaunes.fr oder www.itdistri.com) aufgeführt?
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Hat das Unternehmen einen durch Kreditversicherer abgesicherten Kreditrahmen?
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Da diese Punkte durch die gefälschten Firmenadressen nicht immer greifen, ist es wichtig, die angegebenen Kontaktdaten genau zu überprüfen. Dabei reicht es nicht, nur auf die in E-Mails angegebenen Telefonnummer, E-Mail-Adresse oder Webseite zu reagieren, denn auch die können gefälscht sein.
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Werden Sie misstrauisch, wenn bereits versendete Ware auf dem Weg umgeleitet werden soll.
Sollte Sie dennoch Betrügern aufgesessen sein, oder einen Verdacht hegen, kontaktieren Sie neben den Strafverfolgungsbehörden auch ChannelPartner, damit wir vor diesen Praktiken warnen können. (awe)