Fujitsu Technology Solutions GmbH

Hinter den Kulissen eines Testlabors

29.05.2012 von Beate Wöhe
Jeder Hertsteller kann eines haben - aber nicht jeder darf alles zertifizieren. Um Produkte gesetzeskonform zur Marktreife zu bringen, müssen Testlabors bestimmte Regularien einhalten. Viele Produkttests können in eigenen Firmenlabors durchgeführt werden. Manche Normen müssen jedoch von einem akkreditierten Testlabor bestätigt werden. Hier lesen Sie die Hintergründe.

Jeder kann eines haben - aber nicht jeder darf alles zertifizieren. Um Produkte gesetzeskonform zur Marktreife zu bringen, müssen Testlabors bestimmte Regularien einhalten. Viele Produkttests können in eigenen Firmenlabors durchgeführt werden. Manche Normen müssen jedoch von einem akkreditierten Testlabor bestätigt werden. Hier lesen Sie die Hintergründe.

Im schalltoten (reflexionsfreien) "Anechoid Chamber" finden EMV-Prüfungen, vorwiegend Abstrahlungsmessungen, statt.
Foto: FTS GmbH

In Augsburg ist neben der Fabrik des Herstellers Fujitsu auch eines der Testlabore des Herstellers angesiedelt. Dort werden allerdings nicht nur eigene Produkte von der Entwicklung bis zur Markteinführung getestet. Der Geschäftszweig bietet seine Dienste auf dem freien Markt und auch Unternehmen aus anderen Industriezweiten an (siehe Kasten). Insgesamt arbeiten rund 50 Mitarbeiter an den zwei Standorten Augsburg und Paderborn in der Product Compliance. Innerhalb des Unternehmens ist das Testcenter als Teil des Qualitätsmanagements der Supply Operation angesiedelt. "Es ist somit nicht Teil der Entwicklungsabteilung", ergänzt Raimund Landsbeck, Direktor Product Compliance Center bei der Fujitsu Technology Solutions GmbH. Durch diese Trennung will der Hersteller sicherstellen, dass man dem Testcenter nicht unterstellen kann, von der Entwicklung gesteuert zu werden.

Will zum Beispiel Fujitsu ein Notebook zur Markteinführung bringen, dann wird es sinnvollerweise während der kompletten Entwicklungsphase und Produktion unterschiedlichen Tests im Labor unterzogen. Es beginnt mit orientierenden Messungen und entsprechenden Abnahmetests sowie Designverbesserungen. Auf Sample-Basis begleitet das Labor anschließend die Produktion. "Je nachdem, in welchem Entwicklungsstadium das Gerät das erste Mal getestet wird, durchläuft ein Notebook auch mehrere Male das Testlabor. Das hängt davon ab, wann die Entwicklungsmitarbeiter eine aktuelle Messung für angebracht halten beziehungsweise welche Änderungen zu überprüfen oder abzunehmen sind", erläutert Landsbeck. Geräte, deren Modellserie bereits auf dem Markt ist und bei denen nur eine geringfügige Modellanpassung vorgenommen wird, durchlaufen entsprechend weniger Tests.

In den verschiedenen IT-Produktkategorien wird zwischen sogenannten regulatorischen (gesetzlichen) Zertifizierungen und freiwilligen Zulassungen unterschieden. Zu den freiwilligen Prüfsiegeln zählt zum Beispiel das GS-Zeichen (geprüfte Sicherheit). Solche freiwilligen Siegel können aber für den Hersteller von der Freiwilligkeit schnell zur Pflicht werden - nämlich dann, wenn ein Kunde ein entsprechendes Zertifikat in seiner Ausschreibung fordert.

Wer kann und wer darf testen?

Grundsätzlich steht es jedem Hersteller offen, ein eigenes Testlabor einzurichten, um seine eigenen Produkte im Firmenlabor zu testen. Will ein Testlabor seine Dienste darüber hinaus auch anderen Herstellern auf dem freien Markt anbieten, sind häufig entsprechende Akkreditierungen erforderlich. Das hängt in der Regel davon ab, in welcher Branche der Hersteller tätig ist und in welche Region geliefert werden soll. "Dazu gehört zum Beispiel der Nachweis, dass wir völlig unabhängig agieren und keinerlei Einflussnahme des Herstellers unterliegen. Und dass die Prüfungen und die von uns erstellten Reports der Vorgabe durch die Norm entsprechen und sich einwandfrei auf den zur Verfügung gestellten Prüfling beziehen lassen", beschreibt Landsbeck die Hauptthemen einer Akkreditierung in Kurzform.

Überprüft werden die einzelnen Zulassungen von der jeweiligen Akkreditierungsbehörde. So existiert in Deutschland beispielsweise eine spezielle Akkreditierungsstelle, die den Betrieb und die Akkreditierung eines Labors nach DIN EN ISO/IEC 17025 (allgemeine Anforderungen an die Kompetenz von Prüf- und Kalibrierlaboratorien) abnimmt. "Die Prüfer kommen mit mehr oder weniger Auditoren ins Haus. Wir wissen im Vorfeld nicht, in welche Tiefe sie gehen", sagt Landsbeck. Überprüft werden Prozesse wie das Qualitätsmanagementsystem, die IT, die Ausbildung der Mitarbeiter, die Fähigkeiten der Labore und ob das technische Equipment auf dem neuesten Stand ist.

Typische Notebook-Tests

1. Funktionale Test
- Laufen Bios, Software, Treiber und das Betriebssystem fehlerfrei?
- Ist die Lebensdauer der elektronischen Komponenten innerhalb der Spezifikationen?

2. Mechanische Tests
- Ist das Gerät dauerhaft den spezifischen Anforderungen gewachsen?
- Temperaturbeständigkeit
- Mechanische Benutzung (z.B. öffnen/schließen des Displays, Anschläge Tastatur)
- Äußere mechanische Einflüsse (schütteln, rütteln, herunterfallen)

3. Zulassungsrelevante Tests
- gesetzliche Vorgaben und Normen:
a) EMV (elektromagnetische Verträglichkeit)
b) ESD (elektrostatic discharge = elektrostatische Entladung)
c) Funkstrahlung und -güte
d) Akustik
e) Spannungsfestigkeit

Erhält das akkreditierte deutsche Testlabor von Fujitsu den Auftrag eines Fremdherstellers, so sind die Anforderungen der Tests im Normalfall nicht so ausführlich wie bei eigenen Produkten des Unternehmens - aus Kostengründen. Generell beobachtet Landsbeck jedoch ein Umdenken, da viele Länder generell versuchen, mehr Marktüberwachung und Transparenz zu schaffen. Daher sehen viele Hersteller, auch in anderen Marktbereichen, dass frühe Tests rechtzeitige Steuerungsmöglichkeiten bedeuten und damit im Endeffekt zu einer rascheren Produkt-Compliance führen können.

Du kommst nicht auf den Markt!

Wie in jedem Testsegment, kann es einem Hersteller natürlich auch passieren, dass sein Produkt eine oder mehrere Überprüfungen nicht besteht. Das Labor kann zum Beispiel im Rahmen der Messungen Abweichungen von den geforderten Vorgaben feststellen. "Dann kann der Hersteller aufgrund des ihm mitgeteilten Ergebnisses dieses Produkt nicht guten Gewissens und teilweise auch gar nicht mit der rechtlichen Basis auf den Markt bringen. Das heißt, der Hersteller bessert nach, um dann zu einem marktfähigen und normgerechten Produkt zu kommen", beschreibt Landsbeck die Vorgehensweise. Das FTS-Labor sieht sich in diesem Zusammenhang allerdings nicht als letztendlich qualitätsüberprüfende Instanz eines externen Unternehmens. Es ist jedem Hersteller überlassen, sich in der Abnahmephase eines Produktes auch an unterschiedliche Testlabors zu wenden.

Der "Multimedia Jacky" ist ein spezieller Messplatz für Multimedia-Systeme.
Foto: FTS GmbH

Ein zunehmend schwieriger werdendes Thema innerhalb der Testroutinen ist die EMV (elektromagnetische Verträglichkeit). "Dieses Segment ist äußerst komplex und schwierig zu bedienen. Allgemein ist Ökologie der Bereich, der in den vergangenen Jahren die meisten neuen Vorschriften bekommen hat", bestätigt Landsbeck. Hier spielen unterschiedliche Faktoren eine Rolle, zum Beispiel die Gestaltung einer Leiterplatte (Leiterführung, Bestückung, Bauteile), die Abschirmmaßnahmen sowie die Gehäusekonstruktion. Auch die Bauelemente werden immer kleiner, und die Ströme und Frequenzen verändern sich.

Zusammenfassend dürfte auch in Zukunft weder den Mitarbeitern der FTS- und noch denen anderer Testlabore die Arbeit ausgehen. Neue Produkte, neue Vorgaben und neue Anforderungen der Endverbraucher werden dafür sorgen. (bw)