Die Ankündigung der Telekom, DSL-Nutzern, die sich in zu großem Ausmaß der vorhandenen Datenautobahnen bedienen, die Geschwindigkeit zu drosseln, hat nicht nur Kunden, sondern auch Interessenverbände und Politiker auf die Barrikaden gebracht. "Wir haben natürlich damit gerechnet, dass diese Ankündigung breit und teilweise auch emotional in der Öffentlichkeit aufgenommen wird. Jetzt muss dieses Thema versachlicht werden", sagt Dirk Wössner, Geschäftsführer Vertrieb der Deutschen Telekom.
Der Fachhandel, der ebenfalls mit den Reaktionen der Verbraucher rechnen muss, ist laut Wössners Aussage entspannt. Zumindest diejenigen Vertriebspartner, mit denen er kürzlich gesprochen habe, hätten Verständnis für den Schritt, den der Provider angekündigt hat, gezeigt. Die Vertriebspartner scheinen die Notwendigkeit zu verstehen. "Die geplante Tarifanpassung der Telekom ist ein logischer Schritt, da auch im Festnetz mit der Bereitstellung von Bandbreiten riesige Investitionen der Netzbetreiber verbunden sind. Außerdem gibt es eine extreme Spreitzung bei den Nutzern, was das Datenvolumen angeht. Man möchte hier die Poweruser zur Kasse bitten, die extrem hohe Datenvolumina beanspruchen und nicht die Allgemeinheit dafür zahlen lassen. Das ist grundsätzlich richtig und eröffnet dem Handel zusätzliche Vermarktungschancen für zusätzliche Datenpakete" sagt Rainer Bütner, Leiter BU Dienste und Hardware bei dem TK-Distributor Eno Telecom.
Bütner spricht von so genannten Powerusern, die die Bereitstellung der Datenkanäle der Provider über Gebühr nutzen. Telekom-Manager Wössner nennt klare Zahlen: "Zum heutigen Stand erzeugen zwei bis drei Prozent der Nutzer 20 bis 30 Prozent des Datenvolumens." Wie dieses Verhältnis im Jahr 2016 aussehen wird, wenn Telekom nach eigenen Aussagen dazu in der Lage sein wird, die Geschwindigkeitsreduzierung einzuführen, kann heute noch niemand ganz genau sagen. Eine von IDC im Jahr 2011 veröffentlichte Studie spricht in Westeuropa von einem durchschnittlichen Wachstum von 30 Prozent pro Jahr. Schon vor zwei Jahren, zum Zeitpunkt der Studie, wurden 58 Prozent der Daten durch Privatpersonen erzeugt.
Die Anderen Provider werden nachziehen
Da die Provider sich immer an der Höchstlast orientieren müssen, werden auch in den kommenden Jahren enorme finanzielle Mittel nötig sein. Doch nicht nur Telekom, ist von dem steigenden Datentransfer betroffen. Andere Provider haben bei Überschreitung festgesetzter Datenlimits zum Teil für unterschiedliche Anwendungsszenarien bereits seit Langem eine Drosselung in ihren Verträgen verankert - nur eben nicht unter so viel Medienaufmerksamkeit. "Natürlich macht es einen Unterschied, ob ein Provider seine AGBs und Verträge zur Datennutzung einfach ändert, oder ob die Deutsche Telekom dies in einer offiziellen Pressemitteilung ankündigt", erklärt Wössner die aktuelle Reaktionflut.
So regeln einige Provider die Kosten-/Nutzen-Frage im Stillen, während andere das Thema in die Öffentlichkeit tragen. Doch alle Anbieter werden auf das zunehmende Datenvolumen und die damit einhergehenden Kosten für die Bereitstellung der Infrastruktur reagieren müssen. Telekom-Manager Wössner nennt die drei zur Verfügung stehenden Alternativen:
1. Der Provider reduziert die Qualität seines Netzes
2. Der Provider verteilt die Kosten des Netzausbaus auf alle Nutzer
3. Der Provider verteilt die Kosten unter denjenigen Nutzern, die das Netz am höchsten belasten.
"In der Carrier-Landschaft wird es alle drei Modelle geben. Wir haben uns dafür entschieden, die Qualität des Netzes nicht zu redizieren, sondern bilden das Nutzerverhalten in Inklusivvolumina und Zusatzkontingenten ab", ergänzt Wössner. Ob der Konkurrent Vodafone bald nachziehen wird, dazu will Wössner keine Vermutung anstellen.
"Keine erdrutschartigen Marktverschiebungen"
Eno-Manager Bütner ist sich jedoch sicher: "Ja, die anderen ziehen nach, da Datenvolumen zukünftig zum knappen Gut wird und somit als Wert vom Kunden erkannt und bezahlt wird. Im Mobilfunk ist die Drosselung der Datengeschwindigkeit ab einem bestimmten Volumen ja bereits geübte Praxis."
Die Telekom-Ankündigung, dass die Drosselung der Geschwindigkeit "ab einem monatlichen Datenvolumen von 75 GB greifen soll, ist nicht in Stein gemeißelt", sagt Wössner. In den aktuellen VDSL-Verträgen sei ein Datenvolumen von 200 GB pro Monat bereits inkludiert. Je nach Vertragsvariante schlappt der Kunde dann bei Überschreitung für den Rest des Monats statt mit 25.000 kbit/s nur noch mit 6.016 kbit/s durchs Netz. Sollte die technische Umsetzung der neuen Vertragsbedingungen näher rücken, spricht Wössner von einer Informationskampagne in Richtung der Endkunden. Den Nutzern sollen dann entsprechende Tools zur Verfügung gestellt werden, mit denen sie ihr durchschnittliches Datenvolumen errechnen können.
"Grundsätzlich ist es eine logische Folge aus der Datenexplosion der vergangenen Jahre. Es sollte eine proaktive sachliche Aufklärung der Endkunden erfolgen und klar gesagt werden, dass es darum geht, auch künftig mit Highspeed zu surfen und nicht generelle Preiserhöhungen zu bekommen, die durch einzelne Poweruser verursacht werden. Generell erwarten wir hier keine erdrutschartigen Verschiebungen im Markt", sieht Eno-Manager Bütner die künftige Netznutzung.
Sicher wurde in den vergangenen Tagen auch der eine oder andere TK-Fachhändler auf dieses Thema von seinen Telekom-Kunden angesprochen. Zur Errechnung des eigenen Datenvolumens stellt Telekom bereits jetzt ein relativ anschauliches PDF-Formular zur Verfügung, das verschiedene Nutzungsszenarien wie Videostream, Musik-Download oder das Versenden von Fotos abbildet. Anhand der angegebenen Durchschnittsvolumina kann sich der Kunde ein ungefähres Bild von seiner eigenen Datennutzung zusammenbasteln. Der eine oder andere Privatnutzer wird in der Lage sein, sein Datenvolumen zu berechnen. Andere wiederum nicht - sie werden auf die Unterstützung des Fachhandels angewiesen sein. Auf dem Telekom-Schulungsportal liegen für den Handel bereits Charts zum Thema "Neue Tarifstruktur" bereit. Für weitere Informationen rät der Carrier den Händlern, ihren Keyaccounter auf das Thema anzusprechen.
"Wenn das, was im Mobilfunk schon üblich ist, jetzt auch im Festnetzbereich eingeführt wird, dann ist das für den Handel auch eine Chance. Denn letztlich bekommen breitbandiger Zugang und Datengeschwindigkeit darüber auch einen Preis. Die Grenzen zwischen Mobilfunk und Festnetz verschwimmen. Mit dem Smartphone oder dem Tablet im LTE-, UMTS oder WLAN-Netz zu sein, geht kaum merklich in den Anwendungen ineinander über. Wenn ein Anwender, der diese Leistungen stärker beansprucht, auch mehr bezahlt, dann ist das sicher unpopulär - aber am Ende fair den Wenignutzern gegenüber. Für den Fachhandel ist es eine zusätzliche Möglichkeit für mehr Geschäft", sieht Uwe Bauer, Vorstand der Fachhandelskooperation Aetka die Situation. (bw)