"Nicht glaubwürdig, nicht überzeugend"

Heftige Kritik an Kampagne von Media Markt

27.10.2011
Warum Marketingexperten der neuen Strategie von Media Markt keine großen Erfolgschancen geben.
"Der langfristige Erfolg der neuen Strategie darf bezweifelt werden."
"Der langfristige Erfolg der neuen Strategie darf bezweifelt werden."
Foto:

Mit einer groß angelegten Kampagne hat Media Markt Anfang Oktober die Ära der Sonderangebote für beendet erklärt und die Einführung des neuen "Media-Markt-Preises" bekanntgegeben (--> wir berichteten). Horst Norberg, Vorsitzender der Geschäftsführung der Media-Saturn-Holding GmbH, hatte damals gesagt: "Wir machen bei Media Markt Schluss mit diesem Preis-Irrsinn. Schluss mit den Preisschlachten, den Schleuderpreisen, den Geizhalsangeboten. Das wollen die Menschen nicht mehr. Wir bekennen uns zu Preiswahrheit und -klarheit: Wann immer Sie in einen Media Markt kommen, erhalten Sie einen hoch attraktiven Preis."

Mittlerweile haben sich viele Marketingexperten zu Wort gemeldet und die neue Kampagne kritisiert – zum Teil scharf. Wir haben ein paar Meinungen gesammelt.

Die Firma Batten & Company, als Strategieberater für Marketing und Vertrieb tätig, hat die neue Media-Markt-Strategie einer kritischen Prüfung unterzogen. Die Untersuchung kommt zum Ergebnis, "dass der langfristige Erfolg dieser neuen Strategie bezweifelt werden kann". Batten & Company sagt: "Die zentralen Botschaften der Kampagne widersprechen den Erfahrungen, die Konsumenten Tag für Tag beim Online-Kauf machen. Der neuen Ausrichtung fehlt es an Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft."

Die TV-Werbung von Media Markt gebe den Zuschauern drei Botschaften auf den Weg: "Konsumenten sind durch das Internet überfordert und verwirrt", "Bei Online-Anbietern muss der Kunde intransparente und unseriöse Bedingungen fürchten" und "Media Markt bietet klare Preisführerschaft durch tägliche Preisanpassung". Wenn man diese Botschaften einer kritischen Prüfung unterziehe, so Batten & Company, dann dürfe der langfristige Erfolg der neuen Strategie bezweifelt werden.

Zum Beispiel ist die Behauptung, dass Konsumenten im Internet überfordert seien, vor dem Hintergrund einer intensiveren Online-Nutzung und eines Anstiegs der Online-Käufe nicht nachvollziehbar. Trotz einiger "schwarzer Schafe" ist es laut Batten & Company mittlerweile eine Selbstverständlichkeit, dass Online-Käufe immer zurückgeschickt werden können und gute Online-Shops auf Versandkosten verzichten.

Lesen Sie auf der nächsten Seite unter anderem, was der langjährige Marketing-Geschäftsführer von Media Markt und Chefs großer Werbeagenturen zur neuen Kampagne sagen.

Die wichtigsten Männer bei Media-Saturn

Die Meinungen von Werbeexperten

"Eine irrsinnige Kampagne, mit der man die Zukunft nicht aufhalten kann."

Auch der langjährige Marketing-Geschäftsführer von Media Markt, Jürgen Jacob, lässt kein gutes Haar an der neuen Kampagne. Bei W&V Online wird er mit folgenden Sätzen zitiert:

"15 Jahre lang hat Media Markt mit 'Ich bin doch nicht blöd' die Deutschen als 'Clever Consumer' sehr erfolgreich bei der Vernunft und Ehre gepackt. Wer will schon blöd sein und teuer kaufen? Aber plötzlich scheint Media Markt selbst 'blöd' geworden zu sein. Wie kann man sich einen der stärksten und erfolgreichsten Retail-Claims der letzten Jahre von einer Agentur ausreden lassen, um dann mit dieser irrsinnigen Kampagne die Zukunft aufhalten zu wollen?"

Jacob war von 1991 bis 1996 und von 1999 bis 2003 für das Marketing der Media-Markt-Unternehmensgruppe verantwortlich. Unter seiner Ägide entstand der bekannte Claim "Ich bin doch nicht blöd".

Weitere Statements von Werbeagenturchefs gegenüber W&V Online:

Michael Weigert, Weigertpirouzwolf:
"Ich glaube nicht, dass die Kampagne in die Werbegeschichte eingehen wird. Weder positiv noch negativ. (…) Ich gehöre einer Generation an, die Werbung auch noch nach der Substanz der Aussage bewertet. Und da kommt der Film für mich total verlogen daher. Dass ausgerechnet der (gemeinsam mit Saturn) aggressivste und lauteste Preis-Agitator nun mit dem Preis-Irrsinn aufhören will, hat dieselbe Glaubwürdigkeit wie die Meldung, dass Gaddafi den Friedensnobelpreis hätte bekommen sollen."

André Aimaq, Aimaq von Lobenstein:
"Da fällt mal eine Kampagne etwas aus dem Standardrahmen und schon schreien vor allem die auf, denen damit ihre eigene Mittelmäßigkeit vor Augen geführt wird. (…) Media Markt hat sich aus der 'Ich bin doch nicht blöd'-Zwangsjacke befreit und das Thema Preisführerschaft frisch interpretiert. Die Ironisierung der eigenen Vergangenheit vermittelt dabei Stärke und Souveränität."

Frederik Kittsteiner, FJR:
"Verstörend kryptisch und seltsam sinnbefreit wirkt die neue Media-Markt-Kampagne auf mich. Erst das bashen, was man jahrelang selber gemacht hat. Dann keinerlei Antwort darauf, wohin die Reise denn nun gehen soll."

Am deutlichsten wurde Amir Kassaei von DDB, der via Twitter verbreiten ließ: "Es gibt Momente, da schäme ich mich zutiefst, ein Werber zu sein. (…) Früher sagten wir immer: Aus einem kranken Arsch kommt kein gesunder Furz. Noch nie war es treffender als bei Media Markt." Pikant in diesem Zusammenhang ist, dass die Agentur DDB in Spanien und in Skandinavien für Media Markt arbeitet. (tö)