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Haftungsfalle "Arbeitssicherheit"

05.11.2007
Rechtsanwalt Bernold Schöbitz über das Praxis-Problem der persönlichen Haftung der Geschäftsführung.

Bei der aufkommenden Diskussion über die Notwendigkeit von sogenannten D&O-Versicherungen bleibt die Verantwortung der Geschäftsführung für Schäden aus dem Bereich der Arbeitssicherheit - völlig zu Unrecht - leider oft unbeachtet. Der Bereich der Arbeitssicherheit ist keineswegs den Sicherheitsingenieuren und Sicherheitsbeauftragten vorbehalten. Arbeitssicherheit ist Chefsache.

Das Thema Arbeitssicherheit wird gerne von den Entscheidungsträgern als lästige Schikane der Berufsgenossenschaften verdrängt und vernachlässigt, beziehungsweise auf nachgeordnete Mitarbeiter abgeschoben. Dieses Verhalten ist mehr als gefährlich und kann letztendlich zu einer eigenen persönlichen Haftung des Geschäftsführers führen.

Ziel der Arbeitssicherheit und insbesondere des Arbeitsschutzgesetzes ist es, die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten zu sichern und zu verbessern. Das Arbeitsschutzgesetz beinhaltet Ermächtigungen an die Bundesregierung zur Umsetzung der Arbeitssicherheit in so genannten Rechtsverordnungen wie der Gefahrstoffverordnung und der Betriebssicherheitsverordnung. Verantwortlicher Personenkreis für die Umsetzung des technischen Arbeitsschutzes ist zunächst der Arbeitgeber (das Unternehmen als GmbH, AG, KG, etc.), daneben aber auch die gesetzlichen Vertreter und die vertretungsberechtigen Organe. Diese haben die allgemeinen Grundsätze für die Maßnahmen zur Gefahrenvermeidung (§ 4 Arbeitsschutzgesetz) zu beachten. Voraussetzung hierfür ist zunächst eine umfangreiche Gefährdungsanalyse und deren Dokumentation. Verstöße werden als Ordnungswidrigkeiten (Geldbuße mit 25.000 Euro je Verstoß) oder in schwerwiegenden Fällen als Straftatbestand (Geldstrafe/Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr) geahndet. Die Folge der Nichtbeachtung der Unfallverhütungsvorschriften führt zur Haftung nach § 209 SGB VII (Ordnungswidrigkeit mit Bußgeld, strafrechtliche Verantwortung) und insbesondere zu Regressmöglichkeiten des Unfallversicherungsträgers nach § 110 SGB VII. Adressat der Verpflichtungen ist der Unternehmer und damit das Unternehmen. Es gehört jedoch zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung, die geltenden Unfallverhütungsvorschriften zu kennen, für deren Beachtung Sorge zu tragen und die Beachtung der Unfallverhütungsvorschriften bestmöglich im Unternehmen durchzusetzen ist. Hierzu muss ein Arbeitsschutzmanagementsystem (AMS) aufgebaut und überwacht werden. Alle Unternehmerpflichten des Arbeitssicherheitsrechts treffen den Arbeitgeber und damit den für das Unternehmen handelnden Geschäftsführer. Dieser kann Unternehmerpflichten zwar formlos übertragen, es verbleiben jedoch immer Aufsichts- und Kontrollpflichten. Organisationsfehler und Unklarheiten in der Übertragung führen in jedem Fall zum Rückfall der Verantwortung auf den Geschäftsführer.

Die ordnungswidrigkeitsrechtlichen und strafrechtlichen Implikationen bei Verletzungen von Arbeitssicherheitspflichten können allenfalls hinsichtlich der Kosten (Verfahrenskosten, Verteidigerkosten) von der D&O-Versicherung abgedeckt werden. Die üblichen Rechtschutzversicherungen treten hier nur eingeschränkt ein. Etwaige Geldbußen oder Strafen sind in der Regel jedoch nicht von der D&O-Versicherung abgedeckt. Anderes gilt im Fall des Regresses der Berufsgenossenschaft gegen das Unternehmen, welches sich dann wiederum im Innenverhältnis bei dem Geschäftsführer schadlos halten kann. Hier sollte die D&O-Versicherung - neben den Fällen der Außenhaftung - eintreten. Arbeitsunfälle ziehen erhebliche, finanzielle Auswirkungen nach sich. Nicht nur die reine Unfallversorgung, sondern auch die Rehabilitierung, bis hin zu lebenslangen Rentenzahlungen ist die Folge. Regressforderungen der Berufsgenossenschaften können deshalb ohne weiteres sehr schnell in sechsstelliger Höhe anfallen.

D&O-Versicherungen sind in aller Munde. Da die Risiken dieser Versicherungen bei Großunternehmen in Folge der Internationalisierung und der Ausrichtung auf den US-amerikanischen Markt sehr hoch sind, ist das Akquisitionsziel der Versicherung nunmehr der Kreis der mittelständischen Unternehmen. Diesen Unternehmen steht aber meist keine interne Rechtsabteilung zur Überprüfung der D&O-Versicherungen zur Verfügung. Im Versicherungsfall sind aber meistens zwischen Versicherungsnehmer (meist das Unternehmen), dem Geschäftsführer und der Versicherung die Eintrittspflicht und die Abwicklung höchst streitig. Darüber hinaus gibt es nicht die Standard D&O-Versicherung. Jede Versicherung hat andere Ausschlussgründe. Diese sind vor Abschluss genau zu überprüfen und sicherzustellen, dass die gewünschten Risiken auch umfasst sind. Es kann deshalb nur dringend dazu angeraten werden, vor Abschluss derartiger Versicherungen rechtskundigen Rat einzuholen. Das gleiche gilt dann im Schadensfall, zur Durchsetzung der eigenen Rechte beziehungsweise zur

Abwehr unberechtigter Ansprüche. Auch ist der Abschluss einer Rechtsschutzversicherung für den Fall des Streites gegen die D&O-Versicherung angezeigt.

Weitere Informationen: Der Autor ist Mitglied in der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V. Kontakt: Rechtsanwalt Bernold Schöbitz, Schöbitz & Schöbitz Rechtsanwälte, Böheimstr. 45, 70199 Stuttgart. Tel. 0711-601734-30, Fax 0711-601734-33. E-Mail: info@kanzlei-schoebitz.de, www.schoebitz.biz. (mf)