Insolvenzverschleppung

Haftung des ausgeschiedenen Geschäftsführers

09.09.2024 von Peter Marwan
Befreit die Niederlegung des Amts oder die Abberufung eines Geschäftsführers diesen tatsächlich von allen Verbindlichkeiten?
Wer haftet, wenn kurz vor der Insolvenz der Geschäftsführer wechselt? Dazu hat der BGH ein wichtiges Urteil gefällt.
Foto: Bacho - shutterstock.com

Der Bundesgerichtshof hat anlässlich der Insolvenz der P&R-Gruppe, die mit Schiffscontainern ein Schneeballsystem betrieben hat, eine grundsätzliche Frage geklärt: Befreit die Niederlegung des Amts oder die Abberufung eines Geschäftsführers diesen tatsächlich von allen Verbindlichkeiten?

Eine Gesellschaft dieser Gruppe war schon seit vielen Jahren insolvenzreif. Im Jahr 2018 wurden das Insolvenzverfahren eröffnet. Ein Jahr zuvor ist der alte Geschäftsführer ausgeschieden und wurde ein neuer bestellt. Die Insolvenzreife bestand zu diesem Zeitpunkt aber schon.

Der Gläubiger hat zu der Zeit, als der alte Geschäftsführer noch im Amt war, drei Anlagenverträge geschlossen. In der Zeit, in der bereits der neue Geschäftsführer bestellt war, dann einen weiteren. Der alte Geschäftsführer hatte sein Amt einfach niedergelegt.

Bislang war unklar, ob die Niederlegung des Amts oder Abberufung eines alten Geschäftsführers ihn tatsächlich von allen Verbindlichkeiten befreit. Tatsächlich werben auf dem sogenannten "grauen Markt" viele "Schuldnerberater" damit, den Geschäftsführer sofort zu entlasten, aus dem Amt zu entheben und ihn dann vermeintlich von all seinen Schulden zu befreien.

BGH-Urteil sorgt für Klarheit

Spätestens seit dem Urteil des BGH vom 23.07.2024 (Aktenzeichen II ZR 206/22) sei damit Schluss, betont Manfred Althaus, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Insolvenzrecht von der DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. Denn der alte Geschäftsführer haftet demnach weiter, wenn die Insolvenzreife bereits zu seiner Zeit bestand und fortdauerte. Wenn nach seinem Ausscheiden noch mit weiteren Personen Verträge geschlossen werden und für diese daraus ein Schaden resultiert, haftet der alte Geschäftsleiter auch dafür.

Als Grund sieht der BGH, dass der alte Geschäftsführer seinen Verpflichtungen zur Stellung eines Insolvenzantrags ausgewichen ist. Sinn und Zweck der Insolvenzantragspflicht ist es jedoch, insolvenzreife Unternehmen vom Markt zu nehmen.

Abberufung alleine nimmt Geschäftsführer nicht aus der Haftung

Es soll damit gerade vermieden werden, dass weitere Geschäftspartner und damit letztendlich Gläubiger geschädigt werden. Wer als Geschäftsführer diese Pflicht missachtet, haftet dann mit seinem Privatvermögen. Darüber hinaus kommen noch mehrere Straftatbestände in Betracht.

Allein die Abberufung eines Geschäftsführers hilft also nicht, um ihn komplett aus der Haftung zu nehmen. "Das ist auch richtig so", erklärt Althaus. "Ansonsten könnte ein Geschäftsführer bis zum allerletzten aushalten und dann - überspitzt formuliert - einen Tag vor Insolvenzantragstellung sich eine mittellose Person holen, diese offiziell zum Geschäftsführer bestellen lassen und sich aus dem Staub machen. Damit würde der Sinn und Zweck der Insolvenzantragspflicht unterwandert und völlig ausgehöhlt. Das wäre also ein unakzeptables Ergebnis. Insoweit ist die Entscheidung des BGH also zutreffend und zu begrüßen.

Rechtsanwalt Althaus empfiehlt in Zweifelsfragen auf jeden Fall Rechtsrat einzuholen. Er verweist dabei unter anderem auch auf die DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V.