Der britische Lizenzhändler Value Licensing hat beim High Court in London eine Klage gegen Microsoft eingereicht. Er verlangt damit Schadenersatz in Höhe von 270 Millionen Britischen Pfund (umgerechnet rund 313 Millionen Euro). Die Klage begründet der Händler damit, dass Microsoft seine Stellung im Softwaremarkt missbraucht.
Value Licensing kauft Microsoft-Volumenlizenzen auf und verkauft sie entbündelt an Unternehmen und Behörden. Es arbeitet dabei auch mit Wiederverkäufern zusammen. Die Webseite gibt es auch in einer französischen, italienischen und deutschen Version. In Online-Medien gezogene Vergleiche zu Lizengo scheinen verfehlt: Offenbar agiert Value Licensing ebenso wie viele Gebrauchtsoftware-Vermittler in Deutschland im legalen Bereich und bietet aufgespaltene Volumenlizenzen an. Das sieht Microsoft nicht gern, muss es aber laut EuGH-Urteil und BGH-Urteil hinnehmen - sofern dabei nicht "zusätzliche" Lizenzen entstehen.
Der Händler wirft Microsoft vor, es habe Klauseln in seine Verträge aufgenommen, die Kunden daran hindern, ihre Lizenzen weiterzuverkaufen und ihnen dafür Rabatte auf Cloud-basierte Produkte einräumen. Dieser Vorwurf erhitzte in Deutschland im Sommer 2020 die Gemüter vieler Akteure im Markt für Gebrauchtsoftware. Microsoft argumentierte damals die im Mai 2020 eingeführte Änderung in den Vertragsklauseln sei auf Wunsch der Kunden erfolgt.
Value Licensing behauptet nun, die Klauseln seien mit Geheimhaltungsvereinbarungen verbunden und Ziel sei es, den Markt für gebrauchte Lizenzen auszutrocknen. In der Klage wird britischen Medien zufolge angeführt, dass Microsoft so mindestens schon seit 2016 vorgeht. Dadurch sei Value Licensing ein Bruttogewinn von 270 Millionen Pfund entgangen. Der Händler fordert demnach das Gericht auch auf, Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, den Wettbewerb und die Auswahl auf dem Markt vollständig wiederherzustellen und aufrechtzuerhalten. Dazu müssten die Stillschweigevereinbarungen entfernt und die umstrittenen Klauseln in den Microsoft-Kundenverträgen geändert werden.
Gegenüber der Financial Times sagte Jonathan Horley, der Gründer von Value Licensing: "Für Microsoft lohnt es sich wenn Kunden auf sein neues Cloud-basiertes Modell umsteigen und die alten Lizenzen vom Markt entfernen, damit Kunden keine andere Wahl haben, als auf das Abo-Modell umzusteigen." Er spielt damit auch auf die auf fünf Jahre verkürzten Support-Zeiten für Windows-10-Versionen mit Long-Term-Service-Channel (LTSC) und ohne Cloud-Anbindung an: Lizenzen ohne Support und ohne Cloud-Anbindung könnten deutlich stärker an Wert verlieren.
In der Klageschrift von Value Licensing heißt es zudem: "Microsoft ist der dominierende Anbieter von Office-Softwareanwendungen und Betriebssystemen. Indem es die Verfügbarkeit gebrauchter unbefristeter Lizenzen unterdrückt, die mit den neuen Office-365-Produktlinien konkurrieren, hat das Unternehmen versucht, die Aktivitäten seiner Reseller-Konkurrenten zu minimieren."
"Das illegale Verhalten von Microsoft hat sich auf fast alle Unternehmen ausgewirkt, die Desktop-Software für ihre Mitarbeiter in Großbritannien und im Europäischen Wirtschaftsraum bereitstellen", fügte Horley hinzu. "Value Licensing ist nicht das einzige Opfer".