Vor- und Nachteile

Gut gefragt ist fast gelöst

09.04.2014 von Renate Oettinger
Für Coachs und für Führungskräfte sind Fragen ein wichtiges Arbeitsinstrument. Also sollten sie die verschiedenen Fragetypen kennen und gezielt gegenüber Kunden oder Mitarbeitern einsetzen können, fordert Sabine Prohaska.
Vorgesetzte müssen die Gedanken-, Werte- und Gefühlswelt ihrer Mitarbeiter durch Fragen erkunden.
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Jeder Mensch hat aufgrund seiner Biografie und seines Wertesystems individuelle Vorstellungen davon, was (für ihn) "gut" ist; außerdem davon, was "richtig" ist. Also hat er auch eine subjektive Wahrnehmung der "objektiven" Dinge. Diese kennt ein Coach oder Berater nicht. Also muss er die Gedanken-, Werte- und Gefühlswelt seiner Klienten durch Fragen erkunden,

Zum Erreichen des Ziels kann ein Coach mehrere Kategorien von Fragen nutzen:

Ihren professionellen Einsatz muss jeder Coach beherrschen, denn es macht einen qualitativen Unterschied, ob er fragt:

Bei der lösungsorientierten Arbeit eines Coachs liegt der Fokus auf den ressourcen- und zielorientierten Fragen. Denn sie eröffnen eine Welt der Möglichkeiten und durchbrechen die oft bestehende "Problem-Trance" bei Coachees.

Problemorientierte Fragen

Diese Fragen-Kategorie dient dem Coach unter anderem zum genaueren Kennenlernen der Situation des Coachees. Problemorientierte Fragen liefern oft nur dem Coach neue Einsichten. Denn der Coachee ist "der Experte" für sein Problem, und er kennt alle Details. Einige Beispiele für problemorientiere Fragen:

Auch die Frage "Was haben Sie schon unternommen?" zählt zu dieser Rubrik. Denn die Antwort auf diese Frage beinhaltet alle bereits gescheiterten Versuche. Wäre das Problem gelöst, säße der Coachee dem Coach nicht gegenüber. Zusammengefasst beinhaltet diese Fragenkategorie alle Fragen rund um die Thematik des Problems.

Problemorientierte Fragen sollten Coachs sparsam einsetzen. Denn sie können zu einer Problem-Trance des Coachees führen, aus der er sich nur schwer lösen kann. Denn der Coach aktiviert hiermit beim Coachee vor allem Gedanken und (Hilflosigkeits-)Gefühle rund um die negativ erlebte Situation. Das erschwert das Finden neuer Lösungsansätze. Denn wer ein Problem lösen möchte, muss einen anderen geistigen Raum betreten.

Wichtig: Problemorientierte Fragen

- verschaffen einen Überblick über die Situation und

- sollten von Coachs mit Maß und Ziel eingesetzt werden, um eine "Problem-Trance" zu vermeiden.

Den Kunden die richtigen Fragen stellen -
Allgemeine Fragen, oft eingeleitet mit einem "Ach übrigens"
- Von all den Dingen, die Sie bei uns schätzen, was gefällt Ihnen da am besten?<br> - Wenn es eine Sache gibt, die wir unbedingt mal anders machen sollten, was wäre das Wichtigste für Sie?<br> - Was fehlt Ihnen denn bei uns am allermeisten?<br> - Was ist eigentlich für Sie der wichtigste Grund, uns die Treue zu halten?<br> - Wenn es eine Sache gibt, für die Sie uns garantiert weiterempfehlen können, was wäre da das Empfehlenswerteste für Sie?
Wenn die großen Chefs mal anrufen
- Lieber Kunde, wie denken Sie eigentlich über uns? <br> - Nur mal angenommen, Sie wären an meiner Stelle, was würden Sie schleunigst verändern?<br> - Nur mal angenommen, Sie hätten bei uns Vertriebsverantwortung, was würden Sie als Erstes verbessern?<br> - Wie sähe für Sie eine perfekte Dienstleistung aus?

Ressourcenorientierte Fragen

Diese Kategorie Fragen lenkt den Blick auf die Stärken von Menschen und die Dinge, die beim Bewältigen der Herausforderung hilfreich sein könnten. Beispiele für ressourcenorientierte Fragen sind

Auch Fragen nach Ausnahmen zählen zu dieser Rubrik, etwa: "Beschreiben Sie eine Situation, in der das Problem nicht auftrat und was in ihr anders war?" Oder: "…was Sie in ihr anders gemacht haben?" Hilfreich beim Suchen von Ressourcen für eine Lösung können auch Fragen sein wie: "Was unternahmen Sie bisher, damit das Problem nicht schlimmer wurde?"

Wichtig: Ressourcenorientierte Fragen …

Zielorientierte Fragen

Diese Fragenkategorie lenkt die Aufmerksamkeit auf die gewünschte Zukunft. Hierzu zählen die klassischen Zielfragen wie:

Coachs nutzen bei ihrer Arbeit auch häufig folgende Fragen:

Solche Fragen bewirken, dass der Coachee vor seinem inneren Auge sieht, wie die Zukunft aussehen könnte. Er kann die Erfolgssituation erfühlen. Damit erkennt er auch die Perspektiven, die sich ihm hierdurch eröffnen. Zugleich werden vorhandene Ressourcen und mögliche Hindernisse erkannt. So könnte zum Beispiel, wenn ein Coachee sich beruflich verändern und den nächsten Karriereschritt machen möchte, sein Umfeld hierauf nicht positiv reagieren. Der Lebenspartner könnte nicht glücklich darüber sein, dass der Coachee dann weniger Zeit für die Familie hat. Oder dass hierfür ein Ortswechsel nötig wäre.

Auch das kleine Wörtchen "stattdessen" bewirkt oft einen Wechsel der Denkrichtung - vom Problem zum Ziel. Coachees wissen meist genau, was sie nicht mehr haben wollen. Aber was sie "stattdessen" möchten, ist ihnen unklar. Die Frage "Was wollen Sie stattdessen?" löst oft einen schwierigen Denk- und Entscheidungsprozess aus: "Was will ich wirklich? Was ist mein Wunschziel?"

Wichtig: Zielorientierte Fragen …

Neben den bisher beschriebenen Fragenkategorien gibt es mehrere Fragetypen, die es wert sind, sie zu kennen. Jeden von ihnen kann man aus einer der vorgenannten Blickrichtungen stellen - also problem-, ressourcen- und zielorientiert.

Skalierungsfragen

Skalierungsfragen sind ein Instrument, um Empfindungen und Gefühle wie Erfolg oder Misserfolg, Freude oder Frustration zu bewerten. Nicht nur der Coach kann sich hiermit ein Bild über die Stärke des Empfindens des Coachees machen, auch der Coachee selbst bekommt hierdurch einen anderen Blick auf seine Lage. Hilfreich sind Skalierungsfragen auch, um Fortschritte innerhalb eines Coaching-Prozesses zu überprüfen.

Oft nutzen Coachs eine Skala von 0 bis 10. Dabei stellt die Null die minimale und die Zehn die maximale Ausprägung eines Gefühls dar. Soll zum Beispiel die Zufriedenheit mit dem derzeitigen Job eingeschätzt werden, bedeutet der Wert 0 "absolut unzufrieden", und der Wert 10 "absolut zufrieden". Und mit Hilfe der Skalierungsfrage "Wie würden Sie auf einer Skala von 0 bis 10 Ihre aktuelle Zufriedenheit im Beruf einschätzen?" kann der Coachee eine entsprechende Einschätzung vornehmen.

Mit Skalierungsfragen können auch Veränderungen und Erfolgswahrscheinlichkeiten erfasst werden; zudem können sie zum Planen der nächsten Schritt genutzt werden Beispiele für solche Fragen sind:

Coaches sollten bei der Arbeit mit Skalierungsfragen immer die kleinen Unterschiede beachten. Es geht um kleine, umsetzbare Schritte, die motivierend wirken.

Wichtig: Skalierungsfragen …

Dissoziierte Fragen

Dissoziieren heißt, vom Problem Abstand nehmen - also dieses zum Beispiel aus der Vogelperspektive zu betrachten. Dissoziierte Fragen sind zum Beispiel:

Wenn Coachees aus einer Außenperspektive auf ihr Problem blicken, sehen sie oft neue Aspekte und entdecken sie alternative Lösungsansätze. Denn die neuen Informationen bringen neue Sichtweisen hervor und setzen wertvolle Denkprozesse in Gang.

Coachees wissen oft nicht, wie viel sie wissen. Dissoziierte Fragen sind eine Methode, um das ver-borgene Wissen anzuzapfen und versteckte Ressourcen zu entdecken. Der Coach kann auch fragen: "Wenn Sie an meiner Stelle wären, welche Fragen würde Sie dann stellen?"

Wichtig: Dissoziierte Fragen …

Hypothetische Fragen

Wenn es beim Coaching zu einem Stillstand kommt und der Coachee keine Lösungsmöglichkeiten sieht, können hypothetische Fragen helfen. Zum Beispiel: "Angenommen das Problem wäre gelöst, was hätten Sie dann wahrscheinlich getan?" "…, wie würden sich Ihre Kollegen dann verhalten?" "…, was wäre dann anders?"

Hypothetische Fragen bieten dem Coachee ein Lösungsszenario an, das der Coachee, indem er es beschreibt, erlebt. So zum Beispiel bei der Frage: "Angenommen Sie könnten sich Ihren Traumberuf kreieren. Wie würde dieser aussehen? Wie würde ein Tag, eine Woche in diesem Beruf verlaufen?"

Aus den Antworten können Schritte zum Erreichen des Ziels abgeleitet werden. Hypothetische Fragen haben den positiven Effekt, dass der Coachee diese Schritte ausprobiert und testet, ob sie für ihn überhaupt erstrebenswert und durchführbar sind.

Wichtig: Hypothetische Fragen …

Paradoxe Fragen

"Paradox" bedeutet widersprüchlich. Paradoxe Fragen sind provokative Fragen, die auf ein Verstärken des Problems abzielen. "Was müssten Sie tun, damit Sie endgültig einen Burn-out erleiden?", "…, damit Ihr Chef Sie entlässt?" Diese Fragetechnik eignet sich besonders bei Coachees, die in ihren Prob-lemen sehr gefangen sind. Paradoxe Fragen wie zum Beispiel "Wie könnten Sie erreichen, dass Sie noch schlechter schlafen?" reizen den Coachee und lösen dadurch oft erhellende Reaktionen aus. Man kennt dieses Phänomen aus der Kindererziehung. Wenn ein Kind schreit, hört es erstaunlicherweise damit auf, wenn man es bittet, lauter zu schreien.

Zuweilen empfiehlt es sich, paradoxe Fragen anzukündigen, damit der Coachee sich darauf einlässt - zum Beispiel mit folgenden Worten: "Mir fällt gerade eine Frage ein, die Ihnen vielleicht verrückt erscheint". Und danach stellen Sie die Frage - zum Beispiel: "Was müsste ich als Coach tun, damit Sie nicht mehr zu mir kommen?"

Wichtig: Paradoxe Fragen …

Die genannten Fragekategorien und -typen sind ein Basiswerkzeug im "Werkzeugkoffer" jedes Coachs. Und jeder Coach sollte ihren Einsatz professionell beherrschen. Dies gilt es zu trainieren - zum Beispiel in einer Coach-Ausbildung.

Weitere Informationen: Sabine Prohaska ist Inhaberin des Trainings- und Beratungsunternehmen seminar consult prohaska, Wien, das unter anderem Trainer und Coaches ausbildet. Im Oktober 2013 erschien im Junfermann Verlag ihr neustes Buch "Coaching in der Praxis: Tipps, Übungen und Methoden für unterschiedliche Coaching-Anlässe".
Kontakt: Tel.: +43 664-3851767, E-Mail: prohaska@seminarconsult.at, Internet: www.seminarconsult.at