Die Cloud ist wichtig, findet Oliver Tuszik. Von Amazon und Google sollten Anwender indes die Finger lassen, meint der Computacenter-Chef im Interview mit der ChannelPartner-Schwesterpublikation Computerwoche (CW).
CW: Ist die Aufregung um Cloud Computing gerechtfertigt?
TUSZIK: Teilweise ja. Die breite Masse assoziiert damit Dienste von Amazon und Google. Das ist aber nicht das, was unsere Kunden wollen. Die Grundprinzipien entsprechen denen von Managed Services. Den Kunden interessiert es nicht, ob er Cloud- oder handgeklöppelte Dienste bezieht. Er möchte die Betriebskosten senken, möglichst nichts investieren und trotzdem flexibler sein. Wenn sie morgen zehn zusätzliche Server benötigen, dann wollen sie die Kapazitäten sofort zuschalten können. Das Ganze sollte dann noch hoch standardisiert geschehen. Diese Ansprüche lassen sich optimal in der Wolke abbilden.
CW: Die Frage ist doch, ob die Anwender auch problemlos 20 Server abschalten können, wenn sie keinen Bedarf mehr haben?
TUSZIK: Im Rahmen unserer Outsourcing-Services definieren wir mit unseren Kunden Korridore, die sich an ihren Wachstumsplänen orientieren. Innerhalb dieser Bereiche ist der Preis pro Nutzer fix. Reduziert ein Kunde beispielsweise die Zahl der E-Mail-Nutzer so stark, dass er den Korridor verlässt, erhöht sich der Preis pro Mailbox. Werden unerwartet viele E-Mail-Nutzer zugeschaltet, gibt es Mengenrabatt.
Vielen Anwendern reicht dieses Modell jedoch nicht mehr. Die ersten Kunden wollen nicht mehr verbrauchsabhängig zahlen, sondern fragen nach einem garantierten Festpreis. Diese Forderung wird oft vom Finanzvorstand angestoßen. Der möchte eine verlässliche Planung für das gesamte Jahr.
Jeder will eine Flatrate, auch Geschäftskunden
CW: Und wie reagieren Sie darauf?
TUSZIK: Wir gehen ins Risiko. Dazu sehen wir uns den Kunden genau an, schätzen ab, welches Volumen auf uns zukommt und kalkulieren einen Mittelwert, der uns eine stabile Marge garantiert. Das Modell ist allerdings von einem Maximalwert begrenzt. Die Entwicklung ist interessant, denn hier greifen die gleichen Mechanismen wie im privaten Umfeld: Jeder will eine Flatrate, um sich keine Gedanken um den Verbrauch machen zu müssen.
CW: Um welche Service handelt es sich?
TUSZIK: Nachgefragt werden Speicherdienste. Aber ich kann mir ein solches Modell auch für den E-Mail-Betrieb vorstellen.
CW: Google bietet E-Mail-Services mit einigen Extras für rund 50 Dollar pro User und Jahr an. Ein Managed-Exchange-Arbeitsplatz kostet oft mehr als 25 Euro pro Monat. Warum sollten Anwender sich noch für Exchange entscheiden?
TUSZIK: 25 Euro pro Monat und User für einen Exchange-Account erscheint mir sehr viel. Ein Dienst für diesen Preis sollte schon eine Menge Zusatzdienste umfassen.
Für professionelle Anwender ist Googlemail oft keine Alternative. Google liefert einen Standard, den jeder akzeptieren muss. Es gibt keine Schnittstellen und Anpassungsmöglichkeiten. Richtig teuer wird der IT-Betrieb zudem, wenn eine Hotline erforderlich ist. Sobald die Provider einen Support für User anbieten, explodieren die Kosten. Provider wie Google, die ihren Kunden Selbsthilfe im Web anbieten, können natürlich sehr günstig anbieten. Das ist keine Kunst.
Die Cloud ist für Startups ideal
CW: Interessant wird das Cloud-Computing, wenn sich günstige Standard-Dienste aus der öffentlichen Cloud nach Bedarf mit Private-Cloud-Angeboten kombinieren lassen. Für viele Nutzer im Unternehmen ist ein einfacher Google-Account ausreichend.
TUSZIK: Die ausschließliche Nutzung der öffentlichen Cloud-Angebote ist für Geschäftskunden aus drei Gründen zurzeit noch nicht interessant:
Erstens garantieren die Provider in den wenigsten Fällen belastbare SLAs. Unternehmen, wollen Gewissheit, dass ein Angebot, das sie via E-Mail verschickt haben, auch ankommt. Diese Qualität können viele Anbieter noch nicht zusichern.
Zweitens müssen, sobald personenbezogene Daten ausgetauscht werden, Datenschutznormen erfüllt werden. Das ist nicht schwer und wird oft überschätzt, es muss aber gewährleistet sein.
Und drittens akzeptieren große Unternehmen kein Standard-E-Mail-System. Sie haben bereits entsprechende Applikationen im Einsatz und wollen auf komfortable Funktionen etwa für Raumreservierung, Urlaubsplanung und Presence-Management nicht verzichten. Ein E-Mail-System ist schon längst mehr als eine Installation, die nur elektronische Briefe verschickt.
Wenn ich heute ein Startup gründen würde, dann würde ich auch alle Dienste aus der Cloud beziehen. Der Mehrwert liegt nicht in tollen IT-Installationen, sondern in der Business-Idee. Mit den Cloud-Diensten könnte ich mir zudem Investitionen ersparen.
Standards - ja, aber mit einer individuellen Note
CW: Dennoch setzen die Public-Cloud-Provider Benchmarks, was die Preise betrifft. Dem können sich Firmen wie Computacenter nicht ewig entziehen.
TUSZIK: Computacenter wird niemals Standardsysteme für 1,50 Euro im Monat pro User anbieten können. Im Cloud-Computing ist der Zug für uns abgefahren, solange es um die Bereitstellung von Infrastruktur geht. Das Rennen machen Anbieter wie Amazon, Google, Microsoft und IBM unter sich aus. Für uns ergeben sich neue Chancen, wenn es darum geht, Private und Public Clouds miteinander zu verknüpfen und so deren Mehrwerte für Anwender zu heben.
CW: Warum entwerfen sie mit Hilfe ihrer vorhandenen Infrastruktur nicht auch Cloud-Dienste und sprechen damit völlig neue Kundengruppe an?
TUSZIK: Mit standardisierten Angeboten haben wir interessante Erfahrung gemacht. Die Anwender finden das zunächst sehr gut, weil es ihr IT-Budget entlastet. Unterm Strich liefern wir am Ende des Projekts aber meistens eine sehr individuelle Implementierung - auf Basis von Standards. Nur der Kern der IT ist dann standardisiert.
Cloud bedeutet für mich, dass sich in eine individuelle Landschaft Services je nach Bedarf integrieren lassen. Die Idealvorstellung wäre natürlich, dass sich beispielsweise ein Modul, dass die Kosten von krankheitsbedingten Personalausfällen ermittelt, aus der öffentlichen Cloud laden ließe, um es dann ohne Anpassung in das lokale HR-System einzubinden, damit es dort mit Hilfe der Produktivdaten ad hoc eine Analyse liefert.
Auf diese Möglichkeiten des Cloud Computings müssen wir deutschen IT-Dienstleister uns konzentrieren. Wenn uns die Integration der Cloud-Dienste gelingt, finden wir unsere Platz in diesem Markt und können neue Services anbieten und effizient betreiben. Und - was noch viel interessanter ist - wir könnten die Lösungen sogar exportieren.
CW: Reicht das aus, um darauf ein Geschäftsmodell aufzubauen? Wie positioniert sich Computacenter künftig?
TUSZIK: Wir sind immer mehr der Integrator zwischen Public Clouds, Private Clouds und individuellen Lösungen. Die hohe Kunst des modernen IT-Managements ist die Auflösung des Patchworks vieler Dienste und Anbieter zu einem Ganzen.
Es gibt neben der Cloud eine weitere interessante Entwicklung im Markt: Der Wettkampf unter den großen Anbietern wird härter. Cisco geht ins Server-Geschäft und HP weitet seine Aktivität im Netzbereich aus. Für uns ist das traumhaft. Die Angebote steigen, die Komplexität in Folge des Wettbewerbs auch, und die Kunden benötigen immer mehr Hilfe, um die Lösungen in ihre bestehenden Strukturen zu integrieren. Der Platz von Computercenter ist dort, wo Integrationsarbeit erforderlich ist.