Günstig und leistungsfähig

iPad 2018 im Macwelt-Test

18.04.2018 von Stephan Wiesend
Das iPad von 2018, auch iPad 6 genannt, zeigt erstklassige Leistung und Akkulaufzeit, nur beim Display kann es nicht ganz mithalten.

Nimmt man als langjähriger iPad-Nutzer Apples neues iPad 6 aus seiner Verpackung, wirkt es seltsam vertraut. Kein Wunder, handelt es sich doch um das Gehäuse des 2013 erschienenen iPad Air. Selbst die Schnittstellen sind gleich, zum Aufladen und für Peripherie gibt es eine Lightning-Buchse, ein Kopfhöreranschluss ist weiterhin verfügbar. Face ID bleibt vorerst dem iPhone X vorbehalten, aber am Touch-ID-Button hatten wir eigentlich nie etwas auszusetzen. Nach dem Einschalten stellt man aber schnell fest, dass man ein modernes und leistungsfähiges iPad vor sich hat.

Neu ist vor allem Unterstützung für den Pencil

Nur für Schüler und Einsteiger?

Bei Apples Vorstellung des neuen iPad stand zwar die Nutzung in Schulen im Vordergrund, das günstigste iPad im Programm ist aber natürlich genauso für Unternehmen und Privatanwender interessant. Dass Apple diesen Kunden wohl lieber die Pro-Modelle verkaufen würde, steht dabei auf einem anderen Blatt.

Bei unserem Test wollen wir deshalb vor allem eine Frage beantworten: Soll man den doppelten Preis für ein iPad Pro 10,5 zahlen oder ist Apples Einstiegsmodell völlig ausreichend?

Display – hell aber spiegelnd

Das 9,7-Zoll-Display bietet wie das Vorgängermodell eine Auflösung von 2048 x 1536 Pixeln bei 264 ppi, hier gibt es eigentlich wenig Verbesserungsbedarf. Dank IPS-Technologie ist das Panel sehr Blickwinkel-unabhängig und es offeriert außerdem eine sehr hohe Helligkeit. Auf automatische Farbanpassung per True-Tone-Technologie und iPad-Pro-Spezialitäten wie ProMotion (variable Bildwiederholraten von 24 bis 120 Hz) sowie erweiterten Farbraum (P3) muss man allerdings verzichten. Fest vorgegeben ist der Farbraum sRGB – Fotos und Videos erscheinen also in eher neutralen aber laut Messungen sehr korrekten Farben. Schade für Filmfans: HDR unterstützt das iPad ebenfalls nicht und Videos aus dem Store muss man ohne diesen Effekt nutzen. Persönlich finden wir diese Technologie aber beim TV-Gerät besser aufgehoben und die Bildqualität des iPad völlig ausreichend.

Was wir problematischer finden: Im direkten Vergleich mit einem iPad Pro mit laminiertem Display fällt sofort auf, dass der Bildschirm deutlich stärker spiegelt. Das fällt in Innenräumen kaum auf, wird aber bei Sonneneinstrahlung schnell lästig. Die meisten Anwender scheint dies aber wenig zu stören, zumindest beim Vormodell gab es da nie Beschwerden von Nutzern. Das Display ist ja schließlich so hell, dass man die auftretenden Spiegelungen gut „ausblenden“ kann. Das relativ simpel aufgebaute Display bedeutet außerdem große Kostenvorteile. Es ist nicht nur günstiger zu produzieren, bei Reparaturen des Displays droht nicht gleich der finanzielle Ruin. Für eine Reparatur des iPad Pro 10,5 nimmt Apple eine Pauschale von 501 Euro, für das iPad 2018 liegt die „Gebühr für Serviceleistungen außerhalb der Garantie“ gerade bei 251 Euro. Geht nur das Display-Glas zu Bruch, ist es außerdem für knapp 40 Euro als Ersatzteil verfügbar, etwa bei iFixit.

Selbst wenn das Gehäuse nicht mehr ganz neu ist, Verarbeitung und Haptik sind ausgezeichnet. Das iPad wirkt keinesfalls wie ein Billiggerät, wenn es auch etwas dicker als das iPad Pro geraten ist. Der Unterschied von 7,5 mm zu 6,4 mm ist aber nur bei direktem Vergleich beider Geräte zu spüren, ebensowenig wirkt das dickere Display „minderwertig“. Gewicht und Abmessungen sind fast identisch mit dem 10,5-Zoll-Modell, wenn auch das Pro-Modell den leicht größeren Bildschirm bietet.

Die Leistung: Schnellere CPU und Grafikkarte

Während das alte iPad „unter der Haube“ auf dem iPhone 6S basiert, zieht es nun mit dem iPhone 7 gleich: Die CPU des neuen iPad ist die gleiche 2,3 GHz schnelle A10-CPU mit vier Kernen – zwei Hochleistungs- und zwei Stromspar-Kernen. Auch die Grafik Power VR GT 7600 stammt von der Smartphone-Linie. Das sorgt für einen grundsätzlichen Leistungsnachteil gegenüber den iPad-Pro-Modellen: Bei diesen Geräten verwendet Apple einen anderen A10-Chip, den A10 X mit sechs Kernen (drei schnell, drei sparsam) und die ebenfalls leistungsfähigere Grafikkarte bietet zwölf statt sechs Kerne.

In der Praxis ist die Performance aber ausgezeichnet, das als Auslaufmodell erhältliche iPad Pro 9,7 und das iPad von 2017 werden vom Neuling klar deklassiert. Bei unserer Messung mit Geekbench 4 erzielt das iPad hohe 3512 Punkte im Single-Core- und gute 5981 Punkte im Multi-Core-Test. Beim direkten Konkurrenten dem iPad Pro 10,5 liegen die Geekbench-Werte mit 3881 im Single Core kaum höher. Mit 9190 Punkten ist es erst beim Multi-Core-Test deutlich stärker – kann hier das iPad Pro doch auf gleich drei statt zwei Hochleistungs-CPUs zurückgreifen. (Hinweis: Bei Geekbench-Messungen können die Ergebnisse bei jeder Messung um einige Prozent variieren, trotzdem ist dieser Test eine gute Methode, um verschiedene Geräte zu vergleichen.)

Das iPad Pro 10,5 ist vor allem im wichtigen Single-Core-Test kaum schneller, allerdings sollte man nicht das Alter der aktuellen iPad Pro-Linie vergessen: Die Pro-Tablets erschienen Juni 2017 und stehen eigentlich kurz vor einer Überarbeitung. Vermutlich erhält die kommende Version dann eine schnellere Version der A11-CPU des iPhone X (Geekbench 4203/10103).

Die Leistung des iPad 2018 ist auf hohem Niveau.

Beim Geekbench-Test Compute, der u.a. die Metal-Performance ermittelt, erzielt das iPad 13013 Punkte, knapp 30 Prozent mehr als das Vorjahresmodell. Wie beim iPad 2017 steckt im neuen iPad ja offensichtlich nicht nur die gleiche CPU, sondern auch die gleiche Grafiklösung wie im iPhone 7. Bei den Pro-Modellen setzt Apple dagegen auf leistungsfähigere Versionen mit 12 Kernen, so kann das iPad 10,5 im Metal-Benchmark Compute mit 29140 Punkten glänzen.

Die höhere Leistung von Grafikkarte und Multi-Core-Performance ist allerdings nur bei Apps hilfreich, die diese Technologien auch nutzen können. Nur bei Spezialanwendungen, die mehrere CPU-Kerne nutzen können, können sich die aktuellen iPad Pro in der täglichen Nutzung absetzen. Vor allem bei Standardanwendungen wie Safari und Office steht das iPad den aktuellen iPad Pro kaum nach und lädt selbst komplexe Webseiten kaum langsamer.

Auch für aktuelle Spiele ist die Leistung ausreichend, beim Spieletest Slingshot erzielt das Modell gute 2733 Punkte. Startet man das neue PUBG, lädt es sich in der Auflösung „High“, während beim alten Modell nur die Qualitätsstufe „Medium“ empfohlen wird. Fans von Fortnite und PUBG würden also vom Wechsel von iPad 5 zum Modell 2018 durchaus profitieren.

Netzwerk und Speicher

Gegenüber dem Vormodell verspricht Apple höhere Transferraten per WLAN- und Mobilfunk. Die maximale Transferrate per WLAN gibt Apple mit 866 Mbit, per LTE sind es 300 Mbit. Ungeduldigen können sich den Weg zum nächsten Mobilfunkanbieter sparen. Über die Voreinstelllung „Mobile Daten“ kann man aus vier vorgegebenen Prepaid-Anbietern auswählen: Telekom, Always Online, GigSky und Truphone. Unterschiede zur Pro-Modellreihe gibt es beim Speicher: Das iPad 2018 kann nur mit 32 und 128 GB Speicher gekauft werden, die Pro-Modelle ausschließlich mit 64, 256 und 512 GB. Offensichtlich will Apple hier zu viele Überschneidungen vermeiden. Schnell genug ist der interne Speicher jedenfalls, bei unserem Test des Modells 128 GB mit dem Tool PerformanceTest Mobile liegt die Datentransferrate beim Lesen bei knapp 900 MB/s und beim Schreiben bei etwa 200 MB/s. Was man aber wissen sollte: Nach unseren Erfahrungen liegt die Schreibrate beim Modell mit 32 GB deutlich niedriger.

Kamera

Viel erwartet haben wir von der Kamera nicht: Apple hat die Front- und Rückenkamera des Vorgängermodells übernommen, es handelt sich bei der Rückenkamera im Prinzip um Sensor und Objektiv des iPhone 5S. Die Auflösung liegt bei nicht mehr zeitgemäßen 8 Megapixel und bei Videoaufnahmen wird „nur“ HD-Auflösung unterstützt. Eigentlich ist die Kamera also nicht auf dem aktuellem Stand, auch ein Blitz wie bei den Pro-Modellen fehlt. Bei guten Lichtverhältnissen gibt es aber an der Rückenkamera wenig auszusetzen und gute Fotos sind problemlos möglich, auch gute HDR-Fotos. Für AR-Funktionen ist sie gut genug, für iPad-Aufgaben wie Dokumente-Scan eignet sie sich ebenfalls gut. Die leistungsfähige CPU kann anscheinend einiges an Bildqualität aus den Aufnahmen herausholen, auch die Videoaufnahmen sind von annehmbarer Qualität. Kleine Foto- oder Video-Projekte in der Schule sind mit dem iPad also problemlos möglich. Ein Upgrade hat aber die Frontkamera verdient, vor allem bei Innenaufnahmen ist das Selfie-Bild von mäßiger Qualität. Schwächen zeigen beide Kameras aber bei schlechten Lichtverhältnissen. Vor allem bei Testaufnahmen in Innenräumen und bei Motiven mit Schatten sieht man bei einem Zoom in das Bild schnell Artefakte und Bildfehler. Ein Vorteil: Die Kamera steht nicht aus dem Gehäuse heraus, ist also weniger Kratzern ausgesetzt als bei den neueren Modellen.

Bei guten Lichtverhältnissen ist die Bildqualität akzeptabel.

Gute Akkuleistung

Im iPad 6 steckt der gleiche Akku wie im iPad 5, ein relativ großer Akku mit 32,4 Wh Kapazität. Bis zu zehn Stunden Surfen verspricht Apple, wie auch bei seinen beiden Pro-Modellen. In unserem Surftest zeigt das iPad 6 eine gute Leistung und hielt 8 Stunden und 33 Minuten durch – mit ausgeschaltetem Bluetooth-Modul übrigens nur zwei Minuten länger. Einen kompletten Arbeitstag sollte der Akku also durchhalten. Was uns allerdings negativ auffiel: Der Akku lädt sich so langsam wie bei den Vormodellen.

Lautsprecher

Es gibt aber weitere kleine Sparmaßnahmen, die beim direkten Vergleich mit den Pro-Modellen stören: Während die Pro-Versionen vier gut klingende Lautsprecher besitzen, weist das iPad 6 nur zwei davon auf. Abgesehen vom schlechteren Klang fällt der schlechtere Sound auf, wenn man das iPad in die Horizontale dreht. Für den Einsatz als Küchenradio oder Videos ist die Tonqualität aber völlig ausreichend.

Der Stift

Wichtigste Neuerung des neuen iPad ist aber die Unterstützung des Apple Pencil, was bisher den Pro-Modellen vorbehalten blieb. Auf die seitliche Schnittstelle „Smart Connector“ hat Apple verzichtet, die teure Apple-Tastatur bleibt also außen vor. Es gibt allerdings ein wirklich umfangreiches Angebot an Bluetooth-Tastaturen, so sollten ja für das neuen iPad alle Gehäuse und Tastaturhüllen für das iPad Air und das iPad 5 passen. Ohne Zweifel ist der Stift eine sehr sinnvolle Bereicherung der iPad-Bedienung. Zeichnungen oder Skizzen gelingen selbst einem zeichnerisch Unbegabtem sauber und mühelos, die neue Unterstützung von iWork-Programmen ist ein weiteres Plus.

Für die Büroarbeit ist ja der Pencil interessanter geworden, seitdem die neuen iWork-Versionen den Stift unterstützen: Hat man ein Keynote-, Pages- oder Numbers-Dokument vor sich, kann man schnell und unkompliziert Textstellen markieren, Notizen ergänzen oder eine kleine Idee illustrieren. Statt mühsam Kommentare einzutippen, kann man bei einem zu korrigierenden Text einfach Wörter durchstreichen oder „unterkringeln“. Für schnelle Notizen eignet er sich ebenfalls und ist weit mobiler einsetzbar als eine Bluetooth-Tastatur - für die man ja doch immer eine Unterlage oder einen Tisch braucht.

Gut: Bei Änderungen der Schrift oder anderen Korrekturen bleibt eine Markierung am betroffenen Wort „haften“. Sinnvoll ist der Stift ja nicht zuletzt für Bildkorrekturen, etwa um Snapseed oder Pixelmator gezielt Bildstellen aufzuhellen oder nachzuschärfen. Stiftbedienung ist zwar nicht jedermanns Sache, die meisten Anwender werden den Pencil aber nach einiger Nutzungszeit nur ungern wieder hergeben. Schade: Dateneingabe in Numbers ist nicht möglich, notierte Zahlen werden wie eine Grafik behandelt. Der Bildschirm des iPad 6 ist zwar nicht laminiert und „dicker“, bei abwechselnder Nutzung an einem iPad Pro und iPad 6 konnten wir aber kaum einen Unterschied feststellen. Auch ein neuer günstiger Stift von Logitech namens Crayon wird unterstützt, übrigens nur vom iPad 6. Bei der Frage, ob sich der Pencil aus pädagogischer Sicht für den Schulunterricht eignet, sind wir allerdings überfragt.

Der Pencil eignet sich gut für Kunstwerke, aber auch für schnelle Notizen.

So meinen ja einige Forscher, Schüler sollten sich weniger auf Notebooks oder iPad als auf den Unterricht konzentrieren. In einer Studie schnitten etwa Studenten sogar besser ab, wenn sie während des Unterrichts auf Notebook und Tablet verzichteten.

Fazit:

Das kurz vor der Ablösung stehende iPad Pro 10,5 ist eigentlich das bessere Tablet: Es ist schlanker, besser entspiegelt und hat die überlegene Kamera. Den doppelten Preis rechtfertigt das aber nur für sehr Anspruchsvolle. Das ausgereifte iPad ist völlig ausreichend. Es ist elegant und solide, die Akkuleistung und CPU sind hervorragend und der Preis ist unschlagbar. Ungewöhnlich: Durch den Preisnachlass von Apple sind Auslaufmodelle des iPad 2017 kaum günstiger und angesichts der deutlich schlechteren Performance nur wenig empfehlenswert. (Macwelt)