Grundig will A-Marke werden

25.06.2007
Nach enormen Schwierigkeiten und massiven Umstrukturierungen startet das Traditionsunternehmen Grundig wieder durch. Oberstes Ziel für 2007: Etablierung als A-Marke. Wie das Nürnberger Unternehmen das schaffen will, lesen Sie hier.

"Wir sind wieder jemand, der Awards gewinnt", verkündet Hans-Peter Haase, Geschäftsführer der Grundig Intermedia GmbH, mit sichtlichem Stolz. Ein verständlicher Stolz, denn das Nürnberger Traditionsunternehmen musste in den vergangenen Jahren nicht nur eine Insolvenz (2003) hinnehmen, sondern auch Qualitätsschwierigkeiten beim Produzenten Beko, dem türkischen Anteilseigner neben Alba aus England, verkraften und abbauen. Im vergangenen Jahr wurde die "Fabrik in der Fabrik" aufgebaut, um die Qualität der Grundig-Produkte Made in Turkey zu erhöhen. Was anfangs wie ein verzweifelter, aber vergeblicher Versuch klang, den Markennamen Grundig zu retten, scheint mittlerweile zu funktionieren.

Die Qualität hat sich deutlich verbessert, und auch das Design ist ansprechend, sodass Grundig-Produkte selbst von Zeitschriften mit jugendlicher Leserschaft getestet und ausgezeichnet werden. Gerade diese jüngeren potenziellen Kunden will das Unternehmen mit neuen Produkten wie MP3- und Media-Playern sowie in den kommenden Monaten mit einer breiten Palette an WLAN-Radios adressieren.

Andererseits ist Grundig ein etabliertes Unternehmen mit einer fast 50-jährigen Vergangenheit und galt über Jahrzehnte als klassische Marke für den gesetzten Fachhandelskunden. Und den will das Unternehmen keineswegs verlieren; vielmehr soll diese Käufergruppe die Basis bilden, auf der Grundig zur A-Marke im LCD-TV-Segment wird, unter die Top Fünf in Deutschland kommt und den Marktanteil (nach Stückzahlen) von derzeit knapp über vier Prozent auf stabile sechs Prozent hochschraubt.

Der Grundig Lenaro 37-Zoll-HD-Fernseher wird auch mit 100 Hz-Technologie angeboten.

Die Grundig-Rechnung sieht wie folgt aus: Aktuell sind in Deutschland noch gut 50 Millionen Röhrenfernseher im Gebrauch, mehr als zehn Millionen sind Grundig-Geräte. Mindestens diese zehn Millionen TV-Nutzer wollen die Nürnberger beim künftigen Ersatzkauf ansprechen. Das soll unter anderem durch hohe Qualität bei Bild und Ton, ansprechendes Design, gehobene Ausstattung bei einfachster Bedienbarkeit und interessante Preispunkte im mittleren und gehobenen Segment geschehen. Zudem wurde die Garantiezeit für alle Digi-200-Produkte von zwei auf drei Jahre erhöht. Digi 200 ist ein TV-Konzept, bei dem durch digitale Signalverarbeitung hohe Bildqualität gewährleistet wird.

Nichts geht ohne den Fachhandel

Fachhandel und Fachmärkte spielen bei dieser Erfolgsrechnung eine mindestens ebenso gewichtige Rolle wie die Produkte. Deshalb sollen dort ab Juli verstärkt Shop-in-Shop-Systeme installiert werden, in denen Grundig als Vollsortimenter dargestellt werden kann. Die Fachverkäufer sollen zudem durch Produkt- und Vertriebstrainings auf den aktuellen Stand gebracht werden. Wie Horst Nikolaus, Regional Sales Director Central, erläutert, stammen viele CE-Fachbegriffe aus der IT-Welt: "Hier geht es dann in erster Linie darum, den Kundennutzen und die Bedeutung in der Unterhaltungselektronik für das Beratungsgespräch herauszuarbeiten."

Parallel dazu laufen seit einiger Zeit technische Schulungen für Servicetechniker. Nach dem erfolgreichen Abschluss dieses Trainings sind die teilnehmenden Handelsunternehmen autorisierte Servicepartner für Flat-TVs. Bereits mehr als 700 Servicetechniker wurden so von Grundig geschult. Bei weiteren Fragen können die Händler auch eine Hotline speziell für Fachverkäufer anrufen.

Exklusiv für den Fachhandel bietet Grundig die sogenannte "City-Line" an. Diese besteht aus ausgewählten Fernsehmodellen, die nach Städten wie etwa Monaco oder Torreon benannt sind und eine stabile Grundspanne (im Schnitt sechs Prozent höher als üblich) bieten. Die City-Line wird über UE-Großhändler angeboten. Jeder Fachhändler, der an diesem Programm teilnimmt, muss sich für einen Großhändler entscheiden, von dem er die TVs kauft. Grundig arbeitet hier mit fast allen namhaften UE-Großhändlern zusammen.

Die IT-Distribution ist hingegen ausgeschlossen, da sie nach Meinung von Hans-Peter Haase keine klassischen (UE-)Fachhändler beliefert. Überhaupt tut sich Grundig noch sehr schwer mit IT-Distis. Bislang hat der Hersteller erst eine Kooperation mit Ingram Micro abgeschlossen.

Grundig nach der Restrukturierung

Die neue Führungsspitze von Grundig besteht aus Geschäftsführer und CEO Hans-Peter Haase, Dr. Michael Petersheim (Chief Financial Officer), Robert Guard (Director Product Management), Tolga Akar (Chief Sales Officer) und Temel Aras (Chief Organisation Officer).

Horst Nikolaus verantwortet den Vertrieb der Region Central.

Auch der internationale Vertrieb wurde neu organisiert. Aus ehemals 15 nationalen Vertriebsorganisationen wurden vier Regional Sales Organisations (RSO), in denen Länder mit vergleichbaren Kunden- und Marktstrukturen zusammengefasst wurden. Jede dieser RSO untersteht einem Regional Sales Director, der unter anderem für Vertriebssteuerung und -planung sowie für die Kommunikation mit dem Handel zuständig ist. Die RSO Central (Deutschland, Österreich, Schweiz und Benelux) wird von Horst Nikolaus geleitet. Alle vier RSOs gehören zum Verantwortungsbereich von CSO Tolga Akar.

Das Produktmanagement unter Bob Guard wurde ebenfalls gestrafft und neu organisiert. Die Bereiche Audio, Storage (zum Beispiel DVD-Rekorder und -Player) sowie Reception wurden zusammengefasst. Als Director Product Group Non-Vision leitet Oliver von Kospoth diesen Bereich. Für die Product Group Vision (TV) zeichnet Jürgen Bauer verantwortlich, die Business Unit Home Appliances mit den Produktgruppen Personal Care und Floor Care leitet Michael Geisler.

Meinung der Redakteurin

Sicherlich kennen Sie alle die Witzfrage: Warum sind in Ostfriesland die Omnibusse zehn Meter breit? Antwort: Weil dort alle Fahrgäste neben dem Fahrer sitzen wollen.

Ähnlich sieht es an der Spitze des deutschen Marktes für CE aus. Mindestens zehn Hersteller wollen eine A-Marke sein (oder bald werden) und beanspruchen demnach einen Platz unter den Top-Fünf. An der Marktspitze herrschen aber keine ost-friesischen Verhältnisse. Nun stellt sich die Frage: Wer hat das Zeug zur führenden A-Marke? Grundig will es noch in diesem Jahr werden.

Was spricht dafür: hohe Markenbekanntheit (96 Prozent), 50 Jahre Tradition, motivierte Manager und Mitarbeiter, Commitment zum Fachhandel, hohe Ansprüche an Qualität und Design.

Was spricht dagegen: Bei Qualität und Liefertreue ist Grundig auf Beko angewiesen. Der türkische Anteilseigner und TV-Produzent hatte in der jüngsten Vergangenheit aber genau damit massive Schwierigkeiten. Bezieht sich die Kundentreue überhaupt auf eine Marke oder nicht viel eher auf einen Fachhändler des Vertrauens?

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