In Hessen

Großrazzia bei Tonerfälschern in Obertshausen (mit Bildergalerie)

06.07.2012 von Armin Weiler
Die Polizei staunte nicht schlecht bei einer Razzia im hessischen Obertshausen: In einer Lagerhalle stapelten sich gefälschtes Druckerverbrauchmaterial bis unter das Dach.
An diesen Geräten wurden Patronen mit minderwertiger Tinte wiederbefüllt, die später als Originalware in Umlauf gebracht wurden.

Die Polizei staunte nicht schlecht bei einer Razzia im hessischen Obertshausen: In einer Lagerhalle stapelten sich gefälschtes Druckerverbrauchmaterial bis unter das Dach. "Ich bin seit über 30 Jahren Polizist. Eine derartige Produktionsstätte ist mir aber bisher noch nicht unter gekommen", so Werner Kerpen, der Leiter des Betrugskommissariates in Offenbach, nach einer Durchsuchungsaktion am Donnerstag in der Obertshausener Raiffeisenstraße.

Nach Erkenntnissen der Ermittler soll es sich bei den beschlagnahmten Produkten durchweg um Plagiate von Original-Supplies namhafter Hersteller handeln, darunter Brother-Kartuschen, für die sogar gefälschte Hologramme gefunden wurden. In welchem Ausmaß der Fälscherring aktiv war, kann noch nicht abgeschätzt werden: "Wir werden mehrere Lastwagenladungen an beschlagnahmten Druckerpatronen aus dem Lager holen", berichtet der Leiter des Offenbacher Betrugskommissariates. Den Schaden für die Hersteller beziffert Kerpen mit "mehreren Millionen Euro".

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Sogar Hologramme gefälscht

Auch die Hessenschau berichtete über die Polizeiaktion in Obertshausen. (Screenshot: www.hr-online.de)

Die Fälscher befüllten offensichtlich vor Ort leere Kartuschen, versahen sie mit Hologrammen, Garantiesiegeln und Begleitpapieren, verschweißten die Verpackungen wieder in einem "täuschen ähnlich sehenden Karton". Die Fälschungen wurden über das Internet aber auch über andere Vertriebskanäle an die Kunden gebracht. "Wir gehen davon aus, dass die Händler nicht wussten, dass sie Fälschungen verkauften", erklärt ein Polizeisprecher auf Nachfrage von ChannelPartner.

Bei der Polizeiaktion waren auch einige Vertreter von Druckerherstellern als Sachverständige anwesend. Auch von Brother war ein Mitarbeiter vor Ort. Zu der aktuellen Razzia kann sich der Hersteller nicht äußern und verweist auf "das laufende Verfahren". Grundsätzlich treffe die Produktfälschung aber den Käufer einer Druckerpatrone. Die chemische Zusammensetzung einer gefälschten Patrone entspreche niemals der Zusammensetzung einer Originalpatrone. Im besten Falle sei die Qualität der Ausdrucke bei Verwendung von Plagiaten minderwertig, was der Kunde dann auf die Qualität seines Gerätes zurückführt. "Nicht selten aber drohen defekte Druckköpfe und ausgelaufene Tinte oder Toner auf elektronischen Bauteilen. Die Behebung solcher Schäden ist für den Käufer in aller Regel mit erheblichem Aufwand und Kosten verbunden", warnt Brother-Sprecher Jörg-Stefan Schmitt. Zudem befürchtet der Brother-Sprecher einen Image-Schaden für den Hersteller, da der Kunde ja in "gutem Glauben" handelt und denkt, dass er Original-Verbrauchsmaterial gekauft hat.

Neue Dimension der Supplies-Fälschungen

Nach Recherchen der "Bild" war die Halle durch die Firma EEC angemietet, die mit Verbrauchsmaterialien handelt.

Die anwesenden Herstellervertreter und auch die Polizei zeigten sich überrascht über das Ausmaß der Fälschertätigkeit. "Dies ist eine neue Dimension", betont Betrugskommissariatchef Kerpen. Nach bisherigen Erkenntnissen seien derartige Falsifikate bislang stets im Ausland, meist im fernen Asien, hergestellt worden. Dass sich die Produktionsstätte für gefälschte Druckerpatronen in Deutschland befindet, sei auch nach Erkenntnissen der anwesenden Sachverständigen einmalig.

Nach Recherchen der Bild-Zeitung wurde die Lagerhalle durch die Firma EEC angemietet. "Wir liefern Geräte, Ersatzteile und Verbrauchsmaterialien der Originalhersteller sowie unsere hochwertigen Produkte aus eigener Produktion", heißt es auf der ECC-Homepage.

Nachdem seit Anfang des Jahres verstärkt gefälschte Verbrauchsmaterialien auf dem Markt aufgetaucht sind, ermittelt die Polizei. Die Rückverfolgung der Vertriebswege führte dann auch nach Obertshausen. Nachdem ausreichend Verdachtsmomente gegen die Firma in der Raiffeisenstraße beisammen waren, beantragte die Staatsanwaltschaft in Darmstadt einen Durchsuchungsbeschluss beim Gericht. Dieser führte nun zu der Razzia. Darüber hinaus durchsuchten die Polizeibeamten in Offenbach auch die Wohnung des 47-jährigen Geschäftsführers, gegen den sich das Verfahren richtet. Der Geschäftsführer konnte nach den polizeilichen Maßnahmen zunächst wieder auf freien Fuß gesetzt werden. Die Ermittlungen dauern an. (awe)