TK-Distributor Brightstar stellt Strafanzeige

Großrazzia bei Getgoods

19.11.2013 von Matthias Hell
Im Rahmen einer Großrazzia wurden gestern die Firmenräume des insolventen Online-Händlers Getgoods sowie die Privatwohnung von Unternehmensgründer Markus Rockstädt-Mies durchsucht. Dabei geht es um eine Strafanzeige von TK-Distributor Brightstar, wonach Getgoods unerlaubt Waren in Millionenhöhe verkauft haben soll.
Seine Tage als Firmenchef von Getgoods dürften - selbst bei einer Rettung des Unternehmens - angesichts immer neuer Vorwürfe gezählt sein: Markus Rockstädt-Mies

Nach Einleitung einer Untersuchung durch die Finanzaufsicht BaFin und Abklärungen im Rathaus der Stadt Frankfurt/Oder interessiert sich nun auch die Staatsanwaltschaft für den insolventen Online-Händler. Wie die Märkische Oderzeitung berichtet, haben am gestrigen Montag fünf Staatsanwälte sowie drei Dutzend Beamte des Landeskriminalamtes die Firmenräume von Getgoods, aber auch die Privatwohnung von Unternehmens-Chef Markus Rockstädt-Mies durchsucht.

Hochinteressant für die Gründe der Insolvenzanmeldung von Getgoods – aber auch für das Geschäftsmodell des Online-Händler – ist der Anlass für die Durchsuchungen: So hat der US-amerikanische TK-Distributor Brightstar bereits Mitte vergangener Woche – also noch vor Bekanntwerden der Zahlungsunfähigkeit von Getgoods – eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Oder eingereicht. Dabei geht es um den Vorwurf, Getgoods habe insgesamt 192.000 bei dem Online-Händler lagernde Mobiltelefone verkauft, sei dazu allerdings nicht berechtigt gewesen, da diese dem Elektronikversender zum fraglichen Zeitpunkt nicht gehörten. Insgesamt soll es sich um ein Umsatzvolumen von mehr als 50 Millionen Euro handeln.

Der Zeitpunkt der Strafanzeige deutet darauf hin, dass das Zerwürfnis zwischen Getgoods und Brightstar der unmittelbare Auslöser für die Insolvenz des Online-Händlers gewesen sein könnte. Zum anderen erhalten dadurch Einschätzungen, bei Getgoods handele es sich zu großen Teilen um einen Trader bzw. Subdistributor, zusätzliche Plausibilität. Denn die Tatsache, dass Brightstar bei einem Online-Händler – der selbst bereits mit knappen Lagerkapazitäten kämpft – unbezahlte Ware im Wert von 50 Millionen Euro einlagert, ist alles andere als alltäglich. Getgoods-Chef Rockstädt-Mies arbeitete vor der Gründung des Elektronikversenders als Director Key Account Management bei der damaligen Tech-Data-Tochter Brightstar. Mitte 2012 übernahm Tech Data das Europageschäft von Brightstar und führt dieses seitdem unter dem Namen Tech Data Mobile weiter. Wie aus den aktuellen Berichten hervorgeht, arbeitete Getgoods allerdings offensichtlich weiter mit der amerikanischen Konzernmutter Brightstar Corp., dem nach eigenen Angaben weltgrößten Mobile-Distributor, zusammen.

Getgoods-Chef äußert sich zur Insolvenz

In einem Video-Interview mit der Märkischen Oderzeitung äußerte sich Getgoods-Chef Rockstädt-Mies nun auch erstmals nach der Insolvenz seines Unternehmens öffentlich. Dabei machte der Unternehmer allerdings keinen besonders souveränen Eindruck und schwankte zwischen altbekannten Durchhalteparolen (man habe sich nichts zuschulden kommen lassen, Verhandlungen mit Investoren seien bereits fortgeschritten, könnten aber durch die aktuellen Ermittlungen gefährdet werden) und Ausflüchten zu konkreten Details (zur Frage der Insolvenzverschleppung könne man aufgrund laufender Vorgänge nicht sagen, Getgoods müsse nun erst einmal mehr Transparenz herstellen, usw.).

Mutmaßlich ungewollt informativ sind die Ausführungen von Rockstädt-Mies zum Thema Brightstar. So spricht der Getgoods-Chef von einer „ Vertragsmodulation durch Brightstar“ und etwas wirr von einer „Thematik, die gerne über solche Themen geregelt werden soll“. Der Firmengründer liefert damit Gerüchten Nachschub, wonach es bei den aktuellen Turbulenzen auch darum gehe, dass einzelne Gesellschafter versuchten, Rockstädt-Mies loszuwerden. Zudem erwähnt der Getgoods-Chef in dem Interview aus eigenem Antrieb heraus den Paragraphen 400 des Aktiengesetzes. Darin geht es um die „unrichtige Darstellung“ von Verhältnissen einer Gesellschaft – Vorwürfe, die sich angesichts der von Brightstar zur Anzeige gebrachten Tatbestände, nun auch für den Online-Händler und seinen Unternehmens-Chef als relevant erweisen könnten. (mh)

Die größten Pleiten in der ITK-Branche in den verg
IDS Scheer Consulting (September 2014)
Das IT-Beratungshaus IDS Scheer Consulting, das erst im Juni von der Software AG an die Scheer Group verkauft wurde, steht vor der Insolvenz. Jeder vierte Mitarbeiter muss gehen.
Printer Care (Juli 2014)
Einer der wichtigsten Online-Händler für Drucker und Zubehör hat Insolvenz angemeldet. Geschäftsführer Claus Grünig glaubt aber fest an eine Zukunft von Printer Care.
mStore (Juli 2014)
Gegen den Apple-Händler mStore wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Die zunächst angestrebte Sanierung in Eigenverantwortung ist damit gescheitert. Noch in dieser Woche sollen die meisten Filialen der Kette geschlossen werden.
Vitec (Juli 2014)
Der britische AV-Distributor Imago will alle Mitarbeiter des insolventen Multimediaspezialisten Vitec übernehmen. Die Geschäfte sollen unter Vitec-Gründer Dr. Wilhelm Mettner am Standort Mainz weitergeführt werden.
ACI Supplies (März 2014)
Die Telefone stehen still bei ACI Supplies in Ratingen. Grund: Die Unternehmensmutter ACI Adam BV mit Sitz in Maastricht, hat Insolvenz angemeldet. Der Distributor ist in Zahlungsschwierigkeiten geraten.
DiTech (März 2014)
Mit weit über 100 Millionen Euro Umsatz ist der österreichische Multichannel-Händler DiTech alles andere als ein Leichtgewicht. Im März 2014 musste das Unternehmen ein Sanierungsverfahren zur Abwendung einer Insolvenz einleiten.
Getgoods (November 2013)
Nachdem sich die Hinweise auf eine bevorstehende Insolvenz des Elektronikversender Getgoods gehäuft hatten, hat das Unternehmen Mitte November seine Zahlungsunfähigkeit offiziell bestätigt. Der Geschäftsbetrieb soll allerdings aufrechterhalten werden.<br>
BHS Binkert (November 2013)
Der auf das Imaging-Segment spezialisierte Distributor BHS Binkert hat einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt. Wie es weitergeht, ist derzeit noch ungewiss.<br>
Loewe (Juli 2013)
Nur wenige Wochen vor der IFA in Berlin ist Aushängeschild der deutschen Fernsehproduktion, Loewe, in ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten geraten: Um einer Insolvenz vorzubeugen, hat sich das Unternehmen nun für ein Schutzschirmverfahren entschlossen.<br>
Chips and More (Juli 2013)
Der Freiburger Distributor Chips and More musste im Sommer 2013 Insolvenz anmelden. Der Grossist war unter anderem durch seine Eigenmarke CnMemory bekannt.
Niedermeyer (Mai 2013)
Sanierungskosten von bis zu 10 Millionen Euro – so viel war auch dem deutschen Onlinehändler Cyberport sein österreichischer Partner im stationären Handel nicht wert: Die Investorensuche für die Elektronikkette Niedermeyer blieb erfolglos, die verbleibenden 45 Filialen des einst 98 Standorte starken Filialnetzes mussten schließen.
Devil und COS (April 2013)
Nachdem die Kreditversicherer sowohl für Devil als auch für COS die Limits gekürzt hatten, mussten die beiden Distributoren im April 2013 Insolvenz anmelden.<br> Sechs Wochen später war die Zukunft von COS in Pohlheim gesichert: Der Api-Konzern wird das Unternehmen unter dem Namen COS Computerhandels GmbH weiterführen. Und im Juli 2013 wurde bekannt, dass der polnische Distributor Action S.A. den Braunschweiger Grossisten Devil übernehmen wird.<br>
b.com (März 2013)
Der Kölner Distributor B.com musste beim Amtsgericht Köln einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellen. Ein bereits erarbeiteter Sanierungs- und Restrukturierungsplan sollte an die neue Situation angepasst werden.<br> Kurz Zeit später wurde mit der Wortmann AG ein Retter gefunden.<br>
Jet Computer (März 2013)
Auch der Spezialdistributor Jet Computer Products war in finanzielle Schieflage geraten und musste beim Amtsgericht Hannover einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen. Vertrieb und Support sollten zusammen mit den Herstellern aufrechterhalten werden.<br>
BT Kopier (Dezember 2012)
Nachdem Büroring angekündigt hat, sich aus dem übernahmegeschäft mit BT Kopier zurück zu ziehen, musste der Büromaschinenspezialist beim Amtsgericht Duisburg Insolvenz anmelden.<br>
H&S (Oktober 2012)
Im Oktober 2012 hatte die H & S Entwicklungsgesellschaft Nettetal GmbH vor dem Amtsgericht Krefeld Insolvenz angemeldet. Besser bekannt war die Firma allerdings unter dem vormaligen Namen Terratec. <br>
Neckermann (Juli 2012)
Während die Rettung von Neckermann scheiterte, gab es zumindest für einen durch die Insolvenz in Bedrängnis geratenen Partner-Shop eine neue Zukunft: Der zum Distributor Wave gehörende Elektronikversender Alternate wollte den Onlinehändler Styleon.de weiterführen.<br>
ADA – Das Systemhaus (März 2012)
Das zu diesem Zeitpunkt siebtgrößte Systemhaus Deutschlands musste im März 2012 Insolvenz anmelden. Zum 1. Juli 2012 übernahm Ricoh das operative Geschäft und machte ADA zu einer Business Unit.<br>
PC live (Januar 2012)
Das Peripherie-Label Typhoon schien dem kein Glück zu bringen: Mit PC live wurde schon die dritte Eigentümerfirma insolvent. <br>
Asdis Software (Juni 2010)
Auch Thomas Benz, Geschäftsführer des Systemhauses Asdis Software, musste im Juni 2010 den Gang zum Insolvenzverwalter antreten.<br>
RZNet (August 2009)
Mit Lothar Papenberg, Vorstand der RZNet AG, musste ein weiterer Systemhaus-Chef im August 2009 den Gang zum Insolvenzgericht antreten.<br>
TDMi (Juli 2009)
Deutschlands drittgrößtes Systemhaus, die TDMi-Gruppe, musste im Juli 2009 Insolvenz anmelden. Betroffen waren die TDMi-Tochter Comparex, die Muttergesellschaften TDMi Deutschland Holding GmbH und die TDMi AG.<br>
COS (Juli 2009)
Besonders wild ging es bei der COS-Pleite im Juli 2009 zu: Erst verkaufte Firmenmutter Tiscon den Distributor an den russischen Investor Green Gold, der COS wohl entgegen den getroffenen Absprachen in die Insolvenz schickte. Als rettender Engel für die COS erwies sich ausgerechnet der Braunschweiger Wettbewerber Devil.<br>
Trekstor (Juli 2009)
Im Juli 2009 mussten auch die Trekstor-Geschäftsführer Daniel und Shimon Szmigiel (Foto) Insolvenz anmelden.<br>
Tandberg Data (April 2009)
Weil der Speicherspezialist Tandberg Data Kredite an den Investor Cyrus Capital nicht zurückzahlen konnte, musste das Unternehmen im April 2009 Insolvenz anmelden. Im Zuge der Restrukturierung verließen Deutschland-Chef Frank Roszyk und eine ganze Reihe führender Manager das Unternehmen und gründeten den direkten Wettbewerber Actidata.<br>
Finanzielle Schieflage
Auf den nächsten Seiten gibt es eine Auflistung der wichtigsten ITK-Distributoren, -Systemhäuser, -Hersteller, und -Händler die in letzter Zeit Insolvenz anmelden mussten oder pleite gingen.<br>
Netsquare (Juli 2015)
Distributor und PC-Fertiger Netsquare ist zahlungsunfähig. Ob der Geschäftsbetrieb weitergehen kann, ist laut Insolvenzverwalter noch nicht absehbar.
Weltbild (Juli 2015)
Also will die aus der Insolvenzmasse der Weltbild erworbenen Logistikaktivität nicht mehr finanziell unterstützen. Damit droht in Augsburg die Insolvenz.
Atelco (Juli 2015)
Das Sparprogramm, das die Atelco-Gruppe nach anhaltenden Umsatzrückgängen und Verlusten eingeleitet hatte, ist gescheitert. Nachdem Investorengespräche nicht schnell genug abgeschlossen werden konnten, beantragte das Unternehmen im Juli 2015 die Insolvenz.