Das an der Börse derzeit mit um die 445 Milliarden Dollar kapitalisierte Unternehmen laufe gut, könne aber sauberer und erklärlicher aufgestellt werden, schreibt Mitgründer Larry Page im offiziellen Firmenblog. Zu diesem Zweck gründet Google nun Alphabet, erreichbar unter dem amüsanten URL http://abc.xyz. Page, zuletzt CEO von Google, wird CEO von Alphabet; Kompagnon Sergey Brin lässt sich President auf die Alphabet-Visitenkarten drucken. Den Chefsessel für die bei Google verbleibenden Internet-Aktivitäten besetzt der mächtige bisherige Produktchef Sundar Pichai. Laut "Business Insider" war diese neue Struktur übrigens im Prinzip schon seit vier Jahren in der Mache.
Alphabet ist laut Page "zuvorderst eine Ansammlung von Firmen". Deren größte ist - und bleibt sicher auch auf absehbare Zeit - Google, von dem jetzt die allzu weit vom Kerngeschäft rund um die Internet-Suche entfernten Aktivitäten abgetrennt werden, als da wären Life Sciences und Lebensverlängerung (Calico), die zugekauften Nest-Geräte für das Smart Home, das "Geheimlabor" Google X für die Suche nach neuen technologischen Durchbrüchen (wie vielleicht die "Wing"-Lieferdrohnen), Google Ventures und Google Capital für die Finanzierung von Startups und langfristigen Technologie-Trends sowie last, but not least Google Fiber für Breitband-Infrastruktur. "CNN Money" hat die neue Struktur dankenswerterweise bereits eingängig visualisiert:
Die auf eigene Füße gestellten Unternehmungen sollen künftig unabhängiger und unter jeweils starker Führung besser prosperieren, schreibt Page. Diese Struktur erinnert an die Berkshire Hathaway Inc. von Starinvestor Warren Buffett, ein erklärtes Vorbild von Larry Page. Er werde gemeinsam mit Brin die Sparten-CEOs auswählen, deren Gehälter festlegen und ihnen bei Bedarf mit Rat und Tat zur Seite stehen, schreibt Page. Ab dem vierten Quartal sollen dann auch die Ergebnisse von Google getrennt von den zusammengefassten der restlichen Alphabet-Firmen ausgewiesen werden. Im vergangenen Jahr hatte Google 89 Prozent seiner Erlöse von insgesamt 66 Milliarden Dollar mit Anzeigen im Umfeld von hauptsächlich Suche und YouTube erzielt, schreibt das "Wall Street Journal"; der nächstgrößte Umsatzblock waren die Verkäufe von Apps, Musik und Filmen über den Play Store auf Android-Geräten.
Welch große Stücke Larry Page auf den neuen Google-Chef Sundar Pichai hält, kann man aus dem Blogpost sehr gut herauslesen. "Sundar sagt schon seit einer ganzen Weile die Dinge, die ich gesagt hätte (und teilweise besser!)", schreibt Page, der unter einer Stimmbanderkrankung leidet und deswegen nur noch sehr selten öffentlich spricht. Google hatte Pichai in den vergangenen Jahren bereits sukzessive immer mehr Verantwortung übertragen. Der bisherige Produktchef werde wie gehabt auf Innovation fokussiert bleiben und "Grenzen verschieben". Unter dem Dach von Google verbleiben übrigens die mobile Plattform Android und auch der Videodienst YouTube (den wie gehabt Susan Wojcicki steuert, die nun an Pichar statt Page berichtet).
Googles bisheriger Business-Chef Omid Kordestani wird "Berater" für Alphabet und Google. Der häufig als "Seele von Google" bezeichnete Mitarbeiter Nummer 11 nach der Firmengründung im Jahr 1998 bekommt drei Nachfolger, die ihre Google-Karrieren allesamt außerhalb der USA starteten. Einer davon ist einer Meldung von "Re/code" zufolge der einstige Deutschlandchef Philipp Schindler, künftig Vice President Sales and Operation. Der frühere AOL-Vertriebler war 2005 zu Google gewechselt und arbeitete von 2009 bis 2014 Kordestanis Vorgänger Nikesh Arora zu. Ihm stehen Daniel Alegre als Director of Partnerships die frühere Asia-Pacific-Chefin Lorraine Twohill als Director of Marketing zur Seite.
Börsentechnisch ersetzt die Holding Alphabet Inc. die bisherige Google Inc. als öffentlich gehandelte Entität. Bisherige Google-Aktien werden 1:1 mit allen Rechten in Alphabet-Anteilscheine umgewandelt. Google wird eine vollständig Alphabet gehörende Tochterfirma ("wholly-owned subsidiary"). Die beiden Aktienklassen werden an der Technologiebörse Nasdaq weiterhin unter den Tickersymbolen "GOOGL" und "GOOG" gehandelt. Die neu Holding solle aber keine große Consumer-Marke mit eigenen Produkten werden, schließt Page - "es geht einfach darum, dass Alphabet-Firmen Unabhängigkeit bekommen und ihre eigenen Marken entwickeln". Ach ja: Auch wenn es nirgends größer erwähnt wird - Eric Schmidt, der vor Page zehn Jahre an der Spitze von Google stand, bleibt Executive Chairman, jetzt halt von Alphabet.
Der Finanzdienst Bloomberg erkennt in der neuen Struktur nicht zuletzt die Handschrift der neuen Google-Finanzchefin Ruth Porat, die sich bei ihrem Amtsantritt mehr finanzielle und buchhalterische Transparenz für den breit gefächerten und weiteverzweigten Konzern auf die Fahnen geschrieben hatte. Investoren hatten dies im Prinzip schon seit dem Börsengang im Jahr 2004 immer wieder gefordert. "Ich verspreche, direkt mit Ihnen zu sein", hatte die von Morgan Stanley gewechselte Porat Finanzanalysten versprochen. "Ich werde Ihnen keine Geschäftsgeheimnisse verraten, aber mein Ziel ist es, dass Sie das Geschäft so gut wie möglich verstehen können." Die Im Mai zu Google gewechselte Wall-Street-Veteranin wird im Zuge des Umbaus CFO von sowohl Alphabet als auch Google.
Google habe jetzt auf die Wall Street gehört und versuche, gleichzeitig seine Innovation am Laufen zu halten, schreibt die "New York Times" - dazu trenne das Unternehmen seine Geldbringer Websuche und -werbung von den "Moonshot"-Aktivitäten. Die Neuaufstellung sei der bislang weitreichendeste Schritt eines Silicon-Valley-Konzerns in dem Bemühen, sein ausuferndes Business wieder besser in den Griff zu bekommen - ein Problem, mit dem auch andere, längst weit über das ursprüngliche Kerngeschäft hinausexpandierte Unternehmen wie Facebook und Amazon (das immerhin heuer erstmals die Ergebnisse von AWS separat ausgewiesen hat) konfrontiert sind. Google formalisiere den Portfolio-ähnlichen Ansatz seiner verschiedenen Geschäftsbereiche.
"Es wurde immer schwieriger und schwieriger, die Kosten einiger Projekte zu verstecken", insbesondere solcher, die zum Scheitern verurteilt waren, zitiert das "WSJ" einen früheren Google-Manager. "Es ist einfacher, das Kerngeschäft zu nehmen und wie eine Fortune-500-Firma zu betreiben," getrennt von den spekulativeren Tätigkeiten. Und Google könnte so gegebenenfalls natürlich auch einfacher eines oder mehrere der experimentellen Geschäftsfelder abspalten, bemerkt der Analyst Jan Dawson von Jackdraw Research.
Dawson geht auch davon aus, dass Anleger künftig besseren Einblick in die Profitabilität der unterschiedlichen Geschäftsbereiche erhalten. "Unter dem Strich ändert sich zwar nichts", so der Experte, "aber zumindest weiß man, welches die beweglichen Teile sind." Die einflussreiche Journalistin Kara Swisher wertet den Umbau im "Re/code"-Blog als "effektive Nachricht an die Wall Street, die Konzernstruktur klarer zu machen - auch wenn sie nicht wirklich anders ist als vorher." Die verschiedenen Bereiche seien vorher bei Google-CEO Larry Page zusammengelaufen und liefen jetzt bei Alphabet-CEO Larry Page zusammen: "Mit anderen Worten: Die Kinder bleiben Kinder, aber man kann jetzt möglichweise sehen, was das kostet (eine Menge!)."