Nachdem in dem Beitrag "Internationaler Einsatz: Das müssen ERP-Systeme können" bereits ein Ratgeber für die Auswahl von grenzübergreifenden ERP-Lösungen geliefert wurde, nimmt dieser Artikel ERP-Lösungen für den internationalen Einsatz der wichtigsten Anbieter unter die Lupe.
Das heißt Systeme, die so wesentliche Funktionen wie Mehrsprachigkeit, Lokalisierung, Multi-Site, zentrale Konsolidierung sowie Skalierbarkeit beherrschen. Im Folgenden wird in Kurzform beschrieben, wie viele Sprachen und Lokalisierungen die Anbieter unterstützen und wie sie die Implementierung in den verschiedenen Ländern angehen.
Die Auflistung der Hersteller erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Abas
Abas bietet seine Unicode-fähige "Abas Business Suite" in 29 Sprachen an. Der Support erfolgt ebenfalls in 29 Sprachen. Die Software wird am Hauptsitz des Unternehmens in Karlsruhe entwickelt, für die lokale Anpassung in den verschiedenen Ländern sorgen die jeweiligen Vertriebs- und Implementierungspartner von Abas. Diese sind in 30 Ländern vertreten, auch in Brasilien, Indien oder Russland. Die Abas-Partner vor Ort achten darauf, dass die regionalen gesetzlichen Anforderungen und deren Änderungen in der ERP-Lösung abgebildet werden, unter anderem in den Zollgemeinschaften der EU, ASEAN und NAFTA. Sie setzen auch Änderungswünsche der Kunden um; Abas garantiert dabei die Upgrade-Sicherheit.
Der Software-Rollout kann mehrphasig erfolgen, sprich gleiche Module lassen sich zu unterschiedlichen Zeitpunkten in verschiedenen Ländern in Betrieb nehmen. Für die Kommunikation und Koordination zwischen den involvierten Partnern bietet Abas eine Web-basierende Collaboration-Plattform. Abas selbst übernimmt beim Rollout in mehreren Ländern die übergreifende Projektkoordination und Abstimmung zwischen den Partnern und achtet darauf, dass sich lokale und globale Projektziele der Kunden ergänzen.
Bei internationalen Projekten wenden die Abas-Partner die globale Implementierungs-Methode "Abas GIM" an. Die in Abas GIM herausgearbeiteten Kernprozesse und Ziele der Kunden werden bei internationalen Projekten um übergeordnete Projektziele und landesspezifische Anforderungen ergänzt. Die Methode besteht aus sieben aufeinander aufbauenden Schritten: Start, Smart Check, Qualifizierung, Organisation, Konfiguration, Training, Go Live. Im Schritt Qualifizierung werden Key-User geschult, die wiederum das Training der User vor Ort übernehmen.
Asseco
Das ERP-System "APplus" von Asseco ermöglicht die umfassende Lokalisierung einzelner Standorte oder Logistikzentren innerhalb eines Unternehmens. Neben Deutsch ist die Software derzeit noch in folgenden neun Sprachen verfügbar: Englisch, Französisch, Italienisch, Niederländisch, Tschechisch, Ungarisch, Türkisch, Polnisch und Slowenisch. Eine chinesische Sprachversion ist in Arbeit.
Ist die gewünschte Sprachversion bei Asseco nicht verfügbar, steht dem Anbieter zufolge ein Tool zur Verfügung, mit dem der Kunde die gewünschte fremdsprachige Version selbst übersetzen lassen und generieren kann. Fremdsprachige Belege sind auch ohne Einsatz der kompletten Sprachversion erstell- und einsetzbar. Länderspezifische Prozesse und Bestimmungen vor allem im Finanz- und Rechnungswesen werden über das integrierte Partnerprodukt "APplus Finanz" abgedeckt. Die Implementierung beim Kunden übernehmen je nach geografischer Lage die bestehenden Asseco-Landesgesellschaften oder Partner vor Ort.
Bei der Implementierung setzt Asseco auf eine Drei-Phasen-Einführungsmethodik, die das Unternehmen kontinuierlich verbessert und an die Anforderungen des Marktes anpasst. Die Phasen sind Vorbereitung (Definition der Grundlagen des Projekts), Realisierung und Inbetriebnahme/ Produktivstart. Eine wichtige Rolle spielt hier der Lenkungsausschuss, der sich aus Vertretern von Asseco, dem Kunden und eventuell involvierten Partnern zusammensetzt. Er definiert die Ziele, kümmert sich um die Zeit- und Budgetpläne und tritt nach der Realisierung erneut zusammen, um den bisherigen Projektverlauf zu analysieren und mögliche Risiken bei der Inbetriebnahme zu beurteilen.
Comarch
"Comarch ERP Enterprise" bietet Internationalität durch Unicode, organisationsbezogene Zeitzonen und Mehrsprachigkeit (sowohl Inhaltssprache als auch Sprache der Benutzeroberfläche). Die Software ist derzeit in 13 Sprach- und Länderversionen erhältlich, unter anderem auch auf Russisch und Chinesisch. Für folgende fünf Länder gibt es derzeit im System vorkonfigurierte Varianten, die bereits deren gesetzliche Rahmenbedingungen abdecken: Deutschland, Österreich, Schweiz, Tschechien und Polen. Für die Lokalisierung in anderen Ländern sorgt Comarch gemeinsam mit autorisierten Softwarepartnern im In- und Ausland.
Die Ansprechpartner bieten einen Service direkt vor Ort und ermöglichen einen kompletten Rundum-Service aus einer Hand. Zudem gibt es in Polen (dort sitzt der Mutterkonzern) ein eigenes Comarch-Projektteam, das Kunden vor Ort von zahlreichen Standorten aus unterstützt. Alle internationalen Projekte steuert Comarch aus dem DACH-Raum.
Mit 19 integrierten Modulen bietet Comarch ERP Enterprise umfangreiche Funktionalität für mittelständische Unternehmen, die einen Großteil der in Unternehmen anfallenden Aufgaben abdecken. Aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen hat Comarch zudem gemeinsam mit seinem Partnernetz spezielle Branchenlösungen erarbeitet.
Comarch agiert in den Projekten nach vier verschieden standardisierten Vorgehensmodellen. Erstens nach der Lasten- und Pflichtenheftmethode, bei der der Kunde in seinem Lastenheft die Anforderungen definiert und Comarch in einem Pflichtenheft detailliert die Realisierung aufzeigt. Der zweite Ansatz bei der Einführung eines internationalen ERP-Systems ist die Einsatzanalysen-Methode. Hier legt Comarch gemeinsam mit dem Kunden zunächst die Anforderungen in einer Einsatzanalyse dar und setzt diese Anforderungen anschließend mit dem Change-Request-Verfahren um.
Beim Prototyp-Verfahren erstellt Comarch in der ersten Phase - meist zu fixierten Konditionen - einen Prototypen, mit dem bereits die üblichen Prozesse der Branchen abgebildet werden können. In der nachfolgenden Phase werden die speziellen Wünsche des Kunden erfüllt. Vierte Option ist die Einführung nach der Business-Scrum-Methode, bei der im Gegensatz zu den anderen Einführungsmethoden die Planungs- und die Realisierungsphase verbunden werden. Die damit verknüpften Arbeitspakete (Sprints) wiederholen sich pro Bereich mehrmals. In den Sprints arbeitet Comarch mit den Kunden jeden Tag zusammen.
Infor
"Infor LN" deckt 21 Sprachen ab, unterstützt Unicode und bietet vorkonfigurierte Lokalisierungen für 48 Länder, die deren Steuerrecht, Buchungsregeln und auch Anforderungen an Lieferscheine erfüllen. Dazu zählen unter anderem HGB, IAS/IFRS, US GAAP, UK GAAP, elektronische (Steuer-)Meldungen, IBAN, SEPA oder länderspezifische Bankstandards. Auch Mehrwährungsfähigkeit und flexible Zeitzonen sind inbegriffen.
Die Projektleitung bei internationalen ERP-Projekten liegt grundsätzlich bei Infor. In wichtigen Ländern, in denen der Anbieter eigene Niederlassungen hat, implementiert Infor die Lösung in Eigenregie, schult die Mitarbeiter und achtet auf die Umsetzung der spezifischen Gesetzgebung. Bei Kapazitätsproblemen oder in Regionen, in denen Infor selbst nicht vor Ort präsent ist, beauftragt das Unternehmen lokale Software- und Implementierungs-Partner (gibt es in 100 Ländern).
Die ERP-Strategie von Infor nutzt die standardisierte Implementierungs-Methodik OPIM (One Point Implementation Methodology), um die ERP-Lösung einheitlich und effizient auszurollen. Die ERP-Plattform wird dabei mit einem festen Kern (Prozesse, Daten) implementiert und dann in den Niederlassungen mit ihren spezifischen rechtlichen und kaufmännischen Rahmenbedingungen implementiert. Die Methode besteht aus den fünf Schritten Initiate, Design, Build, Deploy und Closure.
Microsoft
Microsoft liefert für mittelständische Unternehmen mit bis zu 300 ERP-Nutzern die ERP-Lösung "Dynamics NAV", an größere Unternehmen richtet sich "Dynamics AX". Letzteres ist noch stärker als NAV auf international vernetzte Unternehmen ausgerichtet und fokussiert sich im Standard auf die Bereiche Manufacturing und Retail, beispielsweise mit Kanban-Elementen oder einer vollintegrierten Kassenlösung. Der Schwerpunkt liegt hier aber auf Dynamics NAV.
Dynamics NAV ist laut Microsoft vor allem für mittelständische Unternehmen konzipiert, die dedizierte Branchenfunktionen benötigen. Entsprechend ist die ERP-Software auch als Plattform für die Entwicklung von Partner-Branchenlösungen geeignet. Damit lassen dem Hersteller zufolge auch sehr spezielle Anforderungen und Prozesse (bis hin zu Nischenmärkten) abbilden.
Dynamics NAV ist in rund 40 Landesversionen verfügbar. Eine Landesversion enthält dabei neben den Sprachversionen auch die regulatorischen Anforderungen der Landesbehörden. Zu den 40 Kernländern, für die Microsoft die gesetzlichen Rahmenbedingungen in die Software integriert, gehören auch Russland und Indien. Die Implementierung und den Rollout von Dynamics NAV in den verschiedenen Ländern überlässt Microsoft grundsätzlich seinen Partnern. Diese agieren sehr oft länder- und regionenübergreifend. In einem weltweiten Netz gibt es zudem sehr viele Kooperationen zwischen Partnern.
Als gemeinsame Klammer empfiehlt Microsoft seinen Partnern die Implementierungs-Methode Microsoft Dynamics ERP RapidStart (auch für Dynamics AX). RapidStart gibt einen Überblick über den Setup-Prozess inklusive der Informationen, die für die Nutzung des Systems benötigt werden. Die Methode unterstützt bei der Konfiguration von Prozessen und Funktionen, bei der Qualitätssicherung und reduziert den Zeitaufwand für die Implementierung.
Oracle
Oracle hat für klassische mittelständische Unternehmen die ERP-Lösung "JDEdwards EnterpriseOne" im Angebot. Die Software gibt es in mehr als 20 Sprachen und mehr als 30 Lokalisierungen, die steuerliche und gesetzliche Anforderungen der einzelnen Länder abbilden. Darüber hinaus bieten Partner Lokalisierungen für weitere Länder an. Oracle hat zwar eine eigene Consulting-Abteilung, setzt aber beim Mittelstand künftig verstärkt auf Partner.
In Zeiten des Internets erfolgt das Setup für die lokale Niederlassung häufig von einem zentralen Rechner aus (Global Single Instance). Die Projektbeteiligten definieren dabei ein Corporate Model (BluePrint) und adaptieren dieses dann lokal gemäß den entsprechenden Anforderungen. Dabei kommt die standardisierte Oracle Application Implementation Method (AIM) zum Einsatz.
Bei länderübergreifenden Projekten fungiert meist der Partner des Landes als Koordinator, aus dem der Auftrag kommt. Es kann aber auch der Kunde selbst oder sogar Oracle sein. Oracle empfiehlt für den Mittelstand den Coaching-getriebenen Ansatz mit Key-User-Konzept. Der Kunde stellt hier Mitarbeiter (Key-User, meist aus den Fachabteilungen), die vom Oracle-Partner geschult werden und das System zusammen mit den Beratern implementieren. Am Ende sind die Key-User in der Lage, das System selbst zu administrieren und in den anderen Ländern auszurollen (Knowledge-Transfer). Das bedeutet zwar zu Beginn einen höheren Aufwand, führt aber langfristig zu niedrigeren Kosten (TCO günstig). Im Alternativkonzept hat der Partner das Heft in der Hand; der Kunde benötigt auch langfristig mehr Support.
proAlpha
Die Oberfläche zur Bedienung des ERP-System "proAlpha" und die Dokumentation sind in 15 Sprachen (neben Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch auch in Ungarisch, Polnisch, Russisch und Chinesisch) verfügbar. Neben mehrsprachigen Artikeltexten, Klassifizierungen und Hilfsstammdaten ist die Kommunikation aus proAlpha heraus ebenfalls in diversen Sprachen möglich. Die 27 Landesversionen berücksichtigen die Gesetzgebung und Rahmenbedingungen des jeweiligen Landes, implementiert in einem eigenen Country Layer. Da proAlpha Unicode unterstützt, kann es in einer Datenbank parallel alle Zeichensätze speichern und darstellen.
Der Anbieter proAlpha betreut seine Kunden je nach Anforderung über weltweit 27 Niederlassungen selbst oder über Partner. Die Mitarbeiter sind mehrsprachig und kennen die kulturellen Besonderheiten der Region. International erfahrene Projektleiter übernehmen bei länderübergreifenden Installationen die Gesamtprojektleitung, regelmäßige Meetings mit den Landesteams beziehungsweise ein Projektlenkungsausschuss sichern den Informationsaustausch bei neuen länderspezifischen Anforderungen. Diese werden dann mit der Standardlösung harmonisiert.
Die proAlpha Consultants setzen bei internationalen Projekten auf die Implementierungs-Methode und das Tool proAlpha goLive! sowie den proAlpha Geschäfts-Prozess-Designer (GPD) zur Analyse und Dokumentation aller Kundenprozesse. In goLive! werden sämtliche Ressourcen, Aufgaben, Budgets, Dokumente und die definierten Geschäftsprozesse hinterlegt.
Sage
Sage bietet sein ERP-System Sage "ERP X3" für mittelständische Unternehmen in 13 Sprachen (unter anderem Chinesisch simplified, Tschechisch, Rumänisch, Russisch) und in 22 Lokalisierungen an, die bereits die landestypische Gesetzgebung berücksichtigen. Dabei sind unter anderem wichtige Wachstumsmärkte wie Brasilien, China oder Russland. Sage ist zudem stark auf dem afrikanischen Markt vertreten. Daher gibt es Länderversionen zu Angola, Mosambik oder Südafrika.
Sage agiert in 60 Ländern entweder selbst oder über seine insgesamt 275 Partner. Sowohl Sage selbst als auch die Partner passen das System, falls notwendig, an die lokalen Gegebenheiten an. Zur Koordination der länderübergreifenden Zusammenarbeit in Europa hat Sage die Organisationseinheit Mid Market Europe eingerichtet, die auch mit Sage USA und anderen weltweiten Sage-Standorten vernetzt ist. Darüber hinaus steuert ein spezielles MCD-Team (Multi Country Deal) internationale Projekte in Europa und eruiert die Anforderungen an eventuell einzubindende lokale Partner.
Die Projektsteuerung durch Sage selbst oder einen Partner erfolgt meist von dem Land aus, in dem der Auftrag erteilt wurde. Wer das zentrale Management übernimmt, hängt von der Größe des Projekts oder der Erfahrung der Leute in der Region ab. Ziel ist der größte gemeinsame Nenner über alle Niederlassungen hinweg mit vereinheitlichen Kernprozessen; hier bleibt aber genügend Flexibilität für die Abbildung der spezifischen gesetzlichen Rahmenbedingungen oder der lokalen Anforderungen der einzelnen Niederlassungen.
Bei der Implementierung setzt Sage auf die in zahlreichen Multi-Site-Projekten bewährte Methodik SMILE (Sage Methodology for Implementing ERP Projects auf Basis von SIGMA) mit den sechs Phasen Planung, Analyse, Konzeption, Implementierung, Test und Echtstart. Ziel ist die Einführung eines Standard-ERP Systems in 1-n Lokationen. SMILE beschreibt dabei unter anderem die standardisierte Projektorganisation und das Projekt-Management zur Sicherstellung der Qualität, des beauftragten Budgets und der vereinbarten Zeit.
SAP
Auch SAP hat wie seine Konkurrenten mit "SAP ERP" beziehungsweise "SAP Business All-in-One", unter diesem Namen wird das Produkt von den Partnern vermarktet, eine Lösung für den Mittelstand im Angebot. Die Software gibt es in 55 Länderversionen, die Sprache (insgesamt 34 Sprachen) und gesetzliche Vorgaben enthalten. Mehr als 1300 Partner weltweit veredeln und verkaufen die Lösung. SAP liefert dabei vorkonfigurierten Content, den die Partner weiter an spezifische Branchen anpassen. Mit Rapid-Deployment Solutions liefert die SAP zudem auch Business Content und Learning-Inhalte.
SAP-Partner folgen bei der Implementierung der ASAP-Methodologie. ASAP bedeutet Acclerated SAP. ASAP besteht aus einer Roadmap, die detailliert alle im Projektverlauf auszuführenden Aktivitäten vorgibt, ergänzt durch unterstützende Werkzeuge, Beispiele und Checklisten. ASAP gliedert sich in die Phasen Projektvorbereitung, Business Blueprint (Entwurf des SAP-Systems nach ausgiebiger Analyse der Geschäftsprozesse), Realisierung, Produktionsvorbereitung und Go-Live. (pg)