Gesamtschuldnerische Haftung

Gema und Co. - Auch Händler tragen Abgabenrisiko

07.11.2008
Gema, VG-Wort, ZPÜ - alle Verwertungsgesellschaften langen kräftig zu. Und alle Beteiligten in der Lieferkette haften gesamtschuldnerisch. Selbst der Händler ist zu Abgaben verpflichtet, wenn nicht der Lieferant die Last trägt. Und das gilt auch für jeden MP3-Player.
Foto: Detlef Scholz

Vorsicht bei über windige Kanäle importierten MP3-Playern und anderen ITK-Produkten! Denn wenn in Deutschland kein anderer "Inverkehrbringer" ausfindig gemacht werden kann, der auf die Geräte Urheberrechtsabgaben leistet, dann flattert dem Händler unter Umständen eine Forderung der Gema, der VG-Wort oder des Dachverbands, der Zentralstelle für private Überspielungsrechte (ZPÜ), ins Haus. Denn wegen der gesamtschuldnerischen Haftung kann jeder Beteiligte der Lieferkette, vom Hersteller über den Importeur und Distributor bis hin zum kleinen Straßenhändler, in die Pflicht genommen werden.

Der Fall Apple

Groß war daher die Aufregung, als Apple mit Europa-Hauptsitz in Irland nicht mehr einsehen wollte, für den iPod oder auch das iPhone über den MP3-Obolus von 2,56 Euro hinausgehende Urheberrechtsabgaben zu tragen. Denn seit Anfang des Jahres fordern die Verwertungsgesellschaften auch Abgaben auf digitale Speichermedien - allerdings in unbestimmter Höhe. Gesetzlich ist Apple als nicht in Deutschland ansässig laut einem Händler auch gar nicht verpflichtet, die Urheberrechtsabgaben zu leisten. Vielmehr ist es eben der Inverkehrbringer. In diesem Fall wurden von der Presse die Distributoren Ingram Micro und Tech Data genannt.

Wenn alle Forderungen von ZPÜ und Co. durchgingen, würde sich der "iPod classic" mit 120 GB (Ende September für rund 340 Euro angeboten) laut Branchenkennern um 120 Euro verteuern. Bisher nicht geklärt ist, welche Abgaben auf multimedia-fähige Handys anfallen. Die Gema fordert so viel wie für MP3-Player plus Abgaben für vorinstallierte Töne. Wie dem auch sei: Erst als etliche Handelshäuser drohten, die Produkte des US-Unternehmens aus dem Sortiment zu nehmen, und Ingram Micro sowie Tech Data für den "Risikoaufschlag" entsprechende Preiserhöhungen für Oktober ankündigten, lenkte Apple ein. Rückwirkend zum 1. Januar 2008 übernimmt der Hersteller das Risiko für anfallende Urheberrechtsabgaben und hat somit sein Weihnachtsgeschäft gerettet.

Republikflüchtige Unternehmen?

"Sollte die ZPÜ mit ihren Forderungen durchkommen, würden etliche Unternehmen, darunter auch große, Deutschland den Rücken kehren", meint Michael Thedens, Sales Manager bei Transcend und Mitglied in diversen Bitkom-Ausschüssen, die sich mit dem Thema beschäftigen. Sein Unternehmen übernehme das volle Risiko und biete Händlern somit eine hundertprozentige Rechtssicherheit. "Wichtig: Fragen Sie auf jeden Fall Ihren lokalen Lieferanten, wie dieser zum Thema Urheberrechtsabgaben und Gesamtvertrag steht. Denken Sie immer dran: Alle Beteiligten haften gesamtschuldnerisch", lautete sein Rat an Fachhändler in einem Vortrag über Urheberrechtsabgaben.

In Mitteleuropa, in Spanien und in Griechenland werden die vollen Abgaben fällig.

Mit GEZ-Gebühren können für einen voll eingerichteten Arbeitsplatz mit MP3-Player, Multifunktionsgerät, DVD-Brenner, DVD-Rohling und PC Abgaben von 406,64 Euro fällig werden, rechnet Thedens anhand von Bitkom-Daten vor. In vielen Ländern Europas werden weit weniger oder gar keine Urheberrechtsabgaben eingetrieben. Dass das Thema in der Öffentlichkeit nicht breitgetreten wird, hat laut Thedens vielleicht damit zu tun, dass "Journalisten auch nur Künstler" sind und teilweise um ihre VG-Wort-Einnahmen bangen.

Abgaben von mehr als 400 Euro für einen voll eingerichteten Arbeitsplatz in Deutschland sind ein Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Ländern.

Abgabenlast ist ungeklärt

Der Gesetzgeber hat laut Rudolf Reim, Euronics-Bereichsleiter CE, die Urheberrechtsgesetze auf den Weg geschickt und festgelegt, dass sich die Verbände wie beispielsweise der Bitkom auf der einen und ZPÜ und Co. auf der anderen Seite über die Modalitäten einigen sollen. Das ist bei einigen Produkten wie etwa bei MP3-Playern aber noch nicht erfolgt. Die Höhe der geforderten Abgaben je nach Speicherkapazität bewegten sich exponentiell nach oben, klagt ein Distributionsvertreter. "Teilweise sind bei der Höhe der Abgabenforderungen Summen im Gespräch, die nicht mehr nachvollziehbar sind", so Reim.

In Österreich gibt es schon eine Regelung, aber die geht Herstellern und Händlern in Deutschland zu weit. Dass Flash-Speicherkarten abgabenpflichtig sein sollen, obwohl diese meist in Kameras für Privatzwecke und nicht zum "Heruntersaugen von Daten" genutzt werden, halten viele für überzogen. Reim fordert die Verhandlungspartner auf, endlich Handlungssicherheit herzustellen. "Die Vermarktung von Musik hat sich seit Beginn der Diskussion um die Urheberrechtsabgabe gewandelt. Es wäre angebracht, diese geänderten Marktgegebenheiten bei der Findung einer Lösung der Abgabenhöhe realistisch zu berücksichtigen", so Reim.

Etliche Forderungen der Verwertungsgesellschaften sind noch umstritten. Im Dezember 2007 hat der Bundesgerichtshof Drucker für nicht abgabenpflichtig erklärt. VG-Wort fordert aber 10 bis 300 Euro pro Gerät und legte Verfassungsbeschwerde ein. Multifunktionsgeräte sind laut einem BGH-Urteil von Anfang des Jahres allerdings abgabenpflichtig, und zwar in der Höhe, die auch für Kopierer gilt. Je nach Größe und Leistung werden hier zwischen 38 und 613 Euro fällig.

Gegen das Urteil legt wiederum Hewlett-Packard Verfassungsbeschwerde ein, hat aber vorsichtshalber die Kopierfunktion von Multifunktionsgeräten gekappt. Was PCs angeht, schlägt die Schiedsstelle eine Abgabe in Höhe von 15 Euro plus 9,21 Euro für den Brenner vor. Demnächst steht eine Entscheidung des Oberlandesgerichts München an. Zur Frage, was mit MP3-fähigen Handys geschieht, wird die Schiedsstelle erstmals in wenigen Monaten entscheiden. Laut Bitkom und Transcend müssen die Unternehmen für diese langen Entscheidungsprozesse Rückstellungen von bis zu zwei Milliarden Euro bilden.

Der zweite Korb

Strittig ist, wie gesagt, die Abgabenhöhe auf Speichermedien. Die Forderungen gehen heute schon weit über die 2,56 Euro für einen MP3-Player hinaus. Jedes Gerät oder Speichermedium, das zur Vervielfältigung von urheberrechtlich geschützten Inhalten genutzt werden kann, ist grundsätzlich abgabenpflichtig. Die Abgabe bemisst sich an der tatsächlichen, urheberrechtlich relevanten Nutzung der Geräte und muss in wirtschaftlich angemessenem Verhältnis zum Kaufpreis stehen, so die schwammige Regelung. Für einen USB-Stick, der 13,95 Euro kostet, können die Verwerter also nicht 15 Euro Abgaben verlangen. Solange man sich nicht auf neue geeinigt hat, gelten die alten Abgabentarife für maximal zwei Jahre fort.

Was die Forderung von Abgaben für USB-Sticks, Speicherkarten, Festplatten und dergleichen angeht, spricht man auch vom "zweiten Korb". Das neue Urheberrechtsgesetz für diese Produkte lässt allerdings laut Thedens noch viele Fragen offen. Etwa die über die wirtschaftliche Angemessenheit oder den Wert der Privatkopie. Der Hersteller beziehungsweise der Importeur, im Zweifelsfall auch ein Händler, ist grundsätzlich verpflichtet, monatlich Meldungen über Art und Stückzahl der eingeführten Produkte zu machen. Die ZPÜ empfiehlt eine monatliche Meldung und will die anfallenden Abgaben auch rückwirkend bis zum 1. Januar 2008.

Verwertungsgesellschaften - ein Überblick

Vor etwa 200 Jahren wurden erstmals Urheberrechte eingeführt, und damit entstanden auch Verwertungsgesellschaften in Deutschland.

  • 3 Die Gema (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte) hat mit ihren Vorgängern schon über 100 Jahre auf dem Buckel. 2006 erwirtschaftete sie 874,4 Millionen Euro, 2,6 Prozent mehr als im Vorjahr. 2007 ging der Umsatz wegen Mindereinnahmen im Tonträgergeschäft um 2,8 Prozent zurück.

  • 3 Die VG-Wort wurde 1958 gegründet und vertritt die Rechte von über 325.000 Autoren und 7.800 Verlagen. Von den 92 Millionen Euro Umsatz hat sie 2005 rund 91 Millionen Euro an die Mitglieder, darunter auch Journalisten, ausgeschüttet.

  • 3 Die GVL, Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten mbH, wurde 1958 gegründet und nimmt die Zweitverwertungsrechte der ausübenden Künstler, Tonträgerhersteller, Videoproduzenten und Filmhersteller wahr. Sie ist auch für die Vergabe von Labelcodes auf Schallplatten und CDs zuständig.

  • 3 Die ZPÜ, Zentralstelle für private Überspielungsrechte, ist Dachverband verschiedener Verwertungsgesellschaften und tritt für die Gema zum Beispiel auch als Inkassounternehmen auf.

Meinung des Redakteurs

Obwohl die Tantiemen für die meisten Künstler nur ein kleines Zubrot sind, haben Gema und Co. zum Schutz von Urheberrechten durchaus ihre Berechtigung. Die Forderungen der Verwerter scheinen aber allmählich etwas übertrieben zu sein. Wenn das so weitergeht, wird am Ende noch Papier abgabenpflichtig. Handel und Industrie sind verunsichert. Eine schnelle Einigung der Verbände ist daher unbedingt erforderlich.