Von Jürgen Kotschenreuther
Einen ruinösen Preiskrieg und einen scharfen Verdrängungswettbewerb das prophezeit Michael Padberg dem TK-Fachhandel: "Die großen Carrier und Service Provider drängen in das Kerngeschäft der Fachhändler, ein erster Carrier hat bereits TK-Anlagen für einen Euro verschenkt, und es ist abzusehen, dass sie künftig massenhaft Hardware in den SME-Markt schieben werden", sagt der Vorstandsvorsitzende des TK-Spezialdistributors Partners in Europe (PiE).
Die regulatorische Entbündelung der Teilnehmeranschlussleitung (TAL) beziehungsweise des Zugangs ("IP-Bitstrom"), die großen Fortschritte bei VoIP und die zunehmende Verfügbarkeit breitbandiger Zugangstechnik wie zum Beispiel SHDSL, die den klassischen Primärmultiplexanschluss S2M überflüssig macht, sind nach Padbergs Ansicht die Hauptfaktoren für den neuen Wettbewerb. Einige Carrier und Provider, beispielsweise Arcor, Colt und QSC, seien schon emsig dabei, Distributoren, Reseller und Geschäftskunden für ihre IP-Telefonie zu gewinnen; weitere gingen in Stellung. Der große Angriff steht nach Padbergs Einschätzung allerdings noch bevor. "Der Markt wird sich in den nächsten drei bis vier Jahren drastisch verändern. Die klassische Distribution läuft sich tot, wenn wir nicht neue Geschäftsfelder besetzen. Im reinen Wettbewerb über Preis und Rabatt gehen unsere Fachhandelspartner und letztlich wir selber kaputt, diesen Kampf werden wir verlieren."
Eine besonders große Gefahr für seine Partner sieht Padberg, wenn Carrier und Provider via Breitbandzugang Managed Services anbieten. Den Fachhändlern blieben nur noch die primitive Installationsleistung zum Pauschalpreis und der große Ärger in Problemfällen mit entsprechender Nachverrechnung des Lohns für zusätzlich erforderliche und erbrachte Arbeiten. "Das gleicht ja schon fast einer Versklavung", sagt Padberg.
Statt sich von Carriern und Providern seine Kunden wegschnappen zu lassen, sollen Fachhandelspartner selbst zum Provider werden, hochwertige Dienstleistungen mit attraktiven Margen anbieten sowie Endkunden ganzheitlich und dauerhaft betreuen von der Hardwarelieferung über Installation, Service und Wartung bis hin zur Abrechnung.
PiE hat dafür das VoIP-Portal XSip ins Leben gerufen. Es gibt den Fachhändlern die Möglichkeit, zu Providern zu werden und die Bindung ihrer Endkunden zu stärken. "Das XSip-Portal eröffnet Fachhändlern sehr gute Chancen, den neu entstehenden Markt zu besetzen und attraktive Geschäfte zu machen", meint Padberg. Das Unternehmen plant in naher Zukunft weitere Angebote wie Managed Services, Netzwerk-Tools und mehr.
Zwar sieht sich Padberg nach eigenen Angaben noch in der Rolle des Missionars. Das Problembewusstsein im Fachhandel im Hinblick auf die kommende große Marktveränderung sei noch kaum vorhanden und der Leidensdruck der Partner gering. Dennoch ist der Manager überzeugt, dass der Channel auf die Veränderung rechtzeitig vorbereitet werden müsse, nämlich durch Sensibilisierung und Aufklärung sowie breit angelegte Schulung, Qualifizierung und Ausbildung. Padberg glaubt an den Erfolg. "Wir wollen in der nahen Zukunft extrem wachsen und Marktführer in unserem Geschäftsgebiet sein."
Die Weichen wurden gestellt. So wurde das Unternehmen personell verstärkt, Unternehmenskultur und interne Kommunikation wurden auf Werte wie Offenheit, Transparenz, Vertrauen, Qualifikation sowie unternehmerische, gesellschaftliche und individuelle Verantwortung eingeschworen. Ferner wurde die externe Kommunikation um die Kundenplattformen "Partnertreffen" und "Service Partner Community" sowie "Herstellertage", Roadshows, (Haus-)Messen und weitere Aktivitäten wie etwa das "PiE Forum für Handel, Hersteller, Politik und Medien" bereichert.
Besonders hohen Stellenwert und eine große Verantwortung im Hinblick auf die zu erwartende massive Marktveränderung hat aus Sicht von Padberg die unternehmenseigene Akademie. Ihre Aktivitäten können dazu beitragen, Know-how-Lücken bei den Channel-Partnern zu beseitigen, deren Professionalisierung voranzutreiben und letztlich Wachstum zu fördern, meint Padberg. Die Akademie ist organisatorisch Teil des zentralen Marketings und bietet den Fachhandelspartnern ein breit gefächertes Angebot an Workshops, Seminaren und Schulungen zur Höherqualifizierung sowohl in der Technik als auch in den Bereichen Marketing und Vertrieb. Dass die Weiterentwicklung der Qualifikation und Professionalität der Partner dem Unternehmen sehr wichtig ist, beweist das im Bonusprogramm eingebaute Anreizsystem: Erfolgreiche Partner bekommen Rabatte auf Akademie-Angebote angerechnet.
Klare Rollenverteilung Die Inhaber
Die Padberg-Gruppe gehört den Brüdern Michael und Thomas Padberg, beide gebürtige Münchner.
Michael Padberg (49) ist gelernter Bankkaufmann und zeichnet für die strategische Firmenentwicklung und das Controlling verantwortlich. Fernmeldemeister Thomas Padberg (45) ist für das operative Geschäft, Technik, Service und EDV zuständig.
Partners in Europe AG
Die Partners in Europe AG mit Sitz in Etterschlag wurde 1997 gegründet, ist heute nach eigenen Angaben größter Siemens-Partner und kooperiert darüber hinaus mit Alcatel sowie mit Agfeo, Aastra DeTeWe, Auerswald, Funkwerk, GN Netcom, Multinet, Plantronics, Servonic, Sonicwall, Telef??nica, Tiptel, X-Phone, X-Voice und weiteren Firmen. Das Unternehmen gehört zur Padberg AG und bedient den deutschen und österreichischen ITK-Fachhandelsmarkt. Den schweizerischen Markt bearbeitet das Schwesterunternehmen EGTel AG in Adliswil bei Zürich. Zur Holding gehören darüber hinaus die PiE Leasing AG und das Systemhaus PTC Telecom. Die Padberg-Gruppe betreibt im Rahmen eines zentralen Marketings eine Akademie und ein Callcenter.
Vorsitzender des Aufsichtsrates ist Werner Schmücking, ehemals Mitglied des Bereichsvorstandes der Division Information and Communication Networks der Siemens AG.
Meinung des Autors
Die Partners in Europe AG hat eine Erfolg versprechende Unternehmensstrategie entwickelt, die Fachhandelspartnern zu neuen, attraktiven Geschäf-ten im Segment konvergente ITK-Lösungen für kleine bis mittlere Unternehmen verhelfen soll. Sie stärkt dadurch deren und die eigene Marktposi-tion gegen neue Wettbewerber aus der mächtigen Liga der Carrier und Service Provider.