In voller Körpergröße baut sich Peter Schreiber vor Karl Kloos* auf. "Was kann ich bei Ihnen kaufen?", fragt er. "Sensoren", antwortet der Key-Account-Manager eines Elektronikherstellers. "Auch Regensensoren für Autos?" "Ja", erwidert Kloos. "Und was kostet so ein Teil, das ..." Geschwind nennt der Trainer einige Produktmerkmale. "Das kann ich Ihnen so nicht sagen. Das hängt davon ab ... ", weicht Kloos aus. "Wie viel?", hakt Schreiber nach. Unruhig rutscht Kloos auf dem Stuhl hin und her, bevor er sagt, der Einzelpreis betrage 23 Euro.
Daraufhin fängt Schreiber, ganz Einkäufer, laut an zu protestieren, ob Kloos die Marktpreise nicht kenne. Ihm liege ein 20 Prozent niedrigeres Angebot vor. Woraufhin Kloos kleinlaut einräumt, "so zehn bis 12 Prozent" Preisnachlass seien "noch drin". Doch Schreiber lässt nicht locker: "Und wenn ich in den nächsten Jahren jeweils 20.000 Stück kaufe?" Dann seien, erwidert Kloos, noch vier, fünf Prozent mehr möglich. Damit gibt sich Schreiber zunächst zufrieden.
90 Prozent des Gewinns verschenkt
"Wissen Sie, was eben passiert ist?", fragt Schreiber den Key-Account-Manager. "Ich führte mit Ihnen eine Preisverhandlung und bekam den Auftrag", antwortet Elektroingenieur Kloos stolz. "Stimmt", kontert Schreiber, "aber Sie haben dafür auf den größten Teil Ihres Gewinns verzichtet. Und dies nur, weil ich Ihnen in Aussicht stellte, dass ich künftig 20.000 Stück pro Jahr kaufe."
"Nehmen wir an, Ihr Unternehmen hat eine Gewinnspanne von rund 20 Prozent", fährt Schreiber fort. "Wenn Sie mir 17 Prozent Preisnachlass einräumen, verzichten Sie auf fast 90 Prozent Ihres Gewinns." Kloos blickt betroffen. Ebenso die anderen Seminarteilnehmer, mit denen Schreiber ähnliche Preisgespräche führte. Auch sie räumten ihm hohe Nachlässe ein. Deshalb mahnt Schreiber: "Leute, kämpft um eure Preise! Denn sie entscheiden weitgehend über den Gewinn eurer Unternehmen."
Welche Relation zwischen dem erzielten Preis und dem Gewinn besteht, verdeutlicht Schreiber am Beispiel eines Herstellers für Zerspanungswerkzeuge. Die Vertriebsmannschaft des Unternehmens erzielt pro Jahr einen Umsatz von 100 Millionen Euro. Die Umsatzrendite beträgt zehn Prozent. Also erzielt das Unternehmen jährlich zehn Millionen Euro Gewinn. Gesteht der Vertrieb den Kunden im Schnitt nur ein Prozent Preisnachlass zuviel zu, sinkt der Umsatz ebenfalls nur um ein Prozent. Der Gewinn sinkt hingegen um satte zehn Prozent, also um eine Million Euro. Um diesen Gewinnverlust auszugleichen, müsste die Vertriebsmannschaft mindestens zehn Millionen Euro Neuumsatz erzielen (siehe Grafik 1). "Und was ist leichter", fragt Schreiber, "einem Bestandskunden ein Prozent weniger ‚Rabatt’ zu gewähren oder neue Aufträge für 10 Millionen Euro an Land zu ziehen?" Einhellige Antwort der Teilnehmer: "Weniger Rabatt gewähren."
Zu den eigenen Preisen stehen
"Aber unsere Kunden interessiert nur der Preis", wendet einer der Teilnehmer, Vertriebsleiter Sven Göttler, ein. Er vertreibt für sein Unternehmen Flansche und Rohre "mit oft mehreren Metern Durchmesser".
"Ist Ihren Kunden wirklich nur der Preis wichtig?", hakt der Seminarleiter nach. "Flansch ist Flansch und Rohr ist Rohr", antwortet Göttler lakonisch. Doch Schreiber fragt weiter: "Wie hoch ist Ihr Stammkunden-Anteil?" "Fast 80 Prozent", erwidert der Maschinenbauingenieur zögernd. "Dann interessiert Ihre Kunden nicht nur der Preis. Sonst würden nicht so viele regelmäßig bei Ihnen kaufen, obwohl sie sagen ‚Ihr seid zu teuer’".
Und in der Tat hat Göttlers Unternehmen seinen Kunden nach genauerer Analyse einiges zu bieten: Der Flansch-Anbieter ist für seine Kunden rund um die Uhr, sieben Tage in der Woche erreichbar. Am Telefon sitzen erfahrene Techniker. Aufgrund seiner hohen Produktionskapazität kann das Unternehmen schnell und stets termingerecht liefern. Wegen der räumlichen Nähe zu vielen Schlüsselkunden gibt es zudem keine Transportprobleme. Punkte, von denen Göttler - ganz Ingenieur - nie dachte, dass sie für Kunden wichtig sein könnten. Und schon gar nicht, dass sie hierfür mehr Geld bezahlen. "Lasst euch von Aussagen wie ‚Ihr seid zu teuer’ nicht beeindrucken", betont Schreiber deshalb. "Steht zu eurer Leistung und euren Preisen. Ihr könnt zwar nicht verhindern, dass in euren Märkten die Preise sinken. Ihr könnt aber mit beeinflussen, wie schnell sie sinken."
Göttler bleibt skeptisch. Seit Jahren versucht er, bestimmte Kunden zu knacken. Immer wieder hört er: "Ihr seid zu teuer". Doch liegt es wirklich am Preis, dass er bei diesen Kunden nie einen Auftrag landet? Die Seminarteilnehmer gelangen zur Erkenntnis: Vermutlich nicht! Vielmehr besteht keine persönliche Beziehung zwischen Göttler und diesen potenziellen Kunden. Sie bitten ihn zwar um Angebote, aber nur um zu ermitteln, was der Markt hergibt. Mit seinem Angebot konfrontieren sie dann ihre Stammlieferanten, um die gewünschten Preisnachlässe zu erreichen.
Auch mal auf ein Angebot verzichten
Schreiber empfiehlt Göttler: "Sprechen Sie die Kunden direkt auf Ihr Problem an. Sagen Sie bei der nächsten Anfrage: Lieber Kunde, ich habe Ihnen schon mehrere Angebote unterbreitet, bei denen ich preislich bis zum Äußersten ging. Trotzdem luden Sie uns nie zu einem Vergabegespräch ein. Deshalb meine Frage: Was können wir tun, damit wir trotz unseres Preisgefüges eine realistische Chance haben, Ihren Auftrag zu erhalten?" Lautet die Antwort: "nichts, außer die Preise senken", soll Göttler dem Kunden kein weiteres Angebot unterbreiten. Nennt er hingegen andere Faktoren, wie zum Beispiel ein Konsignationslager anlegen oder ein längeres Zahlungsziel, ist Göttler als Anbieter wieder im Boot.
Das Verhalten der Teilnehmer zeigt deutlich: Viele Verkäufer haben das Credo "Wir sind zu teuer" verinnerlicht. Deshalb denken sie, wenn ein Einkäufer sagt "Der Preis entscheidet", sofort: Dann bekommen wir den Auftrag nie. Ähnlich ist es, wenn ein Einkäufer fragt "Ist das Ihr letztes Wort?". Dann denken sie: "Verflucht, wir sind immer noch zu teuer. Wenn ich keinen höheren Rabatt gewähre, verliere ich den Auftrag." Dabei möchten sich Einkäufer mit dieser Frage oft nur vergewissern, ob sie preislich alle Möglichkeiten ausgeschöpft haben.
Dass viele Verkäufer nicht hinter den Preisen ihrer Unternehmen stehen, zeigt sich oft schon zu Beginn der Verkaufsgespräche. Zum Beispiel, wenn der Kunde, nachdem er seinen Bedarf skizzierte, fragt: "Was kostet so was?" Dann beginnen viele Verkäufer herumzueiern. "Das kann ich so nicht sagen ...", "Das hängt davon ab ...". Beim Kunden erzeugt dies das Gefühl, der Verkäufer traue sich nicht, den Preis zu nennen.
Sandwich-Methode für die Preisspanne
Dabei möchte der Kunde zu diesem Zeitpunkt meist nicht den endgültigen Preis erfahren. Er will nur eine Orientierung haben. Deshalb empfiehlt Schreiber, in solchen Situationen eine Preisspanne zu nennen und zwar verpackt nach der so genannten Sandwichmethode. Das heißt: Zunächst soll der Verkäufer dem Kunden einen wichtigen Nutzen des Produkts nennen, dann den Preis, um anschließend eine Frage zu stellen, die das Gespräch inhaltlich vorantreibt.
Bei einem Fertighaushersteller, könnte das Preis-Sandwich beispielsweise lauten: "So eine Doppelgarage mit Satteldach, die zu Ihrem Wohnhaus passt, kostet zwischen 12.000 und 8.000 Euro. Haben Sie schon eine Bauvoranfrage eingereicht?" Das Ergebnis: Der Kunde hat die gewünschte Orientierung und das Gespräch geht weiter.
Ein weiterer fataler Fehler: Weil viele Verkäufer nicht hinter den Preisen ihres Unternehmens stehen, präsentieren sie den Kunden häufig zunächst die preisgünstigste Lösung - aus Angst, der Kunde könnte sofort abspringen, wenn sie ihm den Preis für die beste Ausstattung nennen. Dadurch geraten sie in eine missliche Situation. Wenn der Kunde spezielle Wünsche äußert, müssen sie stets sagen: "Aber das kostet etwas mehr." Der Preis steigt also vor den Augen des Kunden zusehends. Das verdirbt ihm die Laune und belastet seine Beziehung zum Verkäufer. Verkaufspsychologisch sinnvoller ist es, dem Kunden zunächst die "Top-Lösung" zu präsentieren - "selbst wenn dieser beim Preis zusammenzuckt". Dann können die Verkäufer im Gespräch mit dem Kunden durch ein Abspecken der Leistung den Preis allmählich senken. Und der Kunde ist erleichtert, dass das Ganze nicht so teuer wird, wie es zunächst schien.
Den Nutzen für den Kunden sichtbar machen
Ähnliche verkaufspsychologische und -taktische Fehler begehen Verkäufer oft, wenn ein Kunde sagt: "Machen Sie mir ein konkretes Angebot." Hierüber freuen sie sich so, dass sie dem Kunden sofort zusagen: "Morgen liegt es auf Ihrem Tisch." Sie vergessen völlig, vorab zu klären: Hat der Kunde bereits eine Grundsatzentscheidung für die Anschaffung getroffen? Wie hoch ist das Budget? Sie ermitteln auch nicht: Welche Anforderungen stellt der Kunde genau? Wie können wir unsere Chance erhöhen, den Auftrag zu bekommen?
Entsprechend schlecht sind oft die Angebote. Sie gleichen technischen Datenblättern. Aus ihnen geht weder hervor, wofür der Kunde eine Lösung sucht, noch welchen besonderen Nutzen ihm die offerierte Lösung bietet. Stattdessen sollten Angebote kunden- und nutzenorientiert formuliert sein. Doch auch das beste Angebot muss nachgefasst werden. Hierbei sollte der Verkäufer, so Schreiber, zunächst klären, ob das Angebot für den Kunden grundsätzlich interessant ist. Antwortet er "technisch ja, aber ihr seid zu teuer", entschuldigen sich viele Verkäufer für den Preis. Oder sie beginnen mit dem Kunden darüber zu debattieren, ob die angebotene Leistung wirklich teuer ist. So auch die Seminarteilnehmer in den Rollenspielen mit Peter Schreiber. Deshalb sagt der Vertriebsberater: "Erwidern Sie auf den Einwand ‚Ihr seid zu teuer’ doch zum Beispiel lächelnd: ‚Ja, unsere Preise erscheinen etwas höher. Dafür erhalten Sie von uns ...’ ‚ und nennen Sie dann die Vorzüge Ihres Angebots."
Sagt der Kunde daraufhin "Trotzdem ist der Preis zu hoch", sollte der Verkäufer keinesfalls unmittelbar in die Preisverhandlung einsteigen. Vielmehr sollte er sich vom Kunden zunächst nochmals bestätigen lassen, dass sein Angebot technisch dessen Vorstellungen entspricht; außerdem sollte er mit ihm den Lieferumfang klären. Und noch ein Punkt sollte vor Beginn der Preisverhandlung geklärt werden: Kann der Kunde dem Verkäufer den Auftrag unmittelbar zusagen, sofern eine Einigung über den Preis erzielt wird? Anderenfalls reizt der Verkäufer seinen gesamten Spielraum aus und der Einkäufer sagt gegen Ende des Gesprächs: "Ich bespreche das Angebot mit meinen Kollegen." Und einige Tage später fordert er einen weiteren Preisnachlass.
Erst wenn all diese Punkte geklärt sind, sollten Verkäufer sich auf eine Preisverhandlung einlassen. Dabei lautet die oberste Maxime: Kämpft um eure Preise - auch aus verkaufspsychologischen Gründen. "Denn, wie wirkt es auf einen Kunden, wenn ein Verkäufer ihm Preisnachlässe einräumt, ohne sich zuvor mit Händen und Füßen dagegen zu wehren?", fragt Schreiber. Dann ist er weder stolz, dass er so toll verhandelt hat noch gewinnt er das Gefühl, das Optimale herausgeholt zu haben. Das schnelle Nachgeben vermittelt ihm vielmehr den Eindruck "Da war mehr drin". Das rächt sich spätestens bei der nächsten Preisverhandlung.
Kein Rabatt ohne Gegenleistung des Kunden
Bei Preis-Verhandlungen müssen Verkäufer auch gute Kopfrechner sein. Sonst führen die Einkäufer sie schnell aufs Glatteis. Hierfür ein Beispiel: Wenn ein Einkäufer sagt, Ihr seid 15 Prozent zu teuer, dann beginnen viele Verkäufer zu rechnen: Unser Preis beträgt 10.000 Euro. 15 Prozent davon sind 1.500 Euro. Also muss ich mindestens um den Betrag runtergehen. Die Aussage des Einkäufers bezieht sich aber auf das günstigste Angebot. Wenn er sagt, das Angebot sei 15 Prozent zu teuer, liegt ihm also vermutlich ein Angebot von circa 8.700 vor. Die Differenz beträgt also faktisch nur 1.300 Euro. In 98 Prozent der Fälle ist sie sogar niedriger. Warum? Der Einkäufer rundet zu seinem Vorteil auf. Hierüber mit dem Einkäufer zu debattieren, ist aber müßig. Schreiber empfiehlt, zu antworten: "Das heißt, wenn wir 1.000 Euro kompensieren, würden Sie mir den Auftrag erteilen?" Um anschließend zu ergänzen. "Für nur 1.000 Euro mehr erhalten Sie von uns ..." "Aber die Differenz zum günstigsten Angebot betrug bei Ihrem Beispiel doch circa 1.300 Euro", entgegnet Teilnehmer Kai Riegel. Peter Schreiber schmunzelt: "Wer verbietet Ihnen, die Beträge - wie der Einkäufer - zu Ihren Gunsten auf- und abzurunden?"
Eine weitere Maxime für Preisverhandlungen lautet: Keine Leistung ohne Gegenleistung. Möchte ein Kunde weniger bezahlen, muss auch er Zugeständnisse machen. Zum Beispiel auf bestimmte Elemente des Angebots verzichten oder eine größere Menge ordern. Diese Maxime sollten - Verkäufer beim Verhandeln auf alle Fälle beherzigen unter anderem, um den Kunden zu vermitteln: Unsere Preise sind keine Luftnummern, sondern knallhart kalkuliert. Bernhard Kuntz
*Namen der Teilnehmer geändert
Nähere Infos: PETER SCHREIBER & PARTNER, Tel.: 0 70 62/96 96 8, E-Mail: zentrale@schreiber-training.de, Internet: www.schreiber-training.de (gn)