Auf der Jahrespressekonferenz am 21. September 2007 in Madrid gab sich die Acer-Führung rund um Präsident Gianfranco Lanci und Europa-Chef Walter Deppeler recht sicher, die Ende August des Jahres angekündigte Übernahme des US-amerikanischen PC-Herstellers Gateway in trockenen Tüchern zu haben.
Bis zum 1. Oktober läuft das Tenderangebot. Und wenn dann über 50 Prozent der Aktionäre zustimmen und die kartellrechtlichen Fragen hüben wie drüben geklärt seien, stehe dem nichts mehr im Wege, wie Deppeler erklärte.
Nachdem Gateway sich Anfang 2004 eMachines einverleibt und vor Kurzem das Vorkaufsrecht für Packard Bell gesichert hat, kann Acer darauf hoffen, bald drei Unternehmen und mit eMachines vier Marken unter einem Dach zu haben, so der Europa-Chef. Dabei hatte Lenovo schon auf Packard Bell geschielt und war sich im August 2007 noch sehr sicher, den Zuschlag zu bekommen.
Mit Acer, Gateway und Packard Bell soll 2008 ein 20-Milliarden-Dollar-Unternehmen mit geschätzten 24 Millionen verkauften PC-Systemen entstehen, verkündete Lanci stolz und verspricht: "Ende des Jahres werden wir die Nummer drei im weltweiten PC-Markt und die Nummer zwei bei Notebooks sein. Da bin ich mir ganz sicher."
Ohne die geplanten Akquisitionen rechnet Acer für 2007 mit einem Umsatz von 12,5 Milliarden US-Dollar und einem Nachsteuergewinn (PAT) von 250 Millionen Dollar. Durch Economies of Scale, also Größenkosteneinsparungen, und andere Synergieeffekte verspricht sich Acer von den Übernahmen einen Kostenvorteil von mindestens 150 Millionen Dollar, und das ohne geplante Entlassungen.
Angesichts der guten Erfahrungen mit der Übernahme der PC-Sparte von Texas Instruments (TI) vor zehn Jahren komme es Acer nicht zuletzt darauf an, die Leute und die Führungskräfte in den verschiedenen Marken zu erhalten, so Deppeler. Als Vice President ist er wie Lanci seit knapp drei Jahren in der Unternehmensführung – damals ein Novum für einen taiwanesischen Konzern. Beide kamen von TI und haben wesentlich zum Erfolg des Unternehmens in Europa und weltweit beigetragen.
Anders als Hewlett-Packard es mit Compaq seinerzeit getan hat, fährt Acer bei den Übernahmeplänen eine Multi-Brand-Strategie. Das heißt, alle Brands bleiben erhalten, ebenso wie deren Top-Leute und Mitarbeiter. Gateway und die heute niederländische Firma Packard Bell sollen dabei als hundertprozentige Töchter relativ eigenständig bleiben. "Von Land zu Land unterschiedlich können es auch zwei oder drei Brands sein", betonte Lanci und schloss nicht aus, das Gateway-Geschäft auch auf andere Regionen wie etwa Europa auszuweiten. Konkrete Post-Merger-Pläne bezüglich der Positionierung der einzelnen Marken hat Acer noch nicht, wie er sagte. Aber das sei nach sechs Wochen auch nicht zu erwarten. Bei der Übernahme von Compaq durch HP habe er auch keine klare Post-Merger-Strategie erkennen können.
Über die Kosten für die Übernahme von Packard Bell schwieg sich der Acer-Präsident aus. Er sagte nur so viel: "Packard Bell wird uns nur einen Bruchteil der 710 Millionen Dollar kosten, die wir für Gateway bieten." Nachdem das US-Unternehmen am 4. September 2007 die Professional Division verkauft hat, steht auch kein Direktgeschäft im Wege. Denn auch mit den neuen Töchtern will Acer dem indirekten Vertriebsmodell treu bleiben. Ob Dell mit seiner Abkehr vom Direktmodell Erfolg hat, wagt Steve Brazier, Präsident von Marktforscher Canalys, der auf der Pressekonferenz als Sprecher auftrat, zu bezweifeln und predigt eine Konsistenz, wie sie Acer zeige.
Deutschland-Chef Stefan Engel, der selbst mal Journalist werden wollte, hätte die Pressekonferenz mit 'Acer verliert ein Stück Europa-Abhängigkeit' überschrieben. Denn: "Wenn hier eine Rezession ausbricht, würde Acer bei dem hohen Europa-Anteil weltweit in Mitleidenschaft gezogen werden."
Das Europa-Geschäft macht immer noch 52 Prozent des weltweiten Umsatzes von Acer aus. 2006 waren es sogar 55 Prozent. Mit den 3,9 Milliarden Dollar Umsatz, die Gateway einbringen würde, und starkem Wachstum in Asien, speziell China, würde der Anteil tatsächlich sinken, allerdings nur um vier Prozentpunkte auf 48 Prozent. Das Nordamerikageschäft würde anteilsmäßig von 25 auf 34 Prozent zulegen. Packard Bell ist mit voraussichtlich etwas mehr als zwei Milliarden Dollar Umsatz fast nur in Europa vertreten.
Gateway auf Platz vier und Acer auf Platz fünf würden es in den USA nach Stand Q2/07 zusammen auf einen PC-Marktanteil von 11,7 Prozent bringen und damit vor Apple die Nummer drei werden. Allerdings verliert Gate-way gegenüber der Steve-Jobs-Company in den USA so stark, dass Mitbewerber in Taiwan schon Zweifel daran hegen.
Gateway macht 93 Prozent Umsatzes in Nordamerika, nur sieben Prozent in Europa. Das in Frankreich und in den Benelux-Ländern starke Unternehmen Packard Bell ist zu 98 Prozent von Europa abhängig und nur zu zwei Prozent von Asien. Beide Brands sind sehr Consumer-lastig, während Acer in Westeuropa mit einem neuen Se-tup schon Schritte unternommen habe, das SMB- und Corporate-Business zu stärken, sagt Deppeler.
Besonders weit sei man hier in Deutschland, Italien und Frankreich, den einzigen Ländern, in denen Acer auch Server in den Fokus gerückt habe. Stolz ist der Europa-Chef auf über 50 Prozent Notebook-Wachstum in EMEA und will 2008 in allen Märkten auf 20 Prozent Wachstum kommen. Mit der Multi-Brand-Strategie werde man da sicherlich eher Erfolg haben als mit nur einer Marke. "Mich persönlich würde es nicht stören, wenn die eine Marke vor der anderen ist, solange beide uns gehören", postuliert Deppeler.
Seit Chairman JT Wang und Präsident Gianfranco Lanci Anfang 2006 signalisiert haben, dass Acer Merger und Akquisitionen nicht mehr ausschließe, lief die Gerüchteküche heiß rund um das Thema Acer und Übernahmen. Zuletzt gab es sogar Spekulationen, dass Michael Dell an dem taiwanesischen Unternehmens interessiert sei. Am 27. August 2007 platzte dann die Bombe, als Acer die geplante Übernahme von Gateway bekannt gab und damit eben auch die Option auf Packard Bell. (kh)