Vertriebstraining, Teil 2

Full Metal Sales oder Powerselling mit Wertschöpfung

26.03.2015 von Lars Wegner
Warum im Vertrieb ein Trick durchschaut wird und Mehrwert durch Leistung bleibt.

In einem meiner letzten Seminare sprach ich mit einigen Teilnehmern über den Streifen "The Wolf of Wallstreet". Kaum ein Verkäufer, der nicht eine Mischung aus Bewunderung und Faszination für den Hauptcharakter empfindet. In dem gesellschaftskritischen Film über den Finanzdienstleister-Boom Ende der 80er Jahre wird ein äußerst erfolgreicher Verkäufer von Wertpapieren porträtiert. Sein Stil, die Menschen mitzureißen, die für ihn arbeiten, hat tatsächlich etwas geradezu Magisches.

Gute Verkäufer können Menschen durchaus rhetorisch so beeinflussen, dass sie etwas tun, was sie eigentlich gar nicht wollen. Aber nur dann, wenn sie ihnen keine Zeit lassen, die Entscheidung zu überdenken.
Foto: Gabriel Blaj - Fotolia.com

Mit Worten hypnotisieren

Der Mann "überzeugt" seine Mitarbeiter durch aufputschende und rhetorisch perfekt modellierte Reden davon, dass Reichtum das einzige Ziel im Leben sei. Folglich ist jedes verkäuferische Mittel recht, um dieses Ziel zu erreichen – und so fallen dann auch die Verkaufsgespräche aus. Als Zuschauer kann man der Faszination kaum entfliehen, mit der Kunden durch rein sprachliche Mittel zum Kauf teilweise wertloser Wertpapiere überredet werden. Ein "Nein" wird nicht akzeptiert. Die Formulierungen haben etwas Hypnotisches, die Kunden werden abgezockt und die Verkäufer sonnen sich in Geld und Erfolg. Das Ziel ist der Reichtum der Verkäufer. Der Kunde ist die Beute, ein blödes Opfer, das auch noch verhöhnt wird.

Ironischerweise erinnern mich die Ansprachen des Protagonisten zeitweise an den Kriegsfilm "Full Metal Jacket", der unter anderem die Ausbildung junger Rekruten für den Vietnamkrieg beschreibt. Der Drill-Sergeant nutzt viele farbenfrohe Metaphern, heizt seinen Leuten rhetorisch richtig ein und verspricht ihnen auch einen"'Lohn", den sie aus der menschenunwürdigen Behandlung ziehen werden: Heldentum, fairen Umgang und ein höhere Wahrscheinlichkeit zu überleben.

Das Hauptproblem: Es funktioniert

Das Hauptproblem an solchen Vertriebsansätzen ist, dass sie leider funktionieren. Sie können Menschen durchaus rhetorisch so beeinflussen, dass sie etwas tun, was sie eigentlich gar nicht wollen. Aber nur dann, wenn Sie ihnen keine Zeit lassen, die Entscheidung zu überdenken. Also vor allem im privaten Konsum oder bei der Terminvereinbarung. Dafür müssen Sie allerdings oft mit einer hohen Stornoquote, Beschwerden und wenig qualifizierten Terminen leben. Im Endeffekt bedienen Sie also die Statistik.

Aber wie sieht es bei Investitionsgütern in der ITK-Branche aus? Sie können sich einen Termin "erdrücken", klar. Aber was dann? Der Kunde wird nicht sofort entscheiden, sich mehrere potenzielle Geschäftspartner anhören und in Ruhe und eventuell auch nach objektiven Kriterien urteilen. Und die Chance auf Objektivität haben Sie sich wahrscheinlich schon verbaut, weil der Kunde merkt, dass da etwas nicht mit rechten Dingen zugeht.

So werden Ihre Verkaufstrainings ein Erfolg
Das richtige Schulen von Verkäufern
Firmenchefs und Vertriebsleiter sollten die folgenden zehn Praxistipps beim Schulen ihrer Verkäufer beachten (Quelle: Rhetorik- und Verkaufstrainer Ingo Vogel, www.ingovogel.de).
Tipp 1
"Aus einem Ackergaul kann man kein Rennpferd machen." So lautet ein Sprichwort. Dasselbe gilt für Verkäufer. Achten Sie also bei der Personalauswahl darauf, ob ein neuer Mitarbeiter das Potenzial zum Top-Verkäufer hat. Das reduziert den Trainingsbedarf.
Tipp 2
Fehlendes Fachwissen kann man Verkäufern recht einfach vermitteln. Anders sieht es bei der Lust am Umgang und Gespräch mit anderen Menschen aus. Ebenso verhält es sich mit der persönlichen Ausstrahlung, die nötig ist, um als Verkäufer Menschen für sich zu gewinnen. Achten Sie also bei der Personalauswahl vor allem darauf.
Tipp 3
Analysieren Sie genau, wofür Ihr Geschäft oder Unternehmen steht. Ist es zum Beispiel ein Premiumanbieter? Ist Ihnen eher der schnelle Umsatz oder eine langfristige Kundenbeziehung wichtig? Aus solchen und anderen Faktoren können Sie ableiten, was Ihnen im Kontakt Verkäufer-Kunde besonders wichtig ist und welche Fähigkeiten und Eigenschaften Ihre Verkäufer folglich haben sollten.
Tipp 4
Checken Sie anschließend, über welche fachlichen, verkäuferischen und persönlichen Kompetenzen Ihre Verkäufer bereits verfügen – und wie ausgeprägt diese sind. Dann wird schnell klar, wo noch Trainingsbedarf besteht.
Tipp 5
Bedenken Sie, dass nicht alle Eigenschaften, die einen Top-Verkäufer auszeichnen, für den Verkaufserfolg gleich wichtig sind. So verzeihen Kunden einem Verkäufer zum Beispiel meist kleine Schwächen bei der Produkt- oder Lösungspräsentation, wenn er ihnen sympathisch ist und sie das Gefühl haben: Diesem Verkäufer kann ich vertrauen. Fokussieren Sie deshalb die Trainings auf die "Knackpunkte".
Tipp 6
Verkäufer müssen Kunden für ihre Produkte/Leistungen begeistern. Dasselbe sollten Sie tun, wenn Sie Ihre Mitarbeiter für ein Lernen motivieren und begeistern möchten. Zeigen Sie Ihnen an konkreten Beispielen bildhaft auf, warum es sich für sie (und Ihr Unternehmen) lohnt, an ihrer Kompetenz und Ausstrahlung als Verkäufer zu arbeiten.
Tipp 7
Verkäufer sind meist Macher. Das heißt, langatmiges, "theoretisches" Geschwätz langweilt sie. Sie wollen konkrete Tipps und rasch umsetzbare Hilfestellungen für ihren Arbeitsalltag haben. Achten Sie darauf, dass der von Ihnen engagierte Trainer die Sprache Ihrer Verkäufer spricht. Außerdem sollte er ein Mann (beziehungsweise eine Frau) der Praxis sein.
Tipp 8
Ihre Verkäufer sollen die Kunden zum Träumen bringen, damit diese gegen Ende des Verkaufsgesprächs sagen: "Ja, das will ich haben." Achten Sie darauf, dass auch der von Ihnen engagierte Trainer außer dem Verstand auch das Herz, also die Emotionen Ihrer Mitarbeiter anspricht. Schließlich soll er diese zu einer Einstellungs- und Verhaltensänderung bewegen.
Tipp 9
Denken Sie beim Planen Ihrer Trainings daran: Wissen bedeutet nicht Können. Achten Sie also darauf, dass in Ihren Verkaufsschulungen das angestrebte Verhalten Ihrer Verkäufer auch ausreichend trainiert wird. Und sorgen Sie im Geschäfts-/Vertriebsalltag dafür, dass das Gelernte nicht in Vergessenheit gerät.
Tipp 10
Gestandene Profis – zum Beispiel im Fußballbereich – wissen: Wahre Champions fallen nicht vom Himmel. Sie entwickeln sich durch regelmäßiges Üben, Üben und nochmals Üben – auch im Trainingslager. Gönnen Sie auch Ihren Verkäufern solche Trainingslager – zum Beispiel, wenn die neue Frühjahrskollektion eintrifft, oder wenn Sie ein neues Produkt einführen, oder wenn Sie eine Vertriebsoffensive starten.

Die Alternative: Überzeugen Sie den Kunden wirklich

Die Alternative ist: Sie entscheiden sich von Anfang an dafür, den Kunden wirklich zu überzeugen, indem Sie auf Klarheit und echte Wertschöpfung setzen.

Dazu ein paar Tipps:

1.Überlegen Sie, was Sie, Ihre Leistungen und Ihr Unternehmen eigentlich wirklich vom Wettbewerb differenziert. Vielleicht müssen Sie sich dafür mit einigen Kollegen unterhalten und dieses Thema zum Mittelpunkt Ihres nächsten Vertriebsmeetings machen.

2. Welchen potenziellen Nutzen haben Kunden davon, mit Ihnen und niemand anderem zusammenzuarbeiten? Denken Sie nicht nur an Kostenvorteile, sondern auch an qualitative Aspekte wie die Verbesserung von Arbeitsabläufen oder Kundenzufriedenheit.

3. Suchen Sie sich die geeigneten Kunden, die vermutlich genau die Probleme haben, die Sie lösen können.

4. Suchen Sie aus Ihrem Portfolio ähnliche Referenzkunden und beschreiben Sie, was genau das Problem dieses Kunden war und wie er von Ihren Leistungen profitiert hat. Am besten in Form von Fakten, das heißt mit Zahlen wie Euro oder Prozent.

5. Rufen Sie die zuvor selektierten Neukunden an, beschreiben Sie Ihnen die Erfolgsgeschichte eines Referenzkunden und lassen Sie Ihre Gesprächspartner entscheiden, ob sich ein Termin lohnen könnte. Wenn Ihre Story gut ist, dann wird der Kunde von selbst "Ja" sagen.

6. Bleiben Sie dran, wenn es beim ersten Mal nicht funktioniert. Vielleicht war es nur der falsche Tag, Zeitraum oder Ansprechpartner.

Abschließend noch ein Hinweis: Sollten Sie zu dem Schluss kommen, dass Ihre Leistung eigentlich nutzlos, überteuert und nicht anders als die vom Wettbewerb ist, dann machen Sie es so wie der Wolf of Wallstreet. Aber übertreiben Sie es bitte nicht, denn dem Realvorbild des Protagonisten hat sein Geschäftsmodell eine Haftstraße von drei Jahren eingebracht. Und die ist nur deshalb so mild ausgefallen, weil er zuvor seine Mittäter an die Justiz verpfiffen hat.

Haben Sie Teil 1 der Serie verpasst? Sie finden diesen Beitrag hier. (bw)