Das Software-Geschäft genießt bei Fujitsu derzeit höchste Priorität. Das spiegelt sich nicht nur in den jüngsten Ankündigungen zum herstellereigenen Cloud Store oder im Launch der Web-basierten CRM-Software wieder, mit der Fujitsu jetzt erstmals eine Business-Applikation unter eigenem Label auf den Markt gebracht hat.
"Wir möchten den Anteil des Lösungsgeschäftes am Gesamtumsatz in CEMEA und Italien bis 2015 auf etwa 20 Prozent verdoppeln", sagt Rupert Lehner, der seit April als Senior Vice President den neu gegründeten Bereich Solution Business bei Fujitsu verantwortet, in dem Hardware, Software, Services und Cloud-Dienste des Herstellers gebündelt werden.
Das Portfolio umfasst derzeit Komplettlösungen für SAP, Security, Datacenter Management und Software as Service (SaaS) Angebote. Lehner erläutert, wie Fujitsu den Begriff Lösungsgeschäft definiert: "Software-getrieben, plattformunabhängig und stark geprägt durch die Zusammenarbeit mit Software-Partnern im Channel."
Fokus auf den Cloud Store
Der Cloud Store (frührer "Business Solutions Store") ist ein wesentlicher Motor, über den Fujitsu dieses Lösungsgeschäft ankurbeln will.
Mehr als 50 unabhängige Software-Anbieter (Independent Software Vendors, ISVs) vermarkten aktuell ihre rund 60 Web-basierte Applikationen über den Cloud Store, den Fujitsu im November 2011 unter dem Namen "Businesss Solutions Store" angekündigt hatte, und der zur CeBIT 2012 unter neuem Namen mit 30 Applikationen an Bord startete.
Über diese Plattform bedienen die ISVs derzeit etwa 250 Unternehmenskunden mit insgesamt 700 Nutzern. Das Portfolio umfasst unter anderem Lösungen zu Dokumentenmanagement, Archivierung, ERP, CRM und HR. Seit September bietet Fujitsu über diesen Store auch die selbst entwickelte CRM as a Service-Lösung an, die vorrangig Mittelstandskunden adressiert und mit allen anderen SaaS-Angeboten des Cloud Store integrierbar ist.
"Wir arbeiten derzeit daran, diese Integrationsmöglichkeit für alle Lösungen im Store zur Verfügung zu stellen", so Harald Bernreuther, Head of CRM bei Fujitsu.
Zudem können Endanwender über den Cloud Store auch Teile ihrer Infrastruktur ebenso wie einzelne Geschäftsprozesse mit einer monatlichen Kündigungsfrist als Service beziehen. Der Kunde bezahlt nur, was er tatsächlich nutzt. Damit entfallen die Lizenzkosten. Gehostet werden die Applikationen und Infrastruktur-Ressourcen hierzulande in den Fujitsu-Rechenzentren.
Die Agentur Vogelsänger Event ist einer jener Endkunden. Sie bezieht über den Cloud Store seit März 2012 die Projektmanagement-Software des ISV-Partners BBL Software. "Indem wir die Software als Cloud-Service nutzen, können wir jederzeit mit einem Mausklick die benötigten Funktionalitäten und die Anzahl der Anwender anpassen", berichtet Peter Texter, Geschäftsführer der Event-Agentur. "Das ist grade zum Ende eines Projekts von entscheidendem Vorteil. Besonders schätzen wir auch die Verfügbarkeit des Cloud-Services auf Mobilgeräten."
Greifbares Channel-Konzept in der Cloud
Weshalb der Cloud Store bei den Software-Partnern offensichtlich gut ankommt, erklärt ein Blick auf das Vertriebsmodell. Bei Fujitsus Modell bleibt ausnahmslos der ISV der Vertragspartner des Endkunden - im Gegensatz beispielsweise zum Business Store der Telekom. Damit hat Fujitsu ein zentrales Anliegen der ISVs erfüllt.
Die Anwendungen der ISV-Partner werden über den Cloud Store binnen weniger Stunden cloud-fähig gemacht und online gestellt. Dieser Service ist für den Partner kostenlos. Die Plattform stellt den ISVs und Resellern außerdem sämtliche Tools zur Verfügung, die sie zur Abrechung und zur Vertragsverwaltung benötigen. Unterstützt wird dabei jede Art von Abrechnungsmodell: von minutengenauer Abrechnung, wie sie beispielsweise der ISV-Partner BBL dem Endkunden anbietet, bis hin zur Flatrate, wie sie Fujitsus CRM-Lösung vorsieht.
Nur für die Applikationen, die der Endanwender tatsächlich nutzt, wird Fujitsu prozentual am Umsatz beteiligt.
"Wir sichern außerdem die Rücknahme der Daten für den Fall, dass der Endkunde seine Daten beispielsweise bei sich selbst sichern oder den Anbietern wechseln will. Für Vertriebspartner ist auch das ein wesentliches Argument gegenüber dem Kunden", merkt Harald Bernreuther, Head of CRM bei Fujitsu, an.
Provisions- Modelle für Reseller
Für Partner, die die Cloud-Anwendungen nicht selbst in die Infrastruktur ihrer Endkunden integrieren wollen oder können, übernimmt Fujitsu auf Wunsch diesen Service.
Anfang 2013 will der Hersteller zudem ein Provisions-Modell für jene Reseller aufsetzen, die die Cloud-basierte Software aus dem Store lediglich weitervermarkten möchten: Sie werden künftig im Rahmen der "Lifetime-Provision" prozentual am Umsatz beteiligt, inklusive der Möglichkeit, eigene Dienstleistungen mit einzubringen.
Genaue Angaben zu den Provisionssätzen und Margen will Fujitsu zum Startschuss Anfang nächsten Jahres bekannt gegeben. Einige Pilotpartner testen das Modell derzeit auf Herz und Nieren.
"Der Bezug von Business Apps - auch über einen Online-Store - bleibt nach wie vor ein persönliches Geschäft zwischen Menschen - der Mittelstand kauft auf Augenhöhe. Darum ist es wichtig, Systemhäuser, Reseller und Distribution in diesen Kreislauf mit einzubeziehen", so Andre Kiehne, Vice President Cloud bei Fujitsu Technology Solutions. Diese Vertriebspartner will Fujitsu vor allem über Also Actebis gewinnen.
Kooperation mit Also Actebis
Seit September ist Also Actebis als bislang einziger Distributor mit in den Vertrieb des Cloud Stores mit eingebunden. Über das Partner-Netzwerk des Broadliners will Fujitsu die Business-Applikationen vor allem im Mittelstand bekannter machen.
Momentan übernimmt Also Actebis vor allem die Aufgabe, Partner für die Vermarktung der Cloud-Angebote fit zu machen und sie beim damit verbundenen Wandel des Geschäftsmodells zu beraten. "Wir haben bereits rund 1.300 namentlich bekannte Partner aus unserem Kundenkreis herausgefiltert, die sich konkret für den Vertrieb dieser Software as a Service-Lösungen (SaaS) interessieren", berichtet Heino Deubner, Managing Director bei Also Actebis.
Für das kommende Jahr kündigte Deubner auch eine eigene Aggregations-Plattform an. Sie soll unterschiedliche Cloud-Angebote - Software as a Service (SaaS), Infrastructure as a Service (IaaS) - bündeln, die Vertriebspartner dann an ihre Endkunden weiter vermarkten können. Die nötigen Schnittstellen und Tools zur herstellerübergreifenden Vertragsabwicklung und zur Abrechnung sollen hier ebenfalls zur Verfügung stehen. Es liegt nahe, dass der Fujitsu Cloud Store künftig Bestandteil des Aggregations-Portals sein dürfte.
Konkrete Details zum geplanten Portal und zum Starttermin wollten die Also-Actebis-Manager zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht nennen. Fest steht allerdings, dass auch bei diesem Modell nur der Vertriebspartner den Vertrag mit dem Endkunden schließen kann. Obendrein will Also Actebis ein Zertifizierungsprogramm aufsetzen, das es Partnern ermöglicht, auch Services für die Cloud-Angebote zu erbringen, zusätzlich zu ihren eigenen Dienstleistungen.
Gibt es einen Markt für die Cloud?
"Konservativen Schätzungen zufolge wird der globale Markt für geschäftliche Cloud-Dienstleistungen von 12,1 Milliarden Dollar 2010 auf 36,6 Milliarden Dollar 2015 wachsen, wobei 70 Prozent davon auf Software as a Service entfallen werden", so Deubner, der an Systemhäuser und Reseller appellierte, diese Chancen zu nutzen: "Gerade kleine und mittelständische Unternehmen möchten auch Cloud-basierte Lösungen und Services von einem Partner beziehen, den sie kennen und dem sie vertrauen."
Für BBL-Chef Bernd Langer ist klar, dass generell für Partner mit dem Schwenk zur Cloud nicht nur die Notwendigkeit eines anderen Bereitstellungsmodells verbunden ist: "Wir werden uns künftig noch viel mehr um den Endkunden kümmern und ihm erstklassige Qualität liefern müssen, weil er jederzeit wechseln kann."
Das sagen die Partner
Doch welche Erfahrungen haben die beteiligten ISVs bislang mit dem Cloud Store gemacht? Wie sieht Ihre Bilanz aus?
Für Dr. Dieter Steiner, Geschäftsführer der SSP Europe GmbH, und einer der ISV-Partner, die ihre Applikationen über den Cloud Store vermarkten, hat sich die Zusammearbeit bislang gelohnt: "Wir können uns jetzt auf unser Kerngeschäft, die Entwicklung von Software, konzentrieren. Und obendrein erübrigt sich spezielles Know-how für den Aufbau und Betrieb eines hochsicheren Rechenzentrums."
Der Bekanntheitsgrad von Fujitsu helfe außerdem, Kunden zu erreichen, die andernfalls nicht auf das Angebot des ISVs aufmerksam geworden wären, wie Florian Gumpinger, Geschäftsführer des Software-Entwicklers Verpura hinzufügt.
Für Software-Partner Dirk Kutsche, Geschäftsführer, pro-ite GmbH, sprach vor allem der direkte Support und die flexible Erweiterbarkeit des Groupware-Angebots für die Zusammenarbeit mit Fujitsu: "Über den Cloud Store bieten wir unseren Kunden Open-Xchange Groupware als einfachen und transparenten Cloud-Service. Die Fujitsu Cloud gewährleistet unseren Kunden zertifizierte Sicherheitsstandards und die zuverlässige Datenhaltung in Deutschland."
(rb)