Mehr als 11.000 Besucher aus über 90 Ländern lockte das Fujitsu Forum dieses Jahr nach München. Wie sehr sich Fujitsu gerade um die weit gereisten Kunden bemühte, ließ sich an vielen Details ablesen: Von der koscheren Küche bis hin zu Gebetsräumen mit streng nach Osten ausgerichteten Teppichen bewies der Gastgeber höchste Aufmerksamkeit gegenüber kulturellen Gepfolgenheiten. Selbst das traditionelle Oktoberfest am Abend des ersten Messetags ließ kulinarische Ausreißer zu.
"Wir sind jetzt eine Global Company"
Doch auch hinter der Kulisse versucht Fujitsu seit einigen Jahren, den Dreh zur "Gobal Company" hinzubekommen. "Uns ist diese Transformation gelungen", zog Konzernchef Rod Vawdrey auf der Messe selbstbewusst Bilanz. Dafür hat der Hersteller weltweit die Kräfte für Services, Produktion, Entwicklung und Vertrieb gebündelt. "Wir haben jetzt Strukturen geschaffen, um Standarddienste weit gehend zu zentralisieren und gleichzeitig den einzelnen Regionen die Kapazitäten belassen, um lokalen Besonderheiten gerecht zu werden", konstatierte Vawdrey.
Verbunden mit diesen massiven Umbaumaßnahmen war allerdings auch der Abbau von weltweit rund 5.500 Stellen, darunter 1.500 in der Region Zentraleuropa, Midddle East, Afrika und Indien. Hierzulande wurden zwar in allen Geschäftsbereichen Stellen gestrichen, am meisten traf es allerdings die Verwaltung. Genaue Zahlen, wie viele Mitarbeiter auf Landesebene betroffen sind, gibt es nicht. Deutschlandchef Jürgen Walter will die Maßnahmen bis zum Ende des Jahres abschließen, und dabei auf betriebsbedingte Kündigungen möglichst verzichten.
Der Kraftakt, sich internationaler auszurichten, war für Fujitsu dringend geboten. Denn verglichen mit Dell, HP oder IBM machte hier der japanische Konzern in der Vergangenheit keine wirklich gute Figur. Das spiegelt sich auch in der Bilanz wider: Aktuell trägt das Geschäft in Japan 60 Prozent zum Gesamtumsatz bei. Vawdrey peilt in den nächsten Jahren ein Verhältnis von 50:50 an. "Und wir wollen in allen Geschäftsbereichen schneller als der Markt", schiebt er nach.
Den Channel hierzulande störte die mangelnde globale Power ihres Lieferanten allerdings kaum. Sie schätzen vielmehr, dass Fujitsu - im Gegensatz zu vielen US-Größen - den Channel nicht nur dann heiß umwarb, wenn ihnen das Wasser bis zum Hals stand, sondern auch in guten Zeiten. "Fujitsu war für uns immer berechenbar", bringt es ein Systemhauspartner auf den Punkt. Und Jörg Brünig, der als Senior Director Channel das Partnergeschäft in Deutschland verantwortet, ist bekannt dafür, ihre Interessen beherzt zu vertreten. Jüngstes Beispiel dafür ist die Neuausrichtung der Vertriebsorganisation (Channel Partner berichtete) ebenso wie der hohe Stellenwert, den der Partnerbeirat bei Fujitsu genießt.
Rückzug aus dem Cloud Store
Gespür für Belange der Partner und Kunden beweist Fujitsu aber nicht nur in kulturellen Dingen, sondern auch bei konfliktträchtigen Entscheidungen - dem Rückzug aus dem AppStore-Geschäft beispielsweise.
Vor rund zwei Jahren hatte Fujitsu das Cloud-Store-Projekt mit großem Engagement gestartet. Im Unterschied zu anderen Anbietern war das Vertriebsmodell von vornherein komplett auf die Belange des Channels zugeschnitten
Aber: "Der App-Store-Markt hat sich anders entwickelt als erwartet", beschreibt ein Unternehmenssprecher die aktuelle Situation. Statt externe Stores zu nutzen, richteten Anwender zunehmend selbst unternehmenseigene Software-Portale ein. Gleichzeitig tendierten ISVs, deren Lösungen über den Cloud Store vermarktet werden sollten, eher dazu, eigene Stores aufzusetzen.
Fujitsu werde sich deshalb aus diesem Geschäft zurückziehen, Kunden und Partner allerdings nicht im Regen stehen lassen, wie das Unternehmen weiter betont. Statt den Store selbst zu betreiben, will sich Fujitsu künftig ganz auf die Funktion eines Enablers konzentrieren.
Die rund 100 am Cloud Store beteiligten ISVs wurden bereits über diese Entscheidung informiert. Sie können nach wie vor alle Tools, die Fujitsu im Cloud Store zur Verfügung stellte - beispielsweise zur SaaSifizierung ihrer Apps sowie zu Reporting und Abrechnung - weiterhin nutzen. Zudem lote man derzeit Möglichkeiten aus, um Partnern alle weiteren Tools, die für den Aufbau eines eigenen Stores nötig sind, zu übertragen.
Der Software-Support für die Anwender sei für die Zukunft ebenfalls gewährleistet, da alle Rahmenverträge ausschließlich zwischen ISV und Endkunde geschlossen wurden. "Wir werden niemanden vor den Kopf stoßen, das widerspräche unserer Firmenkultur und unserem Selbstverständnis als verlässlicher Partner", heißt es seitens Fujitsu.
"Wir werden weiter investieren"
Die Restrukturierung auf Konzernebene scheint jedoch erste Früchte zu tragen, wie der Launch der Cloud Management Platform zeigt. Sie ist Bestandteil der im Sommer 2013 vorgestellten weltweiten Fujitsu Cloud Initiative, die sich inzwischen auf einen Verbund von weltweit 100 Rechenzentren stützen kann. Letzteres ist ebenfalls ein Ergebnis des Umbaus.
Hinzu kommen 18 Cloud-Zentren, Ende 2014 sollen es 26 sein. "Wir werden aber auch in der EMEA-Region verstärkt in neue Services und Solutions investieren", versprach Vawdrey. Weltweit erwirtschaftet der Hersteller schon heute die Hälfte des Umsatzes, 6,4 Milliarden Euro, mit Services.
Klotzen mit SAP HANA
Auf dem Forum wartete Fujitsu auch mit zahlreichen Neuerungen auf. So haben die Primquest-Server, die für den hausinternen oder Cloud-basierten Betrieb von SAP HANA und ERP ausgelegt sind, zwei Rekordmarken geknackt: Die Server für die In-Memory-Datenbanken skalieren jetzt bis zu 12 Terabyte. Und pünktlich zur Messe konnte Hans-Dieter Wysuwa, der als Executive Vide President auf Konzernebene den Bereich Produkte, Systeme, Technologie und Channel verantwortet, die 300ste SAP-HANA-Installation auf Primquest Servern bekannt geben.
Außerdem kündigte Wysuwa die sofortige Verfügbarkeit der jüngsten Version des FlexFrame Orchestrator an, der imstande ist, komplett virtualisierte, kombinierte SAP ERP und HANA Umgebungen zu erstellen. SAP hatte erst kürzlich das Lizenzmodell so angepasst, dass HANA jetzt auch multimandantenfähig und damit virtualisiert einsetzbar ist.
Cloud Integration Platform
Silicon Photonics Projekt
Analysten zufolge soll sich in den kommenden drei Jahren der weltweit über Rechenzentren abgewickelte Datenverkehr vervierfachen. Bei der High-Speed-Datenübertragung verursacht die heutige Netzwerktechnologie aber schon jetzt Einschränkungen und Engpässe zwischen den drei wichtigsten Komponenten in Rechenzentren: Servern, Speicher-Systemen und dem Netzwerk.
Zusammen mit Intel hat Fujitsu die Hochgeschwindigkeitstechnologie "Silicon Photonics" entwickelt, die auf dem Forum erstmals außerhalb eines Labors als voll funktionierender Proof of Concept demonstriert wurde. Mit dieser Technologie können Daten in Lichtgeschwindigkeit übertragen werden. "Silizium-basierte Photonik stellt einen technologischen Durchbruch dar, der das Design und die Funktionalität von Rechenzentren grundlegend verändern und den Weg für ein anwendungsoptimiertes Server-Design ebnen wird", kündigte Joseph Reger, Chief Technology Officer, International Business bei Fujitsu, an. Die Technologie ermöglicht die Trennung von Server- und Speicherressourcen. "Es gibt überhaupt keinen Grund, warum Server- und Storage-Systeme weiter eine Einheit bilden sollten, wenn sich durch deren Trennung die Effizienz beträchtlich steigern lässt", so Reger.
Einen großen Wurf legte Fujitsu außerdem mit dem Launch der Cloud Integration Plattform hin, mit der Unternehmen sowohl Cloud-basierte als auch on-premise-ITK-Systeme zentral managen und automatisiert bereitstellen können. "In einigen Jahren werden Unternehmen bis zu 30 unterschiedliche Cloud-Dienste nutzen. Um das zu managen brauchen sie eine Möglichkeit, diese Services zu integrieren, zu aggregieren und zu managen", führte Cameron McNaught, Fujitsu Executive Vice President Solutions, aus. Die Cloud Integration Platform ermögliche es CIOs zu "Cloud Enablern" zu werden.
Die Plattform lässt sich on-premise oder Cloud-basiert implementieren und damit in Eigenregie verwalten oder als Managed Service beziehen. Sie umfasst Tools für Zugriffskontrolle, Provisioning, Systemüberwachung, End-to-End-Service-Management sowie Datensicherheit und -management. Ausgewählte Fujitsu-Kunden können die Plattform ab sofort in einer Pre-Release-Version testen.
Storage-Linien ausgebaut
Neuheiten gab auch im Storage-Segement mit den Eternus DX S3 Plattenspeicher und Eternus CS8000 Linien zu sehen. Diese für den Entry- und Midrange-Bereich ausgelegten Systeme sollen verhindern, dass der Storage in Infrastrukturen, die hohe Performance und Kapazitäten erfordern, zum Flaschenhals wird.
Durch den Einsatz der neuen Intel-Prozessoren, die Fujitsu bereits vor der für 2014 angekündigten Verfügbarkeit nutzen konnte, erhöhte sich die Performance der DX S3 Einstiegslinie um den Faktor fünf. Das schaffte bislang nur das Midrange-Modell. Obendrein vereint die DX S3 jetzt File und Block-basierten Storage in einem System und lässt sich mit SAN- und NAS-Konnektivität konfigurieren. "In Zukunft wird es auch ein System geben, das sowohl Block-, File- und Objekt-Storage in einem System vereint", kündigte Fujitsu-CTO Dr. Joseph Reger an.
Erstmals ist es außerdem möglich, die Systeme bis zu 90 Prozent auszulasten. Die Faustregel, wonach die Systemauslastung maximal 50 Prozent betragen sollte, um kurze Antwortzeiten zu gewährleisten, ist damit außer Kraft gesetzt. Zudem können Anwender Prioritäten für das Backup festlegen.
Die neue Version der Eternus CS8000 Unified Backup & Archiving Appliance eignet sich vor allem für für IT-Umgebungen mit starkem Datenwachstum. Sie bietet 300 Prozent mehr Speicherkapazität und einen um 50 Prozent höherer Datendurchsatz. Die Datendeduplizierung erfolgt bei diesem System nicht nur im Backend sondern auch im Frontend, weshalb sich auch große Datenvolumina ohne Leistungseinbußen managen lassen. Erweiterte Backup-Funktionen ermöglichen zudem, Cloud-Ressourcen und Remote-Standorte einzubinden. Alle Produkte sollen ab Dezember verfügbar sein.
Den Nerv getroffen
Dass Fujitsu mit den Schwerpunkten rund um Datacenter und Services den Nerv der Besucher getroffen hat, zeigte sich vor allem an den Expert Talks. Hier können sich Kunden von einem Fujitsu-Experten zu spezifischen IT-Themen beraten lassen. 477 Einzel-Meetings absolvierten die Experten. Data Center Management und Prozessautomatisierung, Service-Optimierung und BYOD waren dabei die meist gefragten Themen. (rb)