Schneller als erwartet hat der Elektronikversender Cyberport die Umsatzschwelle von einer halben Milliarde Euro übersprungen. Im Exklusivinterview mit ChannelPartner erklärt Geschäftsführer Olaf Siegel, welche Rolle die stationären Stores für die Entwicklung des Onlinehändlers spielen, wie Cyberport sein Wachstum fortsetzen will und welche Hürden es dabei in der Zusammenarbeit mit den Herstellern zu überwinden gilt.
Mit einer Umsatzsteigerung von 48 Prozent auf 538 Millionen Euro in 2012 hat Cyberport in der Branche für Aufsehen gesorgt. Woher kommt Ihrer Meinung nach dieses starke Wachstum?
Olaf Siegel: Ich möchte nicht werten, welche Effekte dafür in erster Linie verantwortlich waren. Doch gab es bei uns 2012 drei wichtige Faktoren: Zum einen ist das der konsequente Ausbau unseres stationären Geschäfts. Wir machen Läden nicht nur, um Läden zu haben, sondern der stationäre Handel ist für uns eine starke Absatzstelle.
Als zweites haben wir früh auf den sogenannten Post-PC-Markt gesetzt. Die heute vorhandene Aufsplittung in Ultrabooks, Tablets und Smartphones haben wir schon vor einigen Jahren als wichtigen Trend identifiziert.
Drittens setzen wir schließlich stark auf das Auslandsgeschäft. So sind wir in Österreich seit 2005 online und bieten dort auch in Kooperation mit einer örtlichen Elektronikkette die Abholstationen Cyberport@Niedermeyer an. Zudem haben wir viele Kunden in Italien, Polen, Tschechien und Kroatien. Diese drei Elemente dürften in dieser Reihenfolge für unser starkes Wachstum in 2012 verantwortlich gewesen sein.
Sie haben den Ausbau des stationären Geschäfts angesprochen - 2012 wurden vier neue Cyberport Stores eröffnet - wird es auch 2013 im gleichen Tempo weitergehen?
Siegel: Ja, für 2013 ist die Eröffnung von sieben bis acht neuen stationären Filialen geplant.
Können Sie beschreiben, welche Auswirkungen die Eröffnung eines neuen stationären Standorts umsatzseitig für Cyberport hat?
Siegel: Klar ist, dass die Läden an sich ein Umsatztreiber sind. Genaue Zahlen haben wir dazu keine, weil das im Rahmen unseres Multichannel-Konzepts schwer messbar ist: Die Kunden holen zum Beispiel im Store online bestellte Waren ab oder bestellen im Laden Artikel aus unserem Online-Shop. Wir merken aber, dass dort, wo wir Läden eröffnen, der Umsatz deutlich steigt - und zwar in einem Maße, das über den reinen Laden-Umsatz hinausgeht.
Stationärer Laden als Profit-Center
Dass sich durch die stationären Geschäfte zusätzliche Umsätze generieren lassen ist nahe liegend. Wie sieht es aber mit der Gewinnsituation aus - in der Branche wird oftmals bezweifelt, dass sich die Showroom-artig gestalteten Cyberport Stores profitabel betreiben lassen.
Siegel: Die Läden werden von uns als eigenständige Profit-Center geführt. Die Vorgabe ist dabei, dass die Ladenkette eigenständig profitabel sein muss - und das ist auch 2012 wieder eingetreten. Wir profitieren hier von unserer vergleichsweise günstigen Kostenstruktur und natürlich auch von der Unterstützung, die von Seiten der Industrie in unsere stationären Geschäfte fließt.
Wissen Sie: Wenn es nicht für unser Konzept Wert schöpfend wäre, würden wir gerne auf das stationäre Geschäft verzichten. Warum sollten wir uns sonst die Kostenstruktur und die konzeptuelle Entwicklung unserer Stores ans Bein binden? Wir bauen jedoch unser stationäres Geschäft aus, weil wir überzeugt sind, dass die Wertschöpfung aus Umsatz und Kundenbindung das rechtfertigt. Es ist nun einmal der Kunde, der unsere stationären Stores honoriert.
Die Cyberport.-Stores wirtschaften also gewinnbringend. Trifft das auch auf ihr gesamtes Geschäft 2012 zu?
Siegel: Ja, wir sind profitabel. Aber der Wettbewerb und der Preisdruck haben sich 2012 auf jeden Fall sehr verschärft. Wir erwarten, dass sich das auch 2013 so fortsetzt.
Vor diesem Hintergrund würde es sich anbieten, das unternehmerische Risiko beim geplanten weiteren Ausbau ihrer Ladenkette zu teilen. Haben Sie schon einmal zum Beispeil an ein Franchise-Modell für die Cyberport Stores gedacht?
Siegel: Ja, das ist vorstellbar. Wir haben im Moment dazu zwar keine konkreten Pläne, werden aber sicher noch einmal darüber nachdenken. Schon heute haben unsere Store-Leiter recht weit reichende Kompetenzen und werden auch in die Preis- und Sortimentsgestaltung vor Ort miteinbezogen - deshalb, weil wir glauben, dass die Store-Leiter dafür das richtige Gespür haben. Aus dieser Perspektive betrachtet wäre die Weiterentwicklung zu einem Franchise-Modell sicherlich denkbar.
Wann kommt die Umsatzmilliarde?
Die halbe Umsatzmilliarde hat Cyberport nun übersprungen. Wie wollen Sie sicherstellen, dass Sie auch in Zukunft weiter so kräftig zulegen?
Siegel: Für unser Wachstum setzen wir weiterhin auf den Ausbau des stationären Geschäfts und den Post-PC-Bereich sowie auch verstärkt auf das Segment weiße Ware. Hier wachsen wir derzeit prozentual am stärksten. Was 2012 und auch 2013 stattfindet, ist aus unserer Sicht eine erhebliche Verschiebung in der Wettbewerbssituation. Für den gesamten Markt geht es verstärkt darum, das Wachstum profitabel darzustellen.
Die Geschäftsführer der Retail-Ketten Media-Saturn und Expert haben kürzlich einen Online-Anteil von 25 Prozent als "natürliche" Wachstumsbarriere für den E-Commerce ins Feld geführt. Wo sehen Sie die Wachstumsgrenzen für das Online-Geschäft in Deutschland?
Siegel: Wenn es den Online-Anbietern gelingt, auch im Service-Bereich wirklich gut zu werden, wird es eine solche Barriere nicht geben. Der Hebel für den Online-Handel wird darin liegen, zusätzliche Services zum reinen Warenverkauf anzubieten. Davon sind wir schon aufgrund unserer eigenen Erfahrung überzeugt - schließlich haben auch wir bei der Eröffnung der ersten Cyberport-Stores befürchtet, dass die Kanäle "online" und "stationär" sich gegenseitig kannibalisieren könnten. Doch das ist so nicht. Vielmehr beobachten wir ein Wachstum, das über die einzelnen Kanäle hinausgeht.
Im Großen und Ganzen betrachtet ist unser Geschäft immer noch am Anfang und spielen wir noch eine recht kleine Rolle. Die 500 Millionen Euro, die wir 2012 übersprungen haben, sind nur Schall und Rauch.
Wann werden Sie die volle Umsatz-Milliarde erreichen?
Siegel: Darüber mache ich mir heute keine Gedanken. Doch ist klar, dass weiteres Wachstum angesagt ist und sich die Branche im Umbruch befindet.
B2B- und Consumer-Geschäft: die Unterschiede
Wie würden Sie die Online-Entwicklung im Elektronikbereich charakterisieren: Gibt es hier bestimmte Produkt- oder Kundensegmente, die das Wachstum besonders antreiben?
Siegel: Es gibt deutliche Unterschiede zwischen dem B2B- und dem Consumer-Geschäft. Im B2B-Bereich ist die Abwanderung in Richtung online noch nicht ganz so stark. Und auch im Consumer-Segment ist der Online-Trend nicht über alle Produktgruppen hinweg gleichmäßig. Bei der klassischen IT und im Haushaltsgerätebereich ist online sehr stark. Rückläufig ist das Wachstum dagegen bei der Unterhaltungselektronik, wo die Absatzkanäle noch recht traditionell sind.
An welchen Gründen würden Sie das festmachen?
Siegel: Eine große Rolle spielt hier sicherlich die selektive Vermarktung durch die Hersteller. So haben zum Beispiel im TV-Bereich die Selektivprogramme zu einem rückläufigen Online-Verkaufsanteil geführt. Durch unsere Ladengeschäfte können wir zwar auch selektive Ware in unserem Online-Shop anbieten, dürfen diese aber nicht bei Preissuchmaschinen listen. Die Folge ist, dass es in diesem Bereich keinen Online-Wettbewerb gibt und der stationäre Verkaufsanteil weiterhin sehr hoch ist.
Vor allem Redcoon-Chef Reiner Heckel prangert diese Vertriebsbeschränkungen regelmäßig an und fordert ein schärferes Vorgehen gegen die Selektivpolitik der Hersteller. Was halten Sie davon?
Siegel: Auch wir setzen uns damit auseinander und finden solche Barrieren natürlich schlecht. Allerdings macht der Handelsverband bvh (Bundesverband des Deutschen Versandhandels, Anm. d. Red.) hier bereits Lobbyarbeit und ist aus unserer Sicht dafür auch die richtige Institution. Klar ist: Zur Margensicherung der Hersteller ist der Selektivvertrieb nachvollziehbar. Aber aus Sicht der Kunden bietet das keinerlei Vorteil.
Synergie-Effekte im Einkauf
Neben Cyberport gehört auch der Elektronikversender Computeruniverse zu Burda Digital. Handelt es sich hier um zwei getrennte Entitäten oder trägt auch Computeruniverse zur Umsatzentwicklung von Cyberport bei?
Siegel: Computeruniverse ist ein selbstständiges Unternehmen, doch ist richtig, dass wir einen Teil des Einkaufs zusammengelegt haben. Wir sind verpflichtet, das in unserer Bilanz entsprechend auszuweisen. 2012 haben wir die gemeinschaftlichen Einkaufsanstrengungen noch einmal forciert. Das ist sicherlich ein weiterer Aspekt, den man bei den Gründen für unser starkes Wachstum anführen muss.
2012 hat Cyberport unter anderem die Zusammenarbeit mit dem Mobilfunk-Vermarkter Sparhandy.de und dem Service-Vermittler Einfach-machen-lassen gestartet. Handelt es sich dabei um eine gezielte Kooperations-Strategie?
Siegel: Ja, wir suchen gezielt nach Kooperationspartnern. Wir glauben, dass es heute nicht mehr genügt, online bestellte Ware einfach von A nach B zu transportieren. Auch im Netz wird Service verstärkt nachgefragt. Wir sehen darin einen zusätzlichen Mechanismus, um uns im Online-Markt zu differenzieren. Denn die Kunden sind zunehmend an Dienstleistungen interessiert und wollen das auch im Paket mit der gekauften Hardware - am besten zu einem transparenten Festpreis - erhalten.
Wir gehen davon aus, dass die Bündelung von Hardware und Dienstleistung ein Thema ist, das sehr gut über verschiedene Dienstleister eingebracht werden kann. Der entscheidende Punkt ist aber, dass die Qualität des Anbieters stimmt. Denn nur so kann sichergestellt werden, dass das angebotene Service-Paket stimmt.
Welche Rolle spielen aus Ihrer Sicht die angebotenen Logistik-Services für den Geschäftserfolg?
Siegel: Just-in-time zu liefern ist sehr wichtig. Wir haben eine sehr ausgeklügelte Logistik und setzen sowohl auf das Dropshipping durch die Distribution wie auch auf das By-Pass-Shipping, also die bloße Weiterleitung der Ware über unser Lager. Wir sind hier besser als viele andere und haben inzwischen eine Standardlieferzeit von einem Tag.
Wie werten Sie in diesem Zusammenhang das viel gepriesene Modell Same-Day-Delivery?
Siegel: Aus unserer Sicht ist das vor allem ein B2B-Thema, zum Beispiel wenn es um die Lieferung von dringend benötigten Ersatzteilen geht. Endkunden hätten Same-Day-Delivery ebenfalls gerne, sind in der Regel aber noch nicht dazu bereit, extra dafür zu bezahlen. (mh)