Der 16. Mai 2013 stellt für die deutsche Elektromarkt-Branche einen wichtigen Einschnitt dar: Mit der offiziellen Entscheidung des Handelskonzerns Rewe, sich von der defizitären Retail-Kette ProMarkt zu trennen, steht einer der großen Branchenteilnehmer vor dem Aus. Inzwischen wurden bereits 16 Märkte an die Verbundgruppe Expert sowie 10 Standorte an die zu Electronic Partner (EP) gehörende Elektromarktkette Medimax verkauft. Während auch der ProMarkt-Onlineshop bereits seine Türen geschlossen hat, sieht es für die verbleibenden stationären Filialen düster aus: Nahezu täglich erscheinen derzeit Nachrichten über Totalräumungsverkäufe an ProMarkt-Standorten, für die bisher noch keine Nachfolgereglung gefunden wurde (wie z.B. in Bremen, in Detmold und im Saarland).
Zwar kommt der Ausstieg von Rewe bei ProMarkt nicht überraschend. Bereits seit längerer Zeit gab es Meldungen über eine steigende Unzufriedenheit mit dem Unterhaltungselektronikgeschäft. Zudem traf die schwierige Marktentwicklung im CE-Bereich auch andere Branchenteilnehmer. Das voraussichtliche Aus für ProMarkt stellt aber einen Präzedenzfall dar, der auch die anderen Elektromarktbetreiber aufschrecken lassen dürfte. Grund genug, sich die Gründe für das Scheitern von ProMarkt genauer anzusehen:
1. Die schwierige Vergangenheit von ProMarkt
Als Rewe 2003 vom dem britischen Handelskonzern Kingfisher 58 ProMarkt-Standorte übernahm, war die Marke eigentlich bereits ein hoffnungsloser Fall. Die 1988 von der Wegert-Gruppe gegründete Retail-Kette konnte sich neben der Übermacht von Media-Saturn nie richtig etablieren und erhielt nur durch den Einstieg von Kingfisher 1998 noch einmal frischen Wind. In den ersten Jahren sah sich Rewe folglich mit einem deutlichen Negativtrend konfrontiert: Von 482 Millionen Euro 2003 ging der Umsatz von ProMarkt auf 470 Millionen Euro (2004) und schließlich 444 Millionen Euro (2005) zurück. Die Zahl der Märkte sank in der gleichen Zeit von 58 auf 52. Erst 2006 gelang Rewe der Turnaround: Der Umsatz stieg von 485 Millionen Euro kontinuierlich bis 2009 auf 550 Millionen Euro und auch die Zahl der Märkte kehrte langsam auf das Niveau von 2003 zurück.
Wenig hilfreich war allerdings, dass sich Rewe auch in dieser Sanierungsphase mit der Konkurrenz der Wegert-Gruppe auseinandersetzen musste, der weiterhin rund ein Dutzend der Märkte gehörte. Zwar traten diese zunächst unter dem Markennamen MakroMarkt auf, firmierten aber 2008 in Promarkt.de um. Als die zur Wegert-Gruppe gehörenden Märkte im Jahr darauf Insolvenz anmeldeten, übernahm Rewe das stationäre ProMarkt-Geschäft komplett und kaufte 2010 auch die Online-Marke Promarkt.de auf. Vor dem Hintergrund einer sich verschlechternden Marktlage wurde die Alleinherrschaft über ProMarkt für Rewe allerdings zum entscheidenden Wendepunkt ins Negative: Zwar kam die auf 69 Märkte gewachsene Retail-Kette 2010 noch einmal auf einen Rekordumsatz von 613 Millionen Euro, doch ging es danach nur noch abwärts: auf 590 Millionen Euro 2011 folgte der Einbruch auf 498 Millionen Euro 2012. Das Marktnetz wurde auf 57 Standorte verkleinert, doch die im Unterhaltungselektronikgeschäft entstehenden Verluste ließen sich nicht in den Griff kriegen. Dass daraus auch konsumentenseitig kein positives Image für ProMarkt entstand, versteht sich von selbst.
Weitere Gründe für das Scheitern von ProMarkt im stationären Geschäft
2. Das Schlusslicht unter den Elektroketten
Was die Anzahl der Standorte und das damit verbundene Umsatzvolumen betrifft, war ProMarkt das klare Schlusslicht unter den deutschen Elektromarkt-Ketten. Gegenüber – zu Anfang des Jahres - 254 Media Märkten, 232 Expert-Fachmärkten, 150 Saturn-Standorten, 135 Euronics-Flächenmärkten und 115 Medimax Filialen hatte ProMarkt mit seinen zwischen 50 und 70 Standorten immer mit einem Größen-Problem zu kämpfen. Denn die Menge der Märkte ist für den Markterfolg mehr als nur eine statistische Nummer: Media-Saturn, aber auch die zu den Verbundgruppen gehörenden Flächenmärkte hatten stets eine ganz andere Einkaufsmacht als ProMarkt. Und auch was die Markenbekanntheit betrifft, ist die Menge der Filialen ein wichtiger Gradmesser.
3. Mängel beim Service
In ihren Fachmärkten stecke immer auch die Beratungskompetenz des Fachhandels, argumentieren die Verbundgruppen EP, Euronics und Expert gerne. Ganz falsch scheint diese Behauptung nicht zu sein, wenn man sich die einschlägigen Service-Tests zu Gemüte führt. So waren laut einer 2013 vom Deutschen Institut für Servicequalität durchgeführten Studie Conrad, Medimax und Saturn die beratungsstärksten Retailer. 2012 hieß das Spitzentrio Expert, Euronics und Medimax und auch 2010 belegten die Verbundgruppen die vordersten Ränge.
ProMarkt belegte unterdessen in sämtlichen Service-Tests den letzten oder zumindest einen der letzten Ränge. Verkäufer, die sich nur unzureichend auf die Vorstellungen und Bedürfnisse der Kunden einstellten, lange Wartezeiten für eine Beratung und zum Teil sogar falsche Aussagen im Beratungsgespräch waren die von den Testern monierten Hauptmängel. Führt man sich vor Augen, dass angesichts der hohen Konkurrenz – offline wie auch online – die Beratung eines der wichtigsten Alleinstellungsmerkmale für ein Elektronikgeschäft ist, wird auch hier die negative Entwicklung von ProMarkt nachvollziehbarer.
4. ProMarkt lieferte seinen Kunden keinen überzeugend Nutzen
Aufgrund der geringen Einkaufsmacht konnte sich ProMarkt nicht mit seinen Preisen vom Wettbewerb differenzieren. Auch die Beratungsqualität war mangelhaft. Und schließlich konnte die Retail-Kette auch kein herausragendes Sortiment anbieten: Mit Flächen von meist rund 3.000 Quadratmetern sind die ProMarkt-Standorte zwar größer als die Mehrzahl der Verbundgruppen-Fachmärkte, aber auch deutlich kleiner als viele Media Markt und Saturn-Filialen. Als Elektronik-Vollsortimenter hatte ProMarkt somit zwar von allem etwas anzubieten, konnte aber in keinem Sortimentsbereich eine echte Tiefe vorweisen. Damit war die Rewe-Tochter schon gegenüber Media-Saturn im Hintertreffen und konnte mit den ab Mitte der 2000er Jahre boomenden Online-Elektronikhändlern erst recht nicht mithalten.
Unattraktive Preise, schwache Beratung und ein durchschnittliches Sortiment – ProMarkt gelang es nicht, seinen Kunden einen einzigartigen Nutzen zu bieten. Und in der umkämpften Handelswelt verliert man so schnell seine Daseinsberechtigung.
Auch im Internet-Geschäft wenig Glück
5. ProMarkt verfolgte die falsche Online-Strategie
Wenn Rewe-Chef Alain Caparros in diesem Jahr wiederholt Defizite im Online-Geschäft für die schlechte Entwicklung von ProMarkt verantwortlich machte, hatte der Spitzenmanager nur bedingt recht. Zutreffend ist diese Behauptung für die Jahre bis 2009: Während die Wegert-Gruppe unter der Domain Promarkt.de ein munteres E-Commerce-Geschäft aufbaute und auch vor Experimenten wie der Deal-Seite Hauptstadtprodukt.de oder dem Zweit-Shop „World of Product“ nicht zurückschreckte, orientierte sich Rewe an der Online-Absenz des Marktführer Media-Saturn. Im Internet boten die Rewe-Promärkte ausschließlich Informationen zu ihrem Filialnetz und verzichteten auf ein eigenes E-Commerce-Angebot.
2009 folgte allerdings der Richtungswechsel und startete ProMarkt die Aufholjagd im Online-Unterhaltungselektronikgeschäft. Für 2,4 Millionen Euro übernahm Rewe aus der Insolvenzmasse des Handelsriesen Arcandor den Online-Händler Myby.de und erwarb Anfang 2010 von der Wegert-Gruppe auch die Markenrechte an Promarkt.de. Mit der zunächst weiterverfolgten Zwei-Marken-Strategie lag ProMarkt eigentlich voll im Trend – so setzen unter anderem auch Media-Saturn mit Redcoon und EP mit der Beteiligung an Notebooksbilliger.de auf ein separat geführtes Pure-Online-Geschäft. Doch wollte Rewe mehr: Im Herbst 2010 wurde Myby.de als Marke eingestellt und Promarkt.de unter großem Marketinggetöse als Multichannel-Händler neu gelauncht.
Mit der auf die Marke ProMarkt fixierten Multichannel-Strategie raubte Rewe seiner Unterhaltungselektronik-Tochter den E-Commerce-Startvorteil und bescherte gleichzeitig den kriselnden stationären Filialen eine zusätzliche Belastung. Denn durch die Einstellung von Myby.de verlor ProMarkt die Chance, mit einer preisaggressiven Online-Tochter zusätzliche Umsätze und Marktanteile hinzuzugewinnen. Die unter Promarkt.de vereinheitlichten On- und Offline-Preise waren für die Schnäppchenjäger im Netz uninteressant. Die neu eingeführten Multichannel-Funktionen wie kanalübergreifende Abhol- und Rückgabemöglichkeiten oder die Online-Abfrage von stationären Verfügbarkeiten sorgten dagegen für zusätzliche Komplexität und ließen die Kosten bei der Retail-Kette steigen.
Mit dem falsch verstandenen Multichannel-Zwang verlor ProMarkt somit die Möglichkeit, durch ein dynamisches Online-Geschäft dem stationären Niedergang entgegenzuwirken. ProMarkt hat damit nicht, wie Rewe-Chef Caparros sagt, „die Konkurrenz aus dem Internet unterschätzt“, sondern durch eigene strategische Fehler im E-Commerce-Geschäft den Niedergang der gesamten Kette beschleunigt. (mh)