Apple-Kette wird zum 30. Juni 2024 geschlossen

Freenet-Chef gibt Apple die Schuld für das Gravis-Aus

14.05.2024 von Matthias Hell
Bereits ab 15. Juni 2024 stoppt Gravis den Warenverkauf, zum Monatsende schließt die Apple-Kette dann komplett. Auf der Hauptversammlung des Eigners Freenet resümierte CEO Christoph Vilanek: Man habe alles versucht, die Hauptverantwortung trage die Vertriebspolitik von Apple.
Auf der Hauptversammlung der Freenet AG äußerte sich CEO Christoph Vilanek auch zur Einstellung von Gravis
Foto: Freenet

Die im März vom Eigner Freenet angekündigte Abwicklung von Gravis hat nun auch einen konkreten Zeitplan: Die Apple-Kette wird den Warenverkauf in den insgesamt 37 Stores und dem Online-Shop zum 15. Juni 2024 weitestgehend einstellen. Nach Abwicklung aller ausstehenden Restarbeiten markiert dann der 30. Juni 2024 das Ende der 38-jährigen Geschichte von Gravis. Das Unternehmen bedanke sich ausdrücklich bei allen Mitarbeitenden, Kunden und Geschäftspartnern für Ihre langjährige Treue und Unterstützung, heißt es in einer Erklärung, die der Freenet-Konzern nun veröffentlichte. Zudem bekräftigt Gravis seine Verpflichtungen gegenüber den Endkunden und sichert die Erfüllung aller Garantieansprüche auch nach der Schließung zu. Alle Informationen dazu hat der Apple-Händler bereits online öffentlich gemacht.

Die Zeit seit dem Beschluss zur Abwicklung von Gravis hat Freenet auch dazu genutzt, um Regelungen mit den betroffenen Mitarbeitenden zu finden, deren Kündigung unter Berücksichtigung aller Fristen frühestens zum 30. Juni 2024 wirksam wird. So wurden von Betriebsrat und Arbeitgeberführung maßgebliche Eckpunkte eines Sozialplans ausgearbeitet, um die Mitarbeitenden nach Betriebsschließung bestmöglich zu unterstützen. Dieser Plan sieht unter Berücksichtigung relevanter Faktoren wie Betriebszugehörigkeit und möglicher Sozialzuschläge individuelle Abfindungen für jeden betroffenen Mitarbeitenden vor. "Unsere Mitarbeitenden sind das Herzstück von Gravis. Ihre Hingabe und Leistung haben das Unternehmen über Jahre hinweg getragen und zu einem der wichtigsten Handelspartner von Apple gemacht", erklärt dazu Freenet-CEO Christoph Vilanek. "Für uns ist es daher eine Selbstverständlichkeit, für eine sozialverträgliche Lösung zu sorgen und die Belegschaft bestmöglich durch diesen Wandel zu begleiten."

Die Freenet-Hauptversammlung fand im Congress Center Hamburg statt
Foto: Freenet

"Apple glaubt, der unabhängige Handel werde nicht mehr benötigt"

Nicht nur zum Umgang mit der Gravis-Belegschaft äußert sich Vilanek, auf der soeben über die Bühne gegangenen Hauptversammlung der Freenet AG in Hamburg zog der Manager in seiner Rede vor den Aktionären noch einmal ein Resümee der Vorgänge, die zur Einstellung der Apple-Kette geführt haben. "Wir haben bei Freenet in den zurückliegenden Monaten und Quartalen große Anstrengungen unternommen, um ein Überleben von Gravis zu ermöglichen. Doch letztlich blieben aber alle Anstrengungen erfolglos", so Vilanek in seiner Ansprache. "Man muss Konsequenzen ziehen, wenn Teile des Portfolios ernste Probleme oder gar Verluste verursachen", begründete der Freenet-CEO die Entscheidung Abwicklung von Gravis. Vilanek weiter: "Ich persönlich habe in intensiven Gesprächen versucht, das Überleben von Gravis sicherzustellen: zunächst mit Apple, um bessere Vertriebskonditionen und Margen auszuhandeln. Und gleichzeitig auch mit Handelsketten des Wettbewerbs, um etwaige Kooperationen oder Übernahmen zu gestalten und so die Arbeitsplätze der betroffenen Mitarbeiter zu sichern." Doch während die Gespräche zu keinen Ergebnissen führten, hätten die Verluste von Gravis in den zurückliegenden Quartalen weiter zugenommen.

Vilanek geht in seiner Rede auch auf Medienberichte ein, wonach Freenet eine Mitverantwortung für die negative Entwicklung des Tochterunternehmens trage. Um das zu wiederlegen, zitiert der Freenet-CEO die Gedanken, die Gravis-Gründer Archibald Horlitz nach dem Abwicklungsentscheid in einem vielbeachteten LinkedIn-Beitrag formulierte: "Den klarsten Einblick in die Hintergründe gewährte Archibald Horlitz. Er gibt Apple die Hauptschuld an der Entwicklung: Denn offensichtlich glaube man dort, der unabhängige Handel werde nicht mehr benötigt", erklärte Vilanek in seiner Rede. Der Manager sieht sich zudem darin bestätigt, dass die Einstellung von Gravis letztlich die einzige richtige Enscheidung gewesen sei: "Der Finanzmarkt sieht das offensichtlich ganz genauso. Kurz nach der Veröffentlichung des Aus für Gravis erreichte die Freenet-Aktie ein neues 52-Wochen-Hoch", so Christoph Vilanek.

CEO Christoph Vilanek und seine Vorstandskollegen auf dem Podium der Freenet-Hauptversammlung
Foto: Freenet

Gravis-Konzepte sollen Freenet-Fachhandel stärken

Das Handelsgeschäft des Mobilfunkkonzerns Freenet geht nun jedenfalls ohne Gravis weiter - und auch ohne Mobilcom-Debitel. Denn bereits 2022 hat der Konzern den Abschied von der Fachhandelsmarke beschlossen und sämtliche rund 500 Shops bis 2023 auf die Marke Freenet umgebrandet. Den Aktionären berichtete Vilanek nun, dass sich das Rebranding bewährt habe: "Die neue Dachmarke bietet mannigfache Vorteile: Sie stiftet bei Kunden wie Mitarbeitern eine höhere Identifikation, und sie fördert Synergien im Vertrieb und Handel, im Marketing und in der Kundenkommunikation." Um den positiven Trend für die Freenet-Shops weiter zu stärken, setzt der Konzern seit Mitte 2023 auf den neuen Marken-Claim "Freenet.Fertig.Los!". "Wir sind davon überzeugt, dass dieser Claim unsere Identität treffend widerspiegelt. Das der Claim funktioniert zeigt sich daran, dass sich unsere Markenbekanntheit seit der Einführung verdoppelt hat", so Vilanek auf der Freenet-Hauptversammlung.

Wie der CEO weiter ausführte, soll nicht nur das Rebranding unter der Dachmarke dem Fachhandel neue Impulse geben, sondern Freenet setzt auch auf die Implementierung von kanalübergreifenden Services in den Stores. Unter dem Projektnamen "Retail 25" werden aktuell bei der Handelskette alle eigenen Offline- und Online-Vertriebskanäle verzahnt und harmonisiert. Die Kunden sollen dadurch in den Shops genauso wie auf der Website dasselbe Angebot und damit größtmögliche Transparenz und Flexibilität bei Auswahl und Kauf ihrer Produkte finden. Zudem sollen das Erlebnis des Shoppens und der Beratung vor Ort mit den Vorteilen des Online-Handels kombiniert werden. "Das für den Einzelhandel wegweisende Ergebnis lautet 'Assisted Personalized Shopping' - kurz APS. Wir machen damit nicht nur dem Kunden, sondern auch dem Mitarbeiter vor Ort das Leben leichter", so der Freenet-Chef vollmundig. Man wolle den Fachhändlern konkret mehr Zeit für fundierte Beratung, mehr Auswahl und Service ermöglichen sowie aus Kundensicht einen echten Anreiz in den Shop zu gehen, indem man gleiche Preise bei persönlicher Beratung biete. Die Grundvoraussetzung dafür seien vereinfachte und effizientere Prozesse sowie eine relevante Automatisierung. "Das Konzept hat sich in ausgewählten Pilot-Shops sehr gut bewährt, und wir werden es im August dieses Jahres auf alle Shops ausrollen", erklärte Vilanek gegenüber den Aktionären - und verschwieg dabei, dass Freenet hier an Konzepte anknüpft, die einst Gravis entwickelte.

Die Freenet-Aktionäre folgen den Ausführungen der Geschäftsführung
Foto: Freenet