Fischverkäufer sind keine Salesmanager

19.06.2007 von Bernhard Kuntz
Der Verkauf von belegten Brötchen oder Fischen funktioniert anders als der Verkauf von Industrieanlagen. Also brauchen deren Verkäufer auch unterschiedliche Fähigkeiten. Das wird den Unternehmen zunehmend klar. Folglich stellen sie auch andere Anforderungen an Verkaufstrainings. Und darauf reagiert die Beratergilde.

Der Verkauf von belegten Brötchen oder Fischen funktioniert anders als der Verkauf von Industrieanlagen. Also brauchen deren Verkäufer auch unterschiedliche Fähigkeiten. Das wird den Unternehmen zunehmend klar. Folglich stellen sie auch andere Anforderungen an Verkaufstrainings. Und darauf reagiert die Beratergilde.

"Fischverkäufer brauchen eine andere Fähigkeiten als Verkäufer von Industrierobotern", sagt Peter Schreiber. "Und Bäckereifachverkäuferinnen, die frische Brötchen über die Theke reichen, benötigen eine andere Qualifikation als Vertriebsingenieure, die in jahrelanger Kleinarbeit Wasseraufbereitungsanlagen nach Fernost verkaufen", ergänzt der Inhaber des Trainings- und Beratungsunternehmens Peter Schreiber & Partner, Ilsfeld. "Also müssen sie auch unterschiedlich aus- und weitergebildet werden."

Solche Töne von Beratern sind neu. Noch vor wenigen Jahren hatte man beim Sichten des Seminarangebots von Bildungsanbietern vielfach den Eindruck: Es ist egal, ob ein Verkäufer Aale auf dem Hamburger Fischmarkt oder Industrieanlagen nach China verkauft. Seminartitel wie "Erfolgreich verkaufen" und "Fit für den Start als Verkäufer" dominierten. Dies hat sich geändert. Heute stößt man in den Seminarübersichten schon oft auf Titel wie "Industrieanlagen verkaufen" oder "Höhere Preise erzielen", die einen klaren Bezug zu bestimmten Branchen aufweisen oder zu konkreten Herausforderungen, vor denen Verkäufer stehen.

Auftrag: Steigern Sie unseren Umsatz!

Dies liegt auch daran, dass sich die Nachfrage der Unternehmen geändert hat. "Sie wollen heute meist kein Verkaufstraining mehr von der Stange", registriert Verkaufstrainerin Ursula Widmann-Rapp, Olching (bei München). Die stellvertretendende Vorsitzende der Fachgruppe Verkauf des Berufsverbands der Verkaufsförderer und Trainer (BDVT) beobachtet: "Ausgangspunkt der meisten Trainingsaufträge ist heute, dass ein Unternehmen erkennt: Wir haben ein Problem - zum Beispiel: Unser Umsatz ist zu niedrig. Der Trainer erhält dann den Auftrag: Entwickeln Sie ein Konzept, wie wir dieses Problem lösen können."

Hierfür muss der Trainer beziehungsweise Berater zunächst wissen, warum am Abend so wenig Geld in der Kasse klingelt. Kommen zu wenige Kunden in den Laden oder kaufen diese zu wenig? Spricht die Ware die Zielgruppe nicht an oder wird sie zu teuer angeboten? Oder haben die Verkäufer keine Lust zu verkaufen? Für Trainings- und Beratungsunternehmen bedeutet dies: "Sie müssen auch im Analysieren von Vertriebs- und Verkaufsprozessen fit sein", erläutert Dr. Georg Kraus, Inhaber der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal.

Verkäufer beim Umsetzen begleiten

Dies sieht auch Ingo Vogel so. Der Verkaufstrainer aus Esslingen beobachtet, dass Unternehmen "ihre externen Unterstützer" immer stärker in die "Mit-Verantwortung" nehmen: "Heute lautet die Zielvorgabe zum Beispiel: Die Teilnehmer sollen nach der Maßnahme zehn Prozent mehr Abschlüsse erzielen. Wie dies erreicht wird, ist den Unternehmen vielfach egal." Für Trainer und Berater bedeutet dies: Sie müssen die Teilnehmer stärker als früher beim Umsetzen des Gelernten begleiten - zum Beispiel, indem sie ihnen im Arbeitsalltag über die Schulter schauen und ihnen konkrete Tipps geben. "Im Kundenkontakt", so Vogel, "findet heute vielfach die Feinjustierung statt."

Ein so aufwändiges Vorgehen kostet Zeit - und Geld. Schließlich arbeiten die Berater nicht kostenlos. Deshalb rechnet sich ein solches Vorgehen für Unternehmen meist nur, wenn die Teilnehmer hoch qualifizierte und dotierte Mitarbeiter sind, die komplexe Produkte oder Problemlösungen verkaufen. "Ansonsten", so Schreiber, "sind Methoden sinnvoller, die weniger Trainer- und Beraterstunden kosten." Bewährt hat sich zum Beispiel, die Vorgesetzten der Verkäufer zu "Schmalspur-Trainern" auszubilden, die ihre Mitarbeiter im Alltag selbst coachen können.

Doch mit dem Coachen allein ist es oft nicht getan. Damit der Umsatz steigt, muss vielfach auch die Ware anders präsentiert, die Preisgestaltung überdacht oder die Zusammenarbeit von Innen- und Außendienst neu strukturiert werden. Das überfordert oft einzelne Trainer und Berater. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage neu, ob der Verkaufstrainer der Zukunft ein Spezialist oder Generalist ist.

Spezialistenteams und Trainingsfabriken

Die meisten Experten verheißen dem Spezialisten eine goldene Zukunft. Bereits heute sind Trainer, die zugleich Fleischfachverkäufer und Vertriebsingenieure trainieren, eher selten. Und künftig werden sich die Anbieter nach Meinung von Ursula Widmann-Rapp noch stärker auf bestimmte Branchen, Mitarbeitergruppen und Problemstellungen spezialisieren - "aus Qualitätsgründen und um über ihr Expertenwissen höhere Preise zu erzielen".

Viele Trainingsanbieter haben diesen Schritt bereits vollzogen. Ursula Widmann-Rapp arbeitet beispielsweise vorwiegend für handwerksnahe Produktionsunternehmen. Ingo Vogel hat sich auf das Thema Verkaufsrhetorik spezialisiert. Und Peter Schreiber & Partner begreift sich als Spezialist für den Projektverkauf in der Investitionsgüterindustrie.

Um den Kunden die gewünschte Problemlösung zu bieten, ist neben einer fundierten Markt- und Branchenkenntnis ein breites Marketing- und Vertriebs-Know-how nötig. Deshalb werden sich künftig Spezialisten zu Teams zusammenschließen, vermutet Dr. Georg Kraus. "Und in diesen Teams werden wiederum Generalisten arbeiten. Diese werden vor allem zwei Aufgaben haben: neue Aufträge zu ergattern und die Projekte zu planen und zu steuern."

Neben diesen Spezialistenteams werden sich, vermutet Kraus, "Trainingsfabriken" etablieren - Anbieter, die vor allem aktiv werden, wenn in relativ kurzer Zeit große Gruppen zu qualifizieren sind. Zum Beispiel, wenn ein Autokonzern ein neues Fahrzeug auf den Markt bringt. Oder wenn ein Handelskonzern den Mitarbeitern aller Filialen vermitteln möchte, wie man Kunden freundlich bedient und abkassiert.

In diesen Bereichen können die Trainings weitgehend standardisiert werden. Ingo Vogel: "Um den Verkäufern einer Lebensmittelkette oder einer Fastfoodkette ein kundenorientiertes Verhalten zu vermitteln, muss ich das Trainingskonzept kaum modifizieren." Eine Standardisierung sei in diesen Bereichen sogar wünschenswert, damit die Kunden anschließend überall gleich gut bedient werden "egal, ob sie die Filiale in Kiel oder Rosenheim aufsuchen". Anders ist es, wenn die Vertriebsingenieure eines Anlagenbauers darin geschult werden sollen, "Industriekunden Fertigungsanlagen schmackhaft zu machen". Dann muss das Training den Teilnehmern auf den Leib geschneidert sein. (Bernhard Kuntz/mf)