Wusste letztes Jahr das Update mit dem Codenamen „Ice Cream Sandwich“ (ICS) durch zahlreiche sinnvolle Verbesserungen zu überraschen, scheinen die Neuerungen beim diesjährigen „Jelly Bean“-Update eher im Detail zu liegen. Die Codenamen der Updates werden übrigens traditionell alphabetisch aufsteigend nach einer Süßspeise benannt. Dass hier eher unter der Haube verbessert wurde, zeigt schon die Versionsnummer. Der Sprung von „Honeycomb“ mit der Versionsnummer 3.2 auf ICS mit der Nummer 4.0.x war noch deutlich. Bei Jelly Bean mit der Versionsnummer 4.1 geht Google eher kleine Schritte.
GoogleNow
Die wohl auffälligste Neuerung ist der als persönlicher Assistent angepriesene Dienst „Google Now“ – für ihm wurde sogar ein neuer Shortcut auf dem Lockscreen erschaffen. Auch ein Fingerwisch vom Home-Button weg führt zu Google Now. Der neue Service soll ähnlich funktionieren wie das Apple-Pendant „Siri“ - nur weniger aufdringlich. Außerdem soll er dank der Verknüpfung verschiedener Google Dienste wie Kalender, Maps Bewegungsprofil, Surf-Verlauf und Kontakte deutlich mehr über den Nutzer wissen und sogar selbstständig zum Beispiel Routen zum nächsten Termin anbieten. Dass der Nutzer dadurch einen ordentlichen Teil seiner Privatsphäre an Google abgibt, steht auf einem anderen Blatt.
Von den großspurig angekündigten Funktionen in Google Now ist beim Testen von Jelly Bean allerdings noch nicht viel zu spüren. Dies kann daran liegen, dass es sich bei der bei uns installierten Jelly-Bean-Version noch um eine Entwickler-Preview handelt. Es ist jedoch auch möglich, dass Deutschland wie schon einige Male zuvor nicht den gleichen Funktionsumfang einer Google-Software nutzen kann wie amerikanische Nutzer. Bei uns zeigte Google Now unterhalb der Suchleiste neben dem Wetter an unserem Standort einen weißen Kasten mit dem Hinweis „Die Karten werden genau dann angezeigt, wenn Sie sie brauchen“ an. Unter dem Punkt „Beispielkarte“ wird dann auch recht schnell deutlich, was der Dienst tatsächlich kann.
Dadurch, dass schon vor einiger Zeit am Desktop-Rechner auf Google Maps ein Wohnort und ein Arbeitsort getaggt wurde, zeigt die Beispielkarte die Navigationsroute zwischen beiden Orten an und warnt gleichzeitig noch vor einem erhöhten Verkehrsaufkommen auf der Leopoldstraße. Leider kann diese Funktion noch nicht genutzt werden.
Die Erfahrungen von „caschy“ auf Stadt-Bremerhaven.de gehen da noch weiter. Er googelte auf seinem Notebook lediglich „AOK Bremerhaven“ und bekam just auf seinem Galaxy Nexus mit Jelly Bean eine Route von seiner Adresse bis zu eben jener AOK angeboten.
Der Aufnahme-Assistent versteht das gesprochene Wort deutlich besser als in den Vorgängerversionen, Lust verbal zu antworten (siehe Video) verspürt er jedoch keine. Auch greift die Sprachsteuerung in Google Now beim Test bisher nicht wie in den USA auf Googles „Knowledge Graph“ zu. Diese semantische Suche erkennt komplette Fragen und kann daraufhin logisch gruppierte Antworten geben.
Google kündigte auch eine Offline-Spracherkennung an. Dafür können in den Einstellungen verschiedene Sprachpakete, die jeweils zwischen 15 und 20 Mbyte Platz belegen, herunter geladen werden. Leider funktionierte das Offline-Feature bei unserem Test trotzdem nicht. Offensichtlich sind sowohl der Sprachassistent, als auch Google Now, noch nicht komplett fertig gestellt. Allerdings hat uns beides schon jetzt sehr gefallen. Wenn Google hier noch an einigen Schrauben dreht könnte sich ein echter Mehrwert für den Nutzer ergeben. In dem Video unten zeigt Google, wie das fertige Google Now aussehen soll.
„Project Butter“
Obwohl ICS auf dem Galaxy Nexus schon vergleichsweise schnell läuft, will Google mit seinem „Project Butter“ die Performance von Jelly Bean nochmal gesteigert haben. Für den „butterweichen“ Wechsel zwischen den Programmen setzt Google auf vertikale Synchronisation (VSync) und Tripple Buffering. Mit VSync soll laut Google die CPU und GPU unabhängig voneinander arbeiten. Tripple Buffering dagegen berechnet Bilder voraus und speichert sie temporär im Arbeitsspeicher. Im Video will Google den Effekt dieser Maßnahmen mit einer Zeitlupenkamera festgehalten haben.
Tatsächlich läuft Jelly Bean im Vergleich zum ICS flotter. Die Übergänge beim Wechsel zwischen den Apps verlaufen weicher. Besonders fällt dies beim Multitasking-Button auf. Die geöffneten Programme erscheinen prompt in der Liste. Nur bei der Wahl eines anderen bereits geöffneten Programms ist eine leichte Verzögerung spürbar. Um diesen von Project Butter hervorgerufenen weichen Effekt noch zu verstärken führt Google bei Jelly Bean einige neue Animationen ein.
Benachrichtigungs-Anzeige
Die durch das Wischen vom oberen Bildschirmrand nach unten fahrende Benachrichtigungsanzeige wurde ordentlich aufgebohrt. So erhalten die zu den Benachrichtigungen gehörenden Bilder etwas mehr Platz und Entwickler können schon in dieser Anzeige gewisse Funktionen anbieten. So kann zu Beispiel bei einem verpassten Anruf direkt zurück gerufenen oder eine SMS geschickt werden. Längst überfällig: Durch ein langes Halten der Nachricht werden zusätzliche Informationen eingeblendet. Dadurch können endlich nervige, den Benachrichtigungsdienst zum Überlaufen bringende Spam-Apps ausfindig gemacht und deaktiviert werden.
Kamera – schneller Zugriff auf Galerie
Aus dem Kameramodus kann nun per Swipe direkt zu den zuletzt aufgenommenen Bildern in der Galerie gewischt werden. Per Pinch-Geste lässt sich die Einzelansicht der Bilder nochmal verkleinern, um schneller zwischen mehreren Bildern wechseln zu können. Diese offensichtlich von Windows Phone inspirierte Funktion wird bei vielen Nutzern für ein Aufatmen sorgen, war es doch bisher etwas umständlich aus von der Kamera-App in die Gallerie zu wechseln.
„Android Beam“
Die für den Datenaustausch verantwortliche App „Android Beam“ kann nun auch größere Dateien wie Musik oder Videos kontaktlos versenden und empfangen. Die Verbindung kann auch via „Bluetooth über NFC“ verbunden werden, dadurch soll ein „Instant Pairing“ erreicht werden. Ausprobieren konnten wir die Funktion leider nicht.
Weitere Verbesserungen
In Jelly Bean soll außerdem der vorinstallierte Browser verbessert worden sein um zum Beispiel HTML5 schneller und flüssiger darstellen zu können und dabei weniger Speicher zu verbrauchen. Beim Test fühlte sich der Chrome-Browser dennoch flüssiger und schneller an als der Standard-Browser.
Die Musik-App wurde um das Widget „Sound Search“ ergänzt, welches ähnlich wie Shazam oder SoundHound automatisch Musik erkennen soll. Leider funktioniert dieser Dienst in Deutschland derzeit noch nicht.
Google schraubte auch an der Rechtschreibverbesserung. Jelly Bean errät zum Beispiel die möglichen nächsten Wörter. Auch das Hinzufügen neuer Wörter zum Wörterbuch wurde verbessert. Die Bildchen zu den Kontakten sind nun hochauflösend.
An einem nervigen Detail hat Google leider nichts verändert: In Google Mail kann immer noch nicht per Pinch-Geste gezoomt werden. Diese Funktion ist jedoch schon längst überfällig. Alle Neuerungen können auch direkt bei Google nachgelesen werden. (http://www.android.com/whatsnew/)
Schon jetzt Jelly Bean auf dem Galaxy Nexus
Alle die es besonders eilig haben können schon jetzt die unfertige Entwicklerversion von Jelly Bean auf dem Samsung Galaxy Nexus installieren. Vorraussetzung ist ein gerootetes Smartphone mit einer Custom Recovery und ohne Bootloader-Sperre. Für genauere Informationen kann die Website xda-developers.com empfohlen werden. Trotzdem sollte sich jeder, der sein Android-Phone entsperren will, darüber im Klaren sein, dass im schlimmsten Fall irreparable Schäden am Gerät entstehen können. Außerdem könnten verschiedene Apps noch inkompatibel zu Jelly Bean sein.
Android 4.1 Jelly Bean soll ab Mitte Juli für Samsung Galaxy Nexus und Samsung Nexus S mittels OTA-Update verfügbar sein. Das Android SDK steht bereits zur Verfügung (ZIP-File).
Wann die Hersteller der aktuellen Android-Devices wie HTC oder Samsung Android 4.1 Jelly Bean für ihre Geräte fertig stellen, ist noch nicht bekannt. Erfahrungsgemäß muss hier jedoch mit einer Wartezeit von mindestens drei Monate gerechnet werden. (mb)