Da in den letzten Jahren jeweils durchschnittlich rund 170 IT-Unternehmen pro Jahr veräußert wurden, dürften sich aktuell rund 300 IT-Unternehmen in Verhandlungen mit potenziellen Käufern befinden.
Der mit COVID-19 einhergehende "shut down" der Wirtschaft, hat zu dramatischen Kurseinbrüchen an der Börse geführt. Investoren sind nachhaltig verunsichert und die Angst vor einer Rezession wird in der Tagespresse diskutiert.
IT-Unternehmer, die im Rahmen einer Nachfolgelösung planten, 2020 in Gespräche mit Kaufinteressenten zu gehen, fragen sich daher, ob jetzt der richtige Zeitpunkt ist, ihr Unternehmen zu veräußern, weil der aktuelle Unternehmenswert zu niedrig sein könnte.
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Auch derzeit bereits laufende Verhandlungen bezüglich des Kaufpreises eines IT-Unternehmens könnten von der Krisensituation beeinflusst werden. Die von den Unternehmensverkäufern vorgelegten Planzahlen für die nächsten Jahre und vor allem für das laufende Geschäftsjahr dürften in der Regel nicht mehr zu halten sein. In die Unternehmensbewertung sind diese Zahlen aber bereits eingegangen.
Die Möglichkeiten auf eine Kaufpreiseinigung sind von der Motivation der potenziellen Käufer abhängig. Hier kann zwischen drei Kategorien unterschieden werden:
Kategorie I:
Ist die Risikoeinschätzung des Käufers aufgrund der derzeitigen Situation grundsätzlich negativ, wird er die Verhandlungen abbrechen oder vertagt die Verhandlungen in bessere Zeiten. Es ist schnell zu erkennen, ob der Kaufinteressent zu der dargestellten Sichtweise gehört. Jeder weitere Aufwand in Verhandlungen wird die Erfolgschancen nicht verbessern können - ein Abbruch spart Kosten.
Kategorie II:
Soweit die potenziellen Käufer strategisches Interesse an dem IT-Unternehmen haben, werden diese versuchen aufgrund der Situation einen niedrigeren Kaufpreis auszuhandeln.
Kaufinteressenten, die strategisches Interesse haben, zeigen eine andere Sichtweise auf den ROI eines Unternehmenszukaufs, deshalb akzeptieren sie meist auch höhere Kaufpreise. Allerdings zeigt die Erfahrung aus den Jahren 2000 und 2007/2008, dass Großunternehmen und Konzerne unabhängig von allen strategischen Interessen in Krisenzeiten pauschal alle M&A-Aktivitäten "einfrieren".
Kategorie III:
Der Käufer hat Interesse am IT-Unternehmen, sieht aber Risiken, die er über einen angemessenen Kaufpreis ausgeglichen haben möchte.
Für die Käufer der Kategorie II+III möchte ich im Folgenden eine Auswahl von möglichen potenziellen Risiken identifizieren und darstellen, welche Möglichkeiten es gibt über eine variable Kaufpreisgestaltung zu einer Einigung zu kommen.
Risiken und Maßnahmen
Risiko Umsatz/Ergebnis:
Die geplanten Umsatzzahlen werden verfehlt und das Betriebsergebnis wird gegebenenfalls negativ oder verfehlt die geplante Rendite.
Maßnahme:
Soweit das IT-Unternehmen einen hohen Anteil von "wiederkehrenden Einnahmen" wie Wartungserlöse, Mieten, Service-Abos etc. hat, beschränkt sich meistens die Eintrittswahrscheinlichkeit des Risikos. Insofern wären sogenannte "earn out"-Vereinbarungen gegebenenfalls sinnvoll. In einer "earn out"-Vereinbarung wird der Kaufpreis in einen fixen Betrag (ist sofort fällig), und in einen variablen, erfolgsabhängigen Betrag, dessen Höhe zum Beispiel vom tatsächlich erreichten Umsatz/EBIT abhängig ist, aufgeteilt.
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Diese Vereinbarungen können über mehrere Jahre getroffen werden. Es hat sich in der Praxis bewährt, derartige Vereinbarungen an Beispielen (z.B. in Excel) darzustellen und diese in den Kaufvertrag mit aufzunehmen.
Gewarnt wird von sogenannten "Lichtschaltereffekten", die ab einer absoluten Summe den "earn-out" komplett ausfallen lassen. Derartige Vereinbarungen könnten einen Käufer dazu "verführen", diese definierten Zustände zu manipulieren.
Während der Laufzeit des "earn-out" sollte der Verkäufer die Möglichkeit haben, die Geschicke des Unternehmens möglichst vollständig zu beeinflussen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass der Käufer über von ihm bestimmte Maßnahmen den earn out zu seinen Gunsten beeinflusst. Hierzu sollten im Kaufvertrag auch klare Regeln vereinbart werden, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.
Eine Beeinflussung des Verkäufers könnte beispielsweise so aussehen: Beide Parteien machen den earn out an einem festgesetzten Betriebsergebnis fest. Der Käufer stellt dann, während der Laufzeit der Vereinbarung, zwei Mitarbeiter ein und steigert dadurch die Kosten, die das EBIT reduzieren. Dadurch kann es möglich sein, dass der Verkäufer das vereinbarte Ziel nicht erreicht.
IT-Unternehmen, die eine hohe Abhängigkeit von Neukundenumsätzen haben, sollten derartige Regelungen nur vereinbaren, wenn der Umsatz sehr wahrscheinlich trotz Krise erwirtschaftet werden kann.
"earn out"-Beispiel |
Risiko Zahlungsmoral der Kunden:
Die Zahlungsmoral der Kunden verschlechtert sich und überproportionale Umsatzausfälle drohen.
Maßnahme:
Wenn eine Zahlungsausfallversicherung oder der Verkauf der Forderungen nicht zu teuer kommt, könnten darüber diese Risiken reduziert werden. Alternativ könnte auch die Umstellung auf Vorauszahlungen, Lastschrifteinzug (wie z.B. bei der DATEV) vor dem Unternehmensverkauf eine mögliche Lösung darstellen.
Risiko Kundenverluste:
Die Kündigungsrate der Kunden erhöht sich überproportional durch Konkurse oder Betriebsaufgaben.
Maßnahme:
Für dieses Risiko bietet es sich an, die durchschnittliche Kündigungsrate z.B. als "Normalfall" zu definieren und Abweichungen vom Kaufpreis erhöhend oder reduzierend zu bewerten (auch hier empfehlen wir Beispielrechnungen in den Vertrag mit auf zu nehmen).
Die Anzahl der Unternehmensverkäufe in Krisenzeiten sinkt meist sehr stark. Dennoch gibt es die beschriebenen Instrumente, um eine Kaufpreiseinigung zu erzielen. Unternehmer/innen die nun schon im Rentenalter sind und keinen Nachfolger haben, sollten trotz Krise dieses "Projekt" in Angriff nehmen, da die Vorbereitungen für diesen Prozess auch meist länger dauern als gedacht. (bw)
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