Die Finanzmarktkrise zeigt erstmals auch Auswirkungen auf den deutschen Wirtschaftsstandort. So wird eine leichte Trendumkehr bei den Insolvenzen befürchtet. Wie der Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU) erhoben hat, sinkt die Zahl der Firmen-Insolvenzen dieses Jahr mit voraussichtlich 28.500 nur noch leicht unter das Vorjahresniveau (29.160), nachdem sie in den vergangenen Jahren jeweils deutlicher zurückging. Aufgrund der zunehmenden Skepsis der Banken untereinander geht der BDIU davon aus, dass sich Unternehmen bei ihrer Kredit-Beschaffung in den kommenden Monaten auf erschwerte Bedingungen einstellen müssen. Banken würden die Kreditvergabe noch genauer prüfen. Sollte parallel zu diesem Trend die Konjunktur stärker ins Stocken geraten, nehme auch die Insolvenzrate weiter zu, so das Fazit.
"Gegenwärtig sind die Folgen der Finanzmarktkrise für viele Unternehmen zum Glück noch nicht so stark zu spüren, wie dies in den USA der Fall ist. Obwohl die Konjunktur hierzulande sehr gesund aussieht, rechnen wir auch wegen der flächendeckenden Anwendung von Basel II damit, dass sich die Situation frühestens ab 2009 insolvenzbezogen eintrüben könnte", meint BDIU-Präsident Stephan Jender im pressetext-Interview. Laut dem Experten scheinen sich die Banken in Deutschland bereits jetzt schon auf eine sich abzeichnende Rezessionsentwicklung einzustellen, die zu einer rigideren Kreditvergabe führen wird.
Diese Einschätzung scheint nicht unbegründet zu sein, da im Rahmen der Frühjahrsumfrage 38 Prozent der befragten BDIU-Unternehmen angaben, dass insbesondere private Schuldner jetzt Rechnungen schlechter begleichen können als noch im Herbst 2007. Nur 16 Prozent der Befragten berichten gleichzeitig von einem schlechteren Zahlungsverhalten im Gewerbe. "Die meisten privaten Betroffenen können ihre Rechnungen aufgrund von Überschuldungen sowie durch Arbeitslosigkeit nicht oder in den meisten Fällen zu spät begleichen", sagt Jender. Dies seien wesentliche Gründe dafür, warum die Zahl der Verbraucherinsolvenzen bis Jahresende gegenüber 2007 (105.238) um fast ein Fünftel auf rund 125.000 ansteigen werden.
Obwohl Jender den Gipfel der Verbraucherinsolvenzen bei maximal 170.000 Fällen pro Jahr erreicht sieht, gerät vor allem die öffentliche Hand verstärkt in den Blickpunkt. "Wir beobachten die Situation sehr genau und üben auch scharfe Kritik an den Städten und Gemeinden, da 93 Prozent der BDIU-Mitglieder berichten, dass sich die Zahlungsmoral seit Herbst 2007 nicht verbessert hat", erläutert der BDIU-Präsident die Problematik gegenüber pressetext. Laut Jender könne man nicht immer nur das einzelne Fehlverhalten des verschuldeten Bürgers anprangern, wenn selbst Behörden Defizite im Forderungsmanagement besitzen. Nach Angaben des Inkasso-Verbands fehlen den Kommunen derzeit mindestens zwölf Mrd. Euro durch nicht bezahlte Rechnungen. (pte)