Eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung ist nicht nur eines der häufigsten Abmahnthemen, so die Erfahrung aus unserer langjährigen Beratungspraxis. Bei einer Widerrufsbelehrung kann ein Internethändler viele Fehler machen, sei es, dass er nicht das amtliche Muster des Gesetzgebers verwendet, die Belehrung nicht dem aktuellen amtlichen Muster entspricht, eine Widerrufsbelehrung uralt ist oder die Widerrufsbelehrung aus dem amtlichen Muster nicht ordnungsgemäß "zusammengebaut" wurde. All dies ist wettbewerbswidrig und wurde und wird auch häufig abgemahnt.
Ein weiteres Problem einer falschen Widerrufsbelehrung ist der Umstand, dass die Widerrufsfrist (aktuell meistens 14 Tage) unter anderem erst dann beginnt zu laufen, wenn der Verbraucher auch ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht belehrt wurde. Es heißt insofern in § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB "Die Widerrufsfrist beginnt, wenn der Verbraucher eine den Anforderungen des § 360 Abs. 1 entsprechende Belehrung über sein Widerrufsrecht in Textform mitgeteilt worden ist."
§ 355 Abs. 4 Satz 1 regelt: "Das Widerrufsrecht erlischt spätestens 6 Monate nach Vertragsschluss." Diese Norm hat jedoch keine praktische Bedeutung, da § 355 Abs. 4 Satz 3 regelt: Abweichend von Satz 1 erlischt das Widerrufsrecht nicht, wenn der Verbraucher nicht entsprechend den Anforderungen des § 360 Abs. 1 über sein Widerrufsrecht in Textform belehrt worden ist."
Die Sechs-Monats-Frist gilt nur dann, wenn die Widerrufsbelehrung auf der einen Seite in Ordnung war, weitere Informationspflichten jedoch verletzt wurden. Bei einer falschen Widerrufsbelehrung gilt jedoch auf jeden Fall die Regelung des § 355 Abs. 4 Satz 3 BGB, demzufolge das Widerrufsrecht gar nicht erlischt.
Widerrufsrecht bis zum jüngsten Tag?
Theoretisch besteht somit bis zum jüngsten Tag ein Widerrufsrecht, sodass ein Verbraucher nach Jahren, wenn bspw .die gesetzlichen Gewährleistungsfristen schon lange abgelaufen sind, sich entscheiden könnte, das Widerrufsrecht auszuüben. Dies ist umso weitreichender, als bis zur Einführung der Widerrufsbelehrung in Form eines Gesetzes die Frage, wie ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht zu belehren ist (das damalige amtliche Muster in Form einer Verordnung konnte jedenfalls so nicht verwandt werden) nicht abschließend geklärt ist.
Einem "ewigen" Widerrufsrecht schiebt nur die sogenannte Verwirkung einen Riegel vor. Verwirkung ist sozusagen der Notnagel unter Berücksichtigung von Treu und Glauben, durch das ein Recht nicht mehr durchgesetzt werden kann. Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat, dass es auch nicht mehr geltend gemacht wird. Mit anderen Worten: Wer bspw. über fünf Jahre sein Widerrufsrecht nicht ausgeübt hat, dürfte einen Internethändler erheblich überraschen, wenn dies aufgrund einer falschen Widerrufsbelehrung jetzt doch noch erfolgt. Die Frage ist letztlich, ab wann das Recht auf Widerruf als verwirkt gelten kann.
So weit die Theorie. Für sogenannte Haustürgeschäfte im Zusammenhang mit Schrottimmobilien ist das Widerrufsrecht, selbst nach einem Zeitablauf von zehn Jahren noch nicht verwirkt. Zum Warenkauf ist uns keinerlei Rechtsprechung bekannt.
Widerrufsrecht nach zwei Jahren
Das Amtsgericht Wandsbek hat sich durch ein Urteil vom 13.01.2012, Az.: 716 a C 354/11, mit der Frage zu befassen, inwieweit ein Widerruf eines Mitgliedsvertrages, der offensichtlich über das Internet geschlossen wurde, auch nach zwei Jahren noch möglich ist.
Nach Ansicht des Amtsgerichtes war die Widerrufsbelehrung falsch mit der Folge, dass der Kunde auch noch nach zwei Jahren widerrufen konnte. Offensichtlich (ganz klar ist dies nicht) ging es um einen Dienstleistungsvertrag. Dieser war auch nicht von beiden Seiten erfüllt mit der Folge, dass das Widerrufsrecht hierdurch erlischt.
Nicht einmal Wertersatz konnte der Anbieter verlangen. Voraussetzung, so das Amtsgericht, für Wertersatz bei einer Dienstleistung wäre, dass der Verbraucher vor Abgabe seiner Vertragserklärung auf die Rechtsfolge hingewiesen worden ist und ausdrücklich zugestimmt hat, dass der Unternehmer vor Ende der Widerrufsfrist mit der Ausführung der Dienstleistung beginnt. Dies konnte der Anbieter nicht nachweisen.
Der Autor Johannes Richard arbeitet als Rechtsanwalt in der Kanzlei Langhoff, Dr. Schaarschmidt & Kollegen in Rostock. Er hat sich auf die Bereiche Internet- und Online-Recht sowie Wettbewerbsrecht spezialisiert und ist Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz.
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