Was ist die Deutsche Börse Cloud Exchange (DBCE)
Die DBCE (https://go.cloud.exchange/website/buy) entstand 2013 als Joint Venture der Deutsche Börse AG und der Berliner Zimory GmbH, einem auf Cloud-Management spezialisierten Startup. Ziel war es, einen anbieterneutralen Cloud-Marktplatz für IT-Infrastruktur ins Leben zu rufen. Die DBCE beschäftigt derzeit 44 Mitarbeiter, die Geschäfte werden von Berlin aus geführt. Firmensitz ist aber Eschborn bei Frankfurt am Main.
Warum hat sich der Starttermin verzögert?
Die 2014 geplante Eröffnung wurde aufgrund der unterschätzten Komplexität verpasst. Wie der DBCE-Vorstandsvorsitzende Randolf Roth vor der Presse einräumte, führte das in der Betaphase eingesammelte Feedback zu tiefgreifenden Anpassungen. Der Betreiber habe noch einmal viel Geld in die Hand genommen, um die Funktionalität und die Benutzeroberfläche angemessen zu gestalten. Am 20. Mai 2015 hat die DBCE nun ihre Pforten geöffnet.
Was bietet die DBCE konkret an?
Angeboten werden Rechenleistung (CPU in sogenannten Performance Units bzw. PUs), Hauptspeicher und Storage. Kunden können sich dazu einen Provider auswählen, Preise vergleichen, Ressourcen in einem zuvor definierten Umfang einkaufen, darauf aufsetzend Virtual Machines konfigurieren und diese aus dem Web-Frontend heraus starten und steuern. Alle Funktionen sind über ein API ansprechbar. Kunden haben den Ressourcenverbrauch ständig im Blick und können gegebenenfalls nachkaufen.
Welche Cloud-Provider bieten Leistungen auf der DBCE an?
Derzeit lassen sich Ressourcen von folgenden vier eher kleineren Anbietern beziehen:
Innovo Cloud GmbH aus Eschborn,
Cloud & Heat Technologies GmbH aus Dresden,
Darz GmbH, Darmstadt, und
Ultimum Technologies aus Prag, der bislang einzige ausländische Anbieter.
Weitere Provider aus dem In- und Ausland sollen bald folgen. So steht die Aufnahme der französischen Orange-Tochter Cloudwatt unmittelbar bevor.
Können auch Broker oder Händler Cloud-Leistungen anbieten?
Nein, auf der DBCE sind ausschließlich Rechenzentrumsbetreiber zugelassen. Komplexere Broker-Modelle sind bislang nicht vorgesehen.
Wie funktioniert der Einkauf von Ressourcen?
Kunden registrieren sich, anschließend kaufen und konfigurieren sie ihren Ressourcenpool. Im Rahmen ihrer "Trade Balance" erwerben sie Kontrakte für Ressourcen - also für CPU, Memory und Storage. In diesem Pool können sie dann ihre VMs starten. Wenn ihr Etat erschöpft ist, wird ihnen eine Warnung angezeigt. Bezahlt wird am Monatsende, danach wird die Trading Balance automatisch zurückgesetzt. Soll das Einkaufslimit verändert werden, hilft der DBCE-Support.
Anders als im Hosting-Business üblich kauft der Kunde also nicht VMs bestimmter Größe mit entsprechend hinterlegten Ressourcen, sondern einen Ressourcenpool, in dem er seine VMs so konfiguriert, wie er sie braucht. So kann er Ressourcen zukaufen oder verändern, ohne dass die VMs beeinträchtigt werden.
Um die Konfigurationsarbeit zu erleichtern, bekommt der Kunde ein Menü an die Hand, das ihm hilft paketierte Ressourcen auszuwählen. Die Variante "Standard-M" beispielsweise besteht aus 4 PUs, 8 GB Memory und 0,05 Terabyte Speicher. Ein Balkendiagramm zeigt an, wie gut der Ressourcenpool in den drei Kategorien CPU, Hauptspeicher und Storage gefüllt ist.
Welche Differenzierungsmöglichkeiten haben die Provider?
Anbieter bekommen jeweils eigene Profilseiten, auf denen sie angeben können, welche Besonderheiten sie zu bieten haben - ob sie beispielsweise eine bestimmte Hardware oder eine besondere Technologie einsetzen. Das kann nützlich sein, wenn Kunden etwa explizit nach High-Performance-Ressourcen suchen.
Die Kategorisierung nach CPU, Memory und Storage ist nur eine grobe: Granulare Differenzierungen sollen mit kommenden Versionen möglich werden. Im Bereich Storage etwa kann man dann nicht mehr nur die Menge der Terabytes wählen, sondern auch ob man einen High-Performance-Speicher bekommt, SSD-Technik etc. Generell soll es irgendwann verschiedene Performance-Klassen geben, so dass die Kunden wählen können, ob sie für entsprechend mehr Geld Hochverfügbarkeits- oder Low-Latency-Produkte mit besonderen Service Level Agreements (SLAs) haben möchten.
Die DBCE erwartet keinen "Preiskampf" auf ihrem Marktplatz, wohl aber eine Differenzierung über den Preis. Die Preise sind transparent; die Provider können zeigen, wie sie zustande kommen. Auf Dauer soll Differenzierung aber auch über unterschiedliche Quality of Services und über die Governing Region stattfinden: Ein deutscher Anbieter dürfte aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen, die er erfüllen kann, andere Preise aufrufen können als ein Provider aus dem Ausland.
Wie findet ein Kunde das passende Angebot?
Je nach Angaben zu Mengen, Regionen, Laufzeiten und anderen Entscheidungsparametern werden die Suchergebnisse gefiltert. Sucht ein Kunde billigen Hauptspeicher, weil er einen Memory-intensiven Workload hat, werden die Ergebnisse entsprechend diesem Suchkriterium angezeigt. Provider können sich also überlegen, mit welchen Angeboten sie punkten und ob sie beispielsweise den Memory-Preis billig, dafür aber CPU und Storage teuer anbieten möchten. Aus Provider-Sicht lässt sich das - je nach Auslastung der eigenen Infrastruktur - auch dynamisch gestalten.
Welche Preismodelle gibt es?
Die DBCE bietet die beiden Vertragstypen "Pay as you go" und "Fixed End" an. Beim Pay-as-you-go-Verfahren stehen die Ressourcen sofort zur Verfügung, abgerechnet wird im Stundentakt nach Ressourcenverbrauch, sobald die VM hochgefahren ist.
"Fixed End" sieht dagegen die Buchung von Ressourcen für einen bestimmten Zeitraum (etwa die Dauer eines Projekts) vor. Hier muss gezahlt werden, egal ob die Ressourcen genutzt werden. Ein Vorteil dieser Variante besteht darin, dass Kunden vorab herausfinden können, zu welchen Konditionen sie Ressourcen wann und bei welchem Provider zu den günstigsten Bedingungen buchen können.
Wird die DBCE ein Marktplatz, auf dem Cloud-Provider vor allem ihre Überkapazitäten loswerden wollen?
Zum Teil, ja. Andererseits bietet sich für Cloud-Provider die Chance, hier einen neuen Sales-Channel zu eröffnen, den sie vorher nicht bedienen konnten. Sie stellen einen Teil ihres Data Center explizit der DBCE zur Verfügung und bauen darauf ein Public-Cloud-Angebot auf. Der Vorteil: Sie müssen sich um Aufgaben wie die Gestaltung eines ansprechenden Benutzer-Frontends, Billing oder den First-Level-Support (inkl. Ticketing-System) nicht kümmern. Für die Rechnungslegung etwa hat die DBCE eigens einen standardisierten Prozess geschaffen. Wie die DBCE argumentiert, sollten sich diese Shared Services positiv in den Costs per Order der Provider niederschlagen.
Wie erhalten Provider die Zulassung zur DBCE (Onboarding)?
Hier gibt es einen zweistufigen Prozess. Die DBCE hat ein Team, das sich mit der technischen Evaluation beschäftigt. Es arbeitet mit einer dedizierten Settlement-Software, die oberhalb des Cloud-Stacks des Providers (idealerweise eine OpenStack-Infrastruktur) installiert wird. Allerdings sind Setup und Infrastruktur bei jedem Provider unterschiedlich, so dass die Anbindung an den Marktplatz meistens nicht ganz trivial ist. Im ersten Schritt wird das Team herausfinden, wie groß der Aufwand ist, um dann weitere Schritte einzuleiten.
Neben diesem "Bits-und-Bytes-Check" gibt es einen zweiten Schritt: den prozessual-operativen Check. Hier stützt sich die DBCE auf die Mithilfe des TÜV Rheinland, der standardisiert prüft wie die Provider prozessual aufgestellt sind und ob sie überhaupt dauerhaft und in der nötigen Qualität liefern können.
Wird auch die Finanzsituation der Provider geprüft?
Ja, aber die technische Kontrolle hat derzeit Vorrang vor der finanziellen. Die DBCE setzt auf Provider mit einer gewissen Größe und Professionalität, kann aber die Solvenz nur zu einem bestimmten Grad prüfen, da die Dienstleister unterschiedlichen Rechtsformen mit unterschiedlichen Publizitätspflichten unterliegen.
Können Kunden festlegen, aus welchem Land sie Ressourcen beziehen wollen?
Ja. Die Plattform ist zunächst auf Kontinentaleuropa beschränkt. Über einen Filtermechanismus lassen sich die "Governing Regions" einstellen, so dass sich beispielsweise nur Anbieter aus Deutschland, aus der EU oder aus anderen europäischen Ländern anzeigen lassen. Die Governing Regions sind auf der Website gut sichtbar und dienen als eines von vielen Filterkriterien.
Governing Region Deutschland bedeutet, dass der Provider ein deutsches Unternehmen ist, sein RZ in Deutschland betreibt und alle Parteien mit Root-Zugriff in Deutschland sitzen. US-Anbieter, die ein Rechenzentrum in Deutschland betreiben und auch die Administration hier ansiedeln, werden beispielsweise nicht unter "Governing Region Germany" erscheinen.
Wie funktioniert die Vertragsgestaltung?
Grundsätzlich schließen die Kunden Standardverträge mit den Providern ab, in denen Leistungen und Governing Regions vereinbart sind. Das soll den Kunden Sicherheit garantieren. In Streitfällen sieht sich die DBCE als Vermittler im Zentrum, der Zugang zu verschiedenen Datenpunkten hat. Kommt es zu Problemen, kann die DBCE unter Umständen erkennen, ob die Ursachen auf Provider- oder Kundenseite liegen und entsprechend vermitteln.
Gibt es Zugangsvoraussetzungen für die Nutzung der DBCE als Cloud User?
Nutzer benötigen eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer und müssen eine Kreditkarte hinterlegen.
Können auch große Anwender ihre RZ-Überkapazitäten an der DBCE vermarkten?
Theoretisch können Konzerne, die auf Provider-Niveau Rechenzentren betreiben, über die DBCE anbieten. Laut DBCE-CTO Maximilian Ahrens unterscheiden sich allerdings die Strukturen echter Provider von denen der Privatunternehmen mit internen Kunden auf der Prozessebene signifikant. Ein DAX-Konzern, der als Provider auftreten will, hat demnach höhere Hürden zu nehmen als ein kommerzieller RZ-Betreiber. Entsprechende Gespräche soll es dennoch geben.
Welche Partner hat die DBCE jenseits der Cloud-Provider?
Die DBCE hat gemeinsam mit der Dresdner solid-serVision die ServiceNow-Plattform in den Marktplatz integriert. ServiceNow-Anwender können so Infrastruktur aus dem Marktplatz einfacher in ihr IT-Service-Management einbetten - genauso wie sie bereits AWS-Ressourcen oder Private-Clouds auf Basis von VMware-Technologie integrieren können.
Auch mit der Fritz & Macziol Group arbeitet die DBCE zusammen. Für seine Kunden übernimmt das Systemhaus die Anbindung an den Marktplatz und berät sie beim Einkauf von Ressourcen.