"Sicherlich muss ein Unternehmen wissen, was es mit Digitalisierungsprojekten erreichen möchte", sagte Nadiem von Heydebrand, CEO der Mindfuel GmbH. Doch der Spezialist für die Entwicklung von Digitalisierungsstrategien warnte auf dem CxO-Impuls 2021, einem Expertengespräch des Systemhauses Advanced UniByte in Metzingen vor allzu ausgefeilten Zukunftsplanungen. Vielmehr setzt der Münchener darauf, dass durch ein erfolgreiches Beispiel viele weitere Ideen entstehen.
Wichtig ist ihm, dass die Projekte die bisherige Wertschöpfungskette stützen und verbessern. Etwa indem zusätzliche Dienstleistungen entwickelt werden, die einen weiteren Nutzen für die Kunden des Unternehmens bieten. Die Erwartung, gleich das Nonplusultra in der Hand zu haben, hält er für überzogen: "Maschinenbauer haben über Jahrzehnte ihre Produkte entwickelt und entdecken immer weiteres Effizienzpotential". Das Gleiche gelte für Digitalisierungsprojekte.
Zustimmung erhält er von Alexander Pokorny: Strategie sei zwar wichtig, man könne die Digitalisierung aber auch zu Tode reden. Der Rat des Datenspezialisten und Head of Digital Business Development der Data Technology aus Wien an Geschäftsführer und Beteiligte lautet deshalb: "Fangen Sie mit einem Mini-Use-Case an, aber tun Sie es." Über viele wichtige Daten verfügen die Unternehmen längst, in Sensoren, der Maschinensteuerung oder in Excel-Tabellen.
Digitalisierung "Schritt für Schritt"
Der Schritt zu einem neuen oder ersten Digitalisierungsprojekt sei daher oft eher kurz, so Markus Schwarz. Der Inhaber der amentis solutions ist Experte für Datenmanagement. Aus seiner Sicht ist es wichtig, festzustellen, welche Informationen das konkrete Projekt voranbringen. Denn: "Daten sind digitaler Rohstoff". Seine Aufgabe ist es zu ermitteln, welche Daten schon da sind und welche Informationen noch benötigt werden. Die Erfahrung aller Experten ist, dass sich aus dem ersten Use-Case mit wenigen Ergänzungen ein weiteres Projekt entwickeln lässt. Deshalb sei eine "große Strategie oftmals hinderlich". Unternehmen würden leichter in ein Digitalisierungskonzept hineinwachsen, wenn sie sich an der Idee des zusätzlichen Nutzens und einem Mehrwert für ihre Kunden orientieren.
Bei allem "Learning-by-doing" spricht sich Stephan Körner für eine durchdachte Datenstruktur aus. "Spätestens wenn die Projekte erwachsen werden, benötigen sie eine entsprechende Infrastruktur als vernünftiges Fundament, damit darauf später auch ein Hochhaus stehen kann", so der CTO der Advanced UniByte und Experte für flexible IT-Infrastrukturen und -Services, denn mit den Projekten wachsen die Daten exponentiell. Diese sollten nicht an einem fixen Punkt liegen, sondern "beweglich" sein, denn der eigentliche Aufwand liegt darin, die Bits und Bytes "von links nach rechts" zu verschieben.
Deshalb sei es sinnvoll, die Daten je nach ermitteltem Bedarf an verschiedenen Orten verfügbar zu haben, um so schnell wie möglich darauf zugreifen zu können. Ein lebendiges und effizientes Netzwerk zwischen diesen Informationsspeichern sei notwendig - die Data Fabric, die das Rückgrat für eine erfolgreiche Digitalisierung von Unternehmen bildet.
Ähnlich sagt Sebastian Mangelkramer, CEO der Wiener FullStacks GmbH, dass Führung und IT des Unternehmens die Architektur des Business durchdenken sollten. "Der Prozess ist eine Kette von Einzelschritten. Es hilft nicht, Einzelteile zu analysieren, sondern deren Zusammenhang muss verstanden werden", so der Fachmann für Performance Monitoring. Mögliche Probleme im Prozess würden oft erst deutlich, wenn man die gesamte Kette sowie den "Kitt" zwischen den Teilen anschaue - die sogenannte "end to end visibility". Zum einen können erst mit der Gesamtübersicht fundierte Entscheidungen getroffen werden. Zum anderen würden so die Anwender miteinbezogen. "Und mit deren Akzeptanz steht und fällt das gesamte Projekt", sagt Mangelkramer.
80 Prozent der Digitalisierungsprojekte scheitern
Pessimistische Schätzungen in der IT-Branche gehen davon aus, dass rund 80 Prozent der Digitalisierungsprojekte scheitern. Auf alle Fälle sei es "erschreckend, wie viele Projekte in den Unternehmen es nicht über die Ziellinie schaffen", sagte Sandro Walker, Gastgeber und CEO der Advanced UniByte in seiner Einführung. Die "end to end visibility" dürfe nicht dazu führen, dass bei unerwarteten Herausforderungen die Verantwortlichkeit zwischen den Beteiligten hin und her geschoben wird, so Mangelkramer, sondern im Gegenteil, dass das Silodenken der einzelnen beteiligten Abteilungen und Experten überwunden wird.
Denn letztlich profitieren alle von einem funktionierenden Projekt. Deshalb sei es unumgänglich, von Anfang an alle Beteiligten an einen Tisch zu holen: Die Abteilungen oder Projektmitglieder, die IT sowie mögliche Partner. "Digitalisierung passiert nicht nur in einem Teil der Organisation, sondern ist ein gemeinschaftliches Thema", lautet das Plädoyer von Heydebrands. Zumal zwischen den Fachgruppen und der IT selten gegenseitiges Verständnis für die jeweilige Arbeit herrsche und deshalb Anforderungen gestellt werden, die häufig schwer erfüllbar sind, stellt Körner in seinen Beratungen fest. Erst im gemeinsamen Entwickeln und Tun wachsen diese Schnittstellen zusammen.
Wenn Controller und Produktentwickler miteinander sprechen, so Pokorny, können sie auch verstehen, warum sich beispielsweise der Absatz eines Lebensmittelproduktes sprunghaft verändert, wahrscheinlich wegen einer geänderten Rezeptur - und schon seien die neuen Umsatzdaten erklärbar. Gerade durch die stärkere Verbindung und ein agiles Denken der Abteilungen entsteht Kreativität, um neue Ideen zu entwickeln und daraus schrittweise neue Digitalisierungsprojekte zu realisieren.
Drei Punkte, die man bei Digitalisierungsprojekten beachten sollte
Die Digitalisierung gelingt, wenn Unternehmen diese drei Aspekte beachten:
Eine Strategie oder eine klare Zielorientierung sind wichtig. Doch wenn diese zu detailliert sind, behindern sie eher. Denn: Viele zusätzliche Möglichkeiten werden erst beim Gehen entdeckt.
Es ist wichtig anzufangen. Es geht nicht darum, gleich den großen Wurf zu landen, sondern Erfahrungen in kleinen Use-Cases zu sammeln und sie erfolgreich zu einem Ende zu bringen.
Viele Mitarbeiter sind von der Digitalisierung betroffen. Sie gehören von Anfang an einen Tisch: Abteilung oder Projektgruppe, IT-Abteilung und externe Experten. Sie können beurteilen, was notwendig ist und sind stärker identifiziert.