Die gute Lage auf dem IT-Arbeitsmarkt erinnert ein wenig an die großen Hype-Zeiten von 2000: Kaum geht es der Branche besser, schraubt der Branchenverband Bitkom seine Wachstumsprognosen nach oben - von 1,6 auf zwei Prozent - und beschwört den akuten Fachkräftemangel. Von 20 000 offenen Stellen ist derzeit die Rede. Vor allem hoch qualifizierte Softwareentwickler, IT-Berater, Projekt-Manager und Vertriebsspezialisten seien stark nachgefragt.
"Die Unternehmen haben zunehmend Probleme, qualifizierte Mitarbeiter zu finden", sagte Verbandspräsident Willi Berchtold anlässlich der Eröffnung der CeBIT in Hannover. Einer Bitkom-Umfrage zufolge erklärte die Hälfte aller befragten Unternehmen aus der IT- und Telekommunikationsbranche, dass der Fachkräftemangel die Firmenentwicklung bremse. Stellen, für die IT-Know-how notwendig sei, könnten oft gar nicht oder erst wesentlich später als geplant besetzt werden, gaben 57 Prozent der Umfrageteilnehmer an. Diese alarmierenden Werte zwängen zum Handeln, so Berchtold weiter. Das Bildungssystem müsse reformiert und die Einwanderungsbestimmungen für Fachkräfte müssten erleichtert werden. "Das Informatikstudium muss attraktiver werden", forderte der Bitkom-Chef weiter, damit die Abbrecherquote gesenkt werde. Derzeit machen nur die Hälfte der Studienanfänger im Fach Informatik tatsächlich ihren Abschluss.
Nachfrage nach IT-Profis steigt
"Wir haben bereits im vergangenen Jahr über 200 neue Mitarbeiter eingestellt und suchen auch dieses Jahr wieder Kandidaten, besonders im Bereich Services, Marketing und Vertrieb", bestätigte Brigitte Hirl-Höfer, Director Human Resources Germany bei Microsoft, in der Diskussion "Vom Tekki zum Mekki – IT-Arbeitsmarkt im Wandel" im COMPUTERWOCHE-Karrierezentrum auf der CeBIT. Auch Rudolf Kuhn, Geschäftsführer des IT-Beratungsunternehmens Logica CMG, erklärte, dass er im laufenden Jahr 400 neue Berater einstellen wolle. Auf dem Podium herrschte Einigkeit darüber, dass die Besetzung der freien Stellen nicht leicht sei. "Da der Bedarf an erfahrenen Beratern derzeit sehr groß ist, suchen wir mitunter die Nadel im Heuhaufen", so Dagmar Schimansky-Geier von der Personalberatung 1a Zukunft.
Für die Bewerber hingegen ist Optimismus angesagt. Die Chancen auf einen Job in der IT-Branche sind gut. Doch die Unternehmen haben nach dem Platzen der Dotcom-Blase ihre Lektion gelernt. Längst wird nicht mehr jeder eingestellt, der ein bisschen IT-Know-how nachweisen kann. Bewerber mit abgeschlossener Hochschulausbildung in Informatik oder Wirtschaftsinformatik seien derzeit stark nachgefragt, betonte Bitkom-Vizepräsident Jörg Menno Harms auf dem Podium: "Quereinsteiger haben es nicht so leicht." Voraussetzung sei ein Studium, das zum Fachgebiet passe, fügte Michael Hillerbrand, Personalleiter Deutschland von SAP, hinzu. Er warnte: "Die technische Qualifikation ist kein Differenzierungsmerkmal mehr."
Vom Tekki zum "kleinen Berater"
Aspekte wie soziale Kompetenz, Flexibilität, Teamgeist, interkulturelle Erfahrung und vor allem verhandlungssicheres Englisch seien heutzutage unbedingt erforderlich, um in einer globalen Wirtschaft als Techniker erfolgreich zu sein. "Wir arbeiten alle vernetzt, das stille Kämmerlein gibt es bei SAP nicht mehr, auch nicht für den Tekki", so Hillerbrand weiter. "Wir brauchen den zuverlässigen Schnittstellenjongleur", bestätigte Christof Schalhorn, Senior-Redaktionsleiter bei Comet Computer, Spezialist für Datenverarbeitung und technische Dokumentation. Social Skills seien unerlässlich, denn auch die Techniker müssten mit anderen Abteilungen, virtuellen Teams und mit Kunden zusammenarbeiten, nicht nur im Beratungsgeschäft. Zwar gebe es immer noch besondere Bereiche, wo reine Tekkis nachgefragt würden, etwa in der Automobilindustrie für Embedded Systems, warf Harms ein, doch dass jeder Informatiker zunehmend auch ein "kleiner" Berater sein müsse, darüber herrschte Konsens.
Doch auch Faktoren wie Leidenschaft für das Fachgebiet und Kompatibilität mit der Unternehmenskultur spielen bei der Besetzung von Stellen eine große Rolle. "Man muss für die Sache brennen", umriss die Personalexpertin Schimansky-Geier das Profil des passenden Bewerbers. Die Unternehmen prüfen bei ihren Bewerbungsverfahren sehr genau, ob der Kandidat die "richtige" Motivation besitzt und seine Persönlichkeit zum Team beziehungsweise in die Firmenkultur passt. Auch umgekehrt kann ein Schuh daraus werden: "Als ich 1992 zu arbeiten begann, habe ich mir den Job nach der Unternehmenskultur ausgesucht", erklärte SAP-Personalleiter Hillerbrand.
Alle fischen im selben Teich
Die Wunschkandidaten sind Mangelware und werden heiß umworben. "Wir bieten eine hohe Flexibilität in Bezug auf die Arbeitszeit", machte Hirl-Höfer unter dem Stichwort Work-Life-Balance (Vereinbarkeit von Job und Familie) Stimmung für Microsoft. Die Mitarbeiter des Softwarehauses könnten von jedem Ort aus (ob vom Büro oder von zu Hause) sowie auch in Teilzeit arbeiten. Wichtig sei dabei, dass diese flexible Arbeitskultur von oben vorgelebt werde. "Denn nur wenn das Management als 'Leading Example' vorangeht, spüren die Mitarbeiter, dass es ernst gemeint ist", so die Personalchefin weiter. Die Walldorfer hingegen bieten ihren Angestellten laut Hillerbrand zusätzlich zum Gehalt Sozialleistungen, die "über dem Durchschnitt" liegen, kostenloses Mittagessen sowie bewusst kein festes Arbeitszeitmodell: "Jeder kann bei uns eigenverantwortlich arbeiten."
Dass kleinere Firmen interessante Arbeitgeber sein können, dafür machte sich Schalhorn von Comet Computer stark. Mittelständische Unternehmen könnten nicht nur spontaner auf Kunden-, sondern auch auf Mitarbeiterwünsche reagieren. Für die Beraterzunft wiederum legte sich Kuhn ins Zeug. "Wir schuften nicht Tag und Nacht", suchte der Logica-CMG-Mann das Klischee vom überarbeiteten Consultant zu entkräften. Zwar komme es durchaus vor, dass Berater auch einmal 48 Stunden beim Kunden seien, doch dann gebe es auch wieder ruhigere Phasen in einem Projekt. Überstunden könnten bei Logica CMG zudem individuell mit Freizeit ausgeglichen oder in "Erfolgspunkte" übersetzt werden. Diese werden laut Kuhn am Jahresende dem Unternehmensgewinn gegenübergestellt, in Prämien übersetzt und ausgezahlt. (Computerwoche/Karen Funk/mf)