Todesanzeige

Fachhändler trägt Windows XP zu Grabe

09.04.2014 von Armin Weiler
Mit einer Todesanzeige in der örtlichen Tageszeitung hat das IT-Fachhandelshaus Entrance Computer für Aufsehen gesorgt. Darin wird kein geliebter Angehöriger betrauert, sondern ein in die Jahre gekommenes Betriebssystem.
Pietätlos oder pfiffige Werbeidee? Ein Großteil der Leser fanden diese Todeanzeige für Windows als einen gelungenen Werbegag.
Foto: Entrance Computer

Das hätte sich Entrance-Computer-Chef Dirk Sidowski auch nicht träumen lassen: Seit gestern stehen bei seiner Firma im westfälischen Hiddenhausen die Telefone nicht mehr still. Der Grund: Sidowski und seine Kollegen hatten in der lokalen Ausgabe der Neuen Westfälischen eine Todesanzeige zu Windows XP geschaltet.

"Wir nehmen Abschied von einem langjährigen Begleiter, der uns im Arbeitsalltag und zu Hause immer treu zu Diensten war", heißt es dort, gefolgt vom Release-Datum 25.10.2001 bis zum Support-Ende am 08.04.2014.

Eine erste Tagesszeitung, so erzählt Sidowski, habe die Anzeige abgelehnt. Beim zweiten angefragten Blatt wurde sie im normalen Anzeigenteil platziert: "Unter den Traueranzeigen wäre das pietätlos, das hätte ich nicht gewollt", betont der Entrance-Chef. Trotzdem waren unter den vielen Anrufern auch einige, die die Aktion für nicht besonders geglückt hielten. "Zwei Anruferinnen störten sich an dem Kreuz. Bei denen habe ich mich entschuldigt", berichtet Sidowski. Im Nachhinein hätte man auch über ein anderes Symbol nachdenken können, gibt er sich selbstkritisch. "Alle anderen fanden es aber klasse, das war einmal eine Werbung, die wirklich funktioniert hat!", freut sich der IT-Händler.

Entrance Computer trauert um Windows XP -

Dies ist das Ladenlokal des IT-Fachhandleshauses Entrance Computer...

... das mit dieser "Todesanzeige" für Aufsehen und republikweite Aufmerksamkeit sorgte.

Sogar in den Facebook-Bereich der Bild-Zeitung schaffte es ein Foto der Anzeige.

Das bescherte dem Händler aus dem westfälischen Hiddenhausen einen unverhofften Popularitätsschub...

... der sich schon konkret im Geschäft niedergeschlagen hat.

Beileidsbekundungen per Telefon und Mail

Sidowski bereichtet von einigen Higlights: "Wilfried aus Erfurt wollte auch sein Beileid bekunden. Er ist 75 Jahre und hat so manche Windows Versionen schon sterben sehen. Er selbst möchte aber nicht mehr auf neue Windows Versionen umsteigen möchte aber in diesem Sinne aus sein Beileid an uns Aussprechen und mit uns trauern". Weitere Beileidsbekundungen landen im Postfach:

"Sehr geehrte Herren von Entrance Computer,

mit Bedauern las ich ihre Anzeige in der NW vom 8.April. Ich bedaure sehr, dass ein guter, langjähriger Begleiter ihres Hauses für immer verschwinden musste.

Mir war er auch immer ein guter Freund gewesen, der mir immer stabil und ohne Mucken treu zur Seite gestanden hat.

Nun heißt es nach vorn blicken und sich mit den neuen Ablegern anfreunden. Ein schwieriges Unterfangen, da sich der Neue in einem total anderen und für alte Menschen gewöhnungsbedürftigen Outfit präsentiert. Ob sich dieser junge Ableger auch 13 Jahre in unserer schnelllebigen Compiwelt aufhalten darf, muss ich doch stark bezweifeln.

Herzliche Anteilnahme von einem mitfühlenden Windowsfreund.", lautet eine weitere Zuschrift.

Geschäft generiert

Doch nicht nur am Telefon und im Mail-Eingang war die Resonanz groß. Innerhalb kurzer Zeit hat sich die Anzeige über Facebook verbreitet. "Nun spüre ich am eigenen Leib einmal diesen viralen Effekt", sagt Sidowski. Damit habe er nicht gerechnet. Sogar ein Radio-Interview zur XP-Abkündigung habe ein Kollege schon gegeben.

Mitschnitt des Interviews mit Radio Herford

So schlägt sich diese Aktion tatsächlich auch im Geschäft nieder. "Es gibt noch viele unwissende Kunden", hat Sidowski erkannt, der neben dem eher Consumer-lastigen PC-Laden auch die KPS Systemhaus GmbH & Co.KG betreibt. Durch den Bekanntheitsschub kann er nun einem größeren Kundenkreis Windows Updates oder gleich neue Hardware anbieten. "Wir haben schon einiges verkauft", verrät er.

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Organisationen mit verlängerten Windows XP Support -
Wo der XP am 8. April 2014 nicht endet
Welche Organisationen haben sich einen XP-Support über das Ablaufdatum hinweg gesichert? Hier finden Sie Antworten.
Royal Bank of Scotland
Die Royal Bank of Scotland hat mit Microsoft einen Support-Vertrag über drei Jahre vereinbart. Die Zeit will das Bankhaus nutzen, um die Migration auf Windows 7 abzuschließen.
Lloyds, HSBC, Santander
Auch die britischen Banken Lloyds Banking Group, HSBC, Barclays und Santander haben einem Bericht von Reuters zufolge spezielle Vereinbarungen mit Microsoft getroffen, um den XP-Support zu gewährleisten.
Volksbank Stuttgart
Auch in Deutschland stehen Banken noch vor der Umrüstung. Einem Bericht der „Stuttgarter Zeitung“ zufolge betreibt beispielsweise die Volksbank Stuttgart sämtliche 151 Geldautomaten, 94 Kontoauszugsdrucker und 28 Serviceterminals noch unter Windows XP. Das Institut hat mit Microsoft eine Supportverlängerung bis 2017 vereinbart.
Niedersachsen
Das Land Niedersachsen hat sich den XP-Support bis zum Jahr 2015 gesichert. Die Kosten dafür sind nicht bekannt. Ein Migrationsprojekt mit der T-Systems wurde ergebnislos abgebrochen, so dass die Arbeiten an knapp 8000 Rechnern nicht mehr rechtzeitig fertig wurden.
Großbritannien
Die britische Regierung hat die rechtzeitige Umstellung ebenfalls versäumt. Wie die Medien in Großbritannien berichten, liefert Microsoft für die Dauer eines Jahres weitere XP-Serviceleistungen und kassiert dafür knapp 5,6 Millionen Pfund. Hätte jedes Ressort einzeln mit dem Anbieter verhandelt, wäre die Gebühr um 20 Millionen Pfund teurer ausgefallen, sagte eine Sprecherin des internen Dienstleisters Crown Commercial Service (CCS). Angaben darüber, wie viele Arbeitsplatzsysteme betroffen sind, machte sie nicht. Eine ältere Erhebung vom September 2013 besagt, dass damals allein im staatlichen Gesundheitsdienst NHS 85 Prozent der 800.000 PCs nicht auf XP umgestellt waren.