von Rachel Boßmeyer, dpa
Fehlende Ersatzteile, hohe Reparaturkosten und zu schnell verschleißende Produkte - all dem will das Europaparlament ein Ende setzen. Die Abgeordneten stimmten am Mittwoch, den 25. November 2020, für ein Recht auf Reparatur - sie wollen damit den europäischen Binnenmarkt damit grüner und nachhaltiger gestalten.
Der Bedarf für Verbesserungen ist da: Nach Informationen der europäischen Verbraucherschutzorganisation BEUC haben Nutzer in Belgien mehr als 1. 000 Produkte registriert, die zu früh den Geist aufgaben. Zwei von drei waren nicht einmal drei Jahre alt, und in mehr als 80 Prozent der Fälle war eine Reparatur nicht erfolgreich. Zwar wollen etwa 70 Prozent der EU-Bürger ein defektes Produkt lieber ausbessern lassen als ein Neues zu kaufen, wie es in einer Studie der EU-Kommission von 2018 heißt. Doch das ist nicht immer so einfach.
Evelyne Gebhardt, Europaabgeordnete der SPD, spricht aus eigener Erfahrung. Vor einigen Jahren hatte sie Probleme mit ihrem Drucker. Das Gerät zog das Papier nicht mehr richtig ein, ein kleines Rädchen war defekt. Doch es war fest verschweißt, ein Ersatzteil für das kaputte Teil nicht verfügbar, wie Gebhardt erzählt. Eine Reparatur war somit nicht möglich.
Mit dem Recht auf Reparatur sollen Verbraucher deshalb schon beim Kauf umfassende Informationen über die Kosten von Ersatzteilen erhalten - und auch darüber, ob ein Gerät repariert werden kann. Damit das häufiger der Fall ist, müssen vielfach die Waren angepasst werden, sagt Karolina Wojtal vom Europäischen Verbraucherzentrum der Deutschen Presse-Agentur. "Viel zu oft sind sie verlötet, verklebt oder verschweißt, so dass sie kaputt gehen, wenn man sie reparieren will." Oder aber es sei Spezialwerkzeug notwendig.
Der BEUC-Direktor für den Bereich Recht und Wirtschaft, Agustin Reyna, begrüßt das Vorhaben des EU-Parlaments. "Das ist genau die Art Initiative, die Verbraucher brauchen, um unsere Konsumgewohnheiten grüner zu machen." In der Wirtschaft trifft das Vorhaben auf weniger Gegenliebe. "Ein Recht auf Reparatur mag sich populär anhören, tatsächlich ist in der Praxis weder eine verbraucherfreundliche noch eine umweltschonende Umsetzung möglich", sagt Achim Berg, Präsident des Telekommunikationsverbandes Bitkom der dpa. Es sei vielmehr kontraproduktiv.
Ein Recht auf Reparatur würde die Hersteller von Elektronikgeräten zwingen, eine enorme Menge an Ersatzteilen für lange Jahre auf Vorrat zu produzieren und einzulagern, sagt Berg. "Das erzeugt deutlich mehr Müll als es vermeidet." Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Holger Lösch, sagte der dpa: "Das verursacht mitunter hohe Kosten, die sich auf die Reparaturkosten, aber auch auf die Preise für Neugeräte auswirken dürften." Wojtal fordert auch deshalb, dass Bauteile standardisiert werden.
Berg will statt einem Recht auf Reparatur Steuervergünstigungen für Reparaturen, damit das Ausbessern für Verbraucher günstiger werde. Auch die EU-Abgeordneten vereinen sich hinter dem Ziel preiswerter Reparaturen. Denn derzeit lohnt sich das Ausbessern finanziell nicht unbedingt, wie eine Untersuchung von Stiftung Warentest zeigt. Aufs große Ganze gerechnet gelte etwa bei Waschmaschinen: "Wer immer gleich beim ersten ernsten Defekt eine neue kauft, zahlt am Ende nur wenig mehr als derjenige, der sie immer reparieren lässt."
Auch aus ökologischer Sicht ist Lösch zufolge nicht immer eine Reparatur sinnvoll. Der Neukauf von energieeffizienten Haushaltsgroßgeräten wie Waschmaschinen oder Kühlschränke könne im Vergleich zur Reparatur älterer Geräte mehr Sinn machen, wenn in der Nutzungsphase erheblich Energie eingespart werden könne. Laut der Erhebung von Stiftung Warentest hängt es stark vom Produkt ab, ob ein Neukauf oder eine Reparatur nachhaltiger sei. Bei Waschmaschinen oder Kaffeemaschinen sei die Herstellung oft sehr viel belastender für die Umwelt als eine Reparatur. Anders sei dies bei Staubsaugern.
Die Europaparlamentarier wollen Produzenten künftig auch in puncto Lebensdauer stärker verpflichten. "Viele der Produkte werden extra so gebaut, dass sie nach kurzer Zeit kaputt gehen", kritisiert die Grünen-Parlamentarierin Anna Cavazzini. Ein vorzeitiger Verschleiß soll nach dem Parlamentsbeschluss deshalb als unlautere Wettbewerbspraktik gelten. Andreas Schwab von der CDU merkt jedoch an, dass die Haltbarkeit letztlich auch stark vom Gebrauch abhänge.
Wenn es nach den Abgeordneten geht, soll von der erwarteten Lebensdauer auch die Garantiezeit abhängen. Ein Vorschlag, den Verbraucherschützerin Wojtal befürwortet. In Finnland und den Niederlanden sei dies bereits umgesetzt. "Wenn ein Paar Sandalen zwei Jahre hält, ist das eventuell in Ordnung. Bei einem Fahrrad erwarte ich da aber schon deutlich mehr." (dpa/rw)