Vier Geschäftsjahre in Folge verzeichnete Euronics rückläufige bzw. stagnierende Einnahmen. Seit Ende letzten Jahres steigen die Umsätze nun wieder. Was macht Sie zuversichtlich, dass es sich dabei um eine nachhaltige Trendwende handelt?
Benedict Kober: In den vergangenen Jahren haben wir mit dem Rückgang im TV-Geschäft besonders klarkommen müssen. Bei den Veränderungen auf Seite der Hersteller waren wir unter den am stärksten betroffenen Handelspartnern, das hat uns zu schaffen gemacht. Allerdings muss man sagen, dass wir in den Jahren davor vom TV-Boom auch überproportional profitiert haben - der Effekt ging also in beide Richtungen.
Inzwischen haben wir Warenbereiche wie IT und Telekommunikation deutlich nach vorne gebracht. Auch die Weiße Ware läuft heute sehr gut, ebenso wie der Audiobereich. Wir haben in den letzten Jahren in Maßnahmen investiert, aber auch in die personelle Aufstellung und in neue Konzepte. Das alles greift nun und wir sind sehr gut unterwegs. Der TV-Bereich bleibt weiterhin ein Sorgenkind, aber das ist ein Gesamtmarktphänomen.
Seit dem Rekordjahr 2009/10, als Euronics einen Zentralumsatz von 1,85 Milliarden Euro erzielte, haben sich Ihre zentralregulierten Umsätze auf 1,47 Milliarden Euro reduziert. Nun sind Sie zwar eine genossenschaftlich organisierte Verbundgruppe und kein börsennotiertes Unternehmen. Dennoch dürfte Ihnen diese Entwicklung nicht egal sein...
Kober: Wenn mich jemand fragt, "Wollen Sie mehr Umsatz machen?", ist meine Gegenfrage: "Wieviel gebe ich dafür aus?". Umsatz kann jeder machen. Eine Maximierung per se ist für uns kein Ziel. Trotzdem ist klar, dass wir auf Wachstum ausgelegt sind und auch ein entsprechendes Volumen generieren wollen. Aber uns ist wichtig, dass der Umsatz, den wir erwirtschaften, auch eine Wertigkeit besitzt. Und dieser Wertigkeit kommt in unserer Betrachtungsweise die höhere Gewichtung zu.
Ende 2013 haben Sie sich im Rahmen einer Umorganisation von den langjährigen Leitern der Bereiche Haustechnik und Consumer Electronics getrennt. Worum ging es bei diesem Schritt?
Kober: Mit der Umorganisation haben wir eine komplette Hierarchieebene herausgenommen - und das hat sich auch ausbezahlt: wir sind schneller in unseren Entscheidungen geworden und haben die Abstimmungswege verkürzt. Das Produktmanagement ist seitdem komplett dem Vorstand - also mir - unterstellt. Wir haben damit den Leuten mehr Verantwortung übergeben und diese werden dem auch vollkommen gerecht. Für mich bedeutet die Änderung, dass ich mich seitdem viel stärker um das operative Geschäft kümmere und viel mehr präsent bin. Die Umorganisation hat sich aus unserer Sicht bewährt und wir werden diese Hierarchieebene auch nicht wieder einführen. Wenn Sie wollen, ist diese Maßnahme auch eine Teilbegründung für die positive Entwicklung, die man heute sieht.
Eine Restrukturierung aus Kostengründen - wie bei Electronic Partner - hat es bei Ihnen also nicht gegeben?
Kober: Nein.
"Wir können nicht auf den letzten Partner warten"
Wie sieht es mit der Selektion der Kooperationsmitglieder aus? EP sorgte kürzlich mit der Ankündigung für Aufsehen, Partner mit einer zu geringen Qualität aus dem Markenauftritt der Verbundgruppe auszuschließen. Gibt es eine ähnliche Praxis auch bei Euronics?
Kober: Ja, wir praktizieren das schon seit geraumer Zeit. Die Zeit, wo man auf jeden Rücksicht nehmen kann, ist schon lange vorbei. Wir haben in den vergangenen Jahren kontinuierlich die Verbindlichkeiten für Euronics-Mitglieder hochgefahren. Ein gutes Beispiel dafür ist unsere Kampagne "44 Jahre Euronics" aus dem Jahr 2013/14. Damals haben wir gesagt, dass sich jeder Markenteilnehmer daran beteiligen muss. Trotzdem gab es manche, die aus irgendwelchen Gründen nicht teilnehmen wollten. Für uns war klar, dass diese Mitglieder dann auch aus den restlichen Aktionen raus waren. Wer dagegen mit uns mitzieht, kriegt auch unseren maximalen Support. Wir versuchen alle Leistungsfähigen mitzunehmen. Wir können dabei aber nicht auf den Letzten warten. Denn das könnten wir denen gegenüber nicht verantworten, die nach vorne wollen und gemeinsam mit uns Dinge bewegen wollen.
Dennoch braucht es offensichtlich hin und wieder besondere Maßnahmen, um Ihre Mitglieder aufzurütteln: Um Ihre Online-Strategie zu unterstreichen, hatten Sie zur Summer Convention im letzten Jahr die Unternehmensberatung Wieselhuber & Partner mit ihrer berüchtigten "Todesliste für den stationären Einzelhandel" eingeladen...
Kober: Die Studie von Wieselhuber & Partner wurde durch die Presse etwas zugespitzt dargestellt. Die Aussage der Studie ist ja vor allem, dass wenn sich der Handel nicht mit bestimmten Themen beschäftigt, die Gefahr besteht, dass ein Prozess entsteht, bei dem der eine oder andere aus dem Markt ausscheidet. Wer sich mit den richtigen Themen befasst, muss hier aber keine Angst haben. Deshalb haben wir eine Reihe von Maßnahmen eingeleitet: unser Cross-Channel-Konzept, Weiterentwicklungen bei der IT, um die Händler zu entlasten, Modernisierungen am POS, der zum "Point of Emotion" werden soll, und Maßnahmen, um die Leute in den Läden zu qualifizieren.
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"Wenn man Online richtig machen will, dann so wie wir"
Bleiben wir bei Ihrer Online-Strategie: Was ist eigentlich die Zielsetzung Ihrer neuen Onlineshop Lösung? Richten Sie sich damit vor allem an Bestandskunden oder trauen Sie es sich auch zu, neue Online-Kunden damit zu erreichen?
Kober: Selbstverständlich wendet sich unser Cross-Channel-Konzept an unsere Stammkunden. Aber wir denken, dass wir damit auch eine neue Klientel erschließen können, die Euronics bisher vielleicht nicht gar nicht auf dem Zettel hatten. Diese werden bei uns genauso gut bedient, wie bei jedem anderen Online-Händler und sehen, dass sie auch zu uns ins Geschäft kommen können, wenn sie das wollen. Denn wenn man die Kunden befragt, hört man oft, dass die Leute zwar den stationären Handel schätzen. Aber viele Kunden haben einmal schlechte Erfahrungen gemacht oder sie wissen nicht, wo es den nächsten geeigneten Händler gibt. Diese Kunden führen wir über unseren Online-Marktplatz an Euronics heran und leiten sie dann an die Geschäfte weiter.
Dezentral organisierte Verbundgruppen mit hunderten angeschlossenen Händlern tun sich erfahrungsgemäß schwer damit, einen zentralen Onlineshop umzusetzen. Mit Ihrem Online-Marktplatz mit individuellen Händlersortimenten präsentieren Sie für dieses Problem nun eine Lösung, die über alles hinausgeht, was bisher im Verbundgruppenbereich probiert wurde...
Kober: ...ja, man könnte fast sagen: der "goldene Schuss" - und das muss auch so sein! Denn alles andere würde zu kurz greifen. Als Verbundgruppe müssen wir mit einer riesigen Komplexität umgehen. Das ist nicht trivial, aber die Welt ist nun einmal komplex. Hinter unserem Marktplatz steht eine Menge an Prozess-Know-How, aber es scheint gut gelungen und wir sind mehr als zufrieden damit. Man kann sagen, wir tragen damit der Komplexität eines Hybrid-Business Rechnung.
Als Verbundgruppe kann man zwar auch einen Onlineshop zentral aufsetzen und die Händler daran beteiligen. Doch dann würde man die Kundenbeziehungen und die Regionalität der Händler vernachlässigen. Wenn man Online richtig machen will, dann nur so wie wir. Alles andere ist ein fauler Kompromiss.
Haben Sie keine Angst dass Ihnen die technische Komplexität Ihrer Online-Lösung über den Kopf wachsen könnte? Oder dass sich mit der Zeit unkalkulierte Kosten ergeben könnten, zum Beispiel durch gemischte Warenkörbe mit Artikeln verschiedener Euronics-Händler?
Kober: Nein, wir haben keine Angst. Das System kann die Komplexität abbilden und auch kostenseitig haben wir alles im Griff. Ein gemischter Warenkorb ist schließlich kein Standardfall. Der durchschnittliche Warenkorb enthält in der Regel nur wenig mehr als einen Artikel. Doch auch wenn es zu einem gemischten Warenkorb kommt, können wir das abbilden.
"Ohne Smartphone-Angebot keine Apple Watch"
Beim Euronics-Kongress haben Sie Produktneuheiten im Bereich Smart Devices und Wearables einen recht großen Stellenwert eingeräumt. Inwiefern wird das "Internet of Everything" Ihrer Meinung nach den Handel verändern?
Kober: Bei diesen neuen Produkten kommt es darauf an, dass sie gut präsentiert werden und auch die Vorführbarkeit integriert wird. Darüber hinaus besteht die Herausforderung darin, dass viele dieser Produkte zwischen den Warenbereichen TK und PC stehen. Das bezieht sich auf die Frage, wo die Produkte präsentiert werden - natürlich in direkter Nähe zu Tablets und Smartphones, weil hier die größte Affinität besteht und alle diese Geräte auf Apps zugreifen. Daneben stellt sich die Frage: wer soll das verkaufen? Hier muss es in den Geschäften übergreifende Leute geben, die den Kunden im Beratungsgespräch Frage und Antwort stehen und auch einen Abschluss erzielen können. Klar ist: diese Produkte sind sehr beratungsintensiv und es wird viele Fragen geben. Und schließlich ist es auch wichtig, geeignete Lösungen für den Ladenbau bereit zu haben.
Werden alle Euronics-Betriebstypen für solche Produkte gleich gut geeignet sein? Oder lässt sich bereits absehen, dass sich bestimmte Ladenformate besser entwickeln?
Kober: Grundsätzlich ist es so, dass der Standort wichtiger ist als der Betriebstyp. Stehen reine TV-Händler vor dem Aussterben? Die Antwort auf diese Frage ist, dass es auf den Standort ankommt. Es gibt bei uns sogar reine Braune-Ware-Händler, denen es gut geht, weil der Standort gut funktioniert. Allerdings ist es schon so, dass sich bei uns die Fachmärkte und die Media@Home-Geschäfte stabiler entwickeln.
Der Fachhandel muss sich dagegen diversifizieren und in Richtung PC und TK gehen. Ein Händler, der heute keinen Web-Anschluss erledigt und keine Smartphones anbietet, der kriegt Schwierigkeiten. Das nächste ist die Apple Watch, die es irgendwann natürlich auch bei Euronics geben wird. Das ist toll für die Händler, denn so etwas erzeugt Frequenz. Wer keine Smartphones anbietet, kann aber auch keine Apple Watch verkaufen. Schließlich ist die Apple Watch die Fernbedienung für alles, was sich mit dem iPhone machen lässt. (mh)