Die Bürgerrechtsorganisation European Digital Rights (EDRI) hat die Mitglieder des EU-Parlaments in einem offenen Brief dazu aufgefordert, sich für die Rechte von Usern im Internet stark zu machen. Dazu sollen sie den Änderungsantrag 138 des Telekom-Pakets in seiner bestehenden Form verteidigen.
"Der Kern dieses Änderungsantrages ist, dass Internet-Zugangsbeschränkungen einen Gerichtsbeschluss erfordern müssen", erklärt Joe McNamee, EDRI Advocacy Coordinator. Fiele diese Einschränkung, könnten Nutzer das massiv zu spüren bekommen.
In einigen EU-Ländern gibt es Bestrebungen, Internetsperren beispielsweise gegen illegale Filesharer leichter verhängen zu können. So wurde in Frankreich bereits ein Gesetz verabschiedet, dass nur noch aufgrund einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs noch einem Richter die letzte Entscheidungskompetenz zugesteht. Die EDRI fordert nun von den EU-Parlamentariern, sich klar gegen ein Aushöhlen des Änderungsantrags 138 auf Druck des EU-Rats zu stellen.
Grundrechte im Netz
Der Änderungsantrag 138 ist nicht nur zum Schutz von Grundrechten im Internet unter anderem auf korrekte gerichtliche Prozesse gedacht. "Er schützt auch die Entwicklung einer demokratischen Kultur im Internet", so EDRI-Präsident Andreas Krisch im Brief an die EU-Parlamentarier. Dass der Rat sich der Aktivitäten von Mitgliedsstaaten bewusst ist, welche diese Grundsätze unterminieren oder zu unterminieren drohen, sollte die Parlamentarier umso klarer davon überzeugen, die Prinzipien des Änderungsantrag 138 zu verteidigen.
Mehr zur Netzwerk-Infrastruktur
Bedrohliche Ansätze in Sachen Netzsperren orten die Bürgerrechtler nicht nur in Frankreich. Im August etwa hatte die britische Regierung neue Ansätze im Kampf gegen illegales Filesharing präsentiert. Dabei wurde in Erwägung gezogen, der Regulierungsstelle Ofcom auch das Recht auf Accountsperren einzuräumen. "Technologie und Nutzerverhalten ändern sich schnell und es ist wichtig, dass Ofcom die Möglichkeit hat, schnell zu reagieren und gegen illegales Filesharing vorzugehen", meinte Stephen Timms, Minister for Digital Britain.
Kinderporno-Sperren
Auch hierzulande sind Zugangsbeschränkungen im Internet ein heiß diskutiertes Thema, bei dem krimineller Content im Vordergrund steht. In Deutschland waren bei der CDU Netzsperren im Zusammenhang mit Kinderpornographie im Gespräch, sind aber nun auf Bestreben der FDP vom Koalitions-Tisch. In Österreich wiederum haben es sogar Abgeordnete der oberösterreichischen Landesorganisation der sonst sehr freiheitsliebenden Grünen auf die Nominierungsliste der Big Brother Awards geschafft, weil auch sie sich der populistischen Forderung von Internetsperren im Kampf gegen Kinderpornographie angeschlossen haben.
Stärke des Parlaments
Selbst, falls der EU-Rat Kommunikationseinschränkungen im Internet überzeugend als notwendig darstellen könnte, sollten solche Beschränkungen in einer demokratischen Gesellschaft die Ausnahme bilden, heißt es bei EDRI. Nach Ansicht der Organisation könne das Europäische Parlament durch den Schutz der Prinzipien des Änderungsantrags 138 Stärke zeigen. "Eine Kapitulation vor dem inakzeptabel unflexiblen, rechtlich fragwürdigen und demokratisch defizitären Zugang des Rates würde das Parlament dauerhaft schädigen", schreibt Krisch. Er verweist darauf, dass das Vertrauen der Wähler, die Glaubwürdigkeit und die Autorität des Parlaments leiden könnten. (pte/rw)