Über die Optik der LG-Smartwatch ist im Netz bereits viel geschrieben worden, weshalb wir an dieser Stelle über das Design nicht viele Worte verlieren wollen. Ja, sie hat sicherlich nicht die Nobless einer klassischen etwas teueren Armbanduhr. Sportlich dürfte wohl die treffendste Aussage sein. Doch zur Technik. Das runde Display der Uhr konnte uns in Sachen Ablesbarkeit und Auflösung überzeugen.
Auch die Standhaftigkeit des Akkus, bei vielen Smartwatches ein Kritikpunkt, gab keinen Anlass zur Kritik: In unserem Test hielt die LG-Uhr rund 44 Stunden durch, wobei wir das Display im Ruhezustand nicht ausschalteten. Damit kann auf die Mitnahme des Ladegerätes auch bei zweitägigen Dienstreisen verzichtet werden.
Android Wear als Schaltzentrale
Doch der Reihe nach: Die erste Begegnung mit der LG verlief eher unspektakulär. Zuerst muss auf dem Smartphone (in unserem Fall ein Nexus 5) die Software Android Wear installiert werden. Danach können dann Smartphone und Uhr per Bluetooth gepairt werden. Über Android Wear selbst können dann quasi remote die wichtigsten Parameter der Uhr eingestellt werden. So etwa, ob die Uhr ein klassisches Ziffernblatt, ein Foto oder ein einfacheres Display anzeigen soll.
Ebenso kann hier eingestellt werden, wie die Uhr Sprachbefehle verarbeitet. Teilweise sind die Einstellungen in der App etwas schwer zu finden. Zudem lassen sich nicht alle Einstellungen remote bewältigen, so dass sie am Gerät vorgenommen werden müssen. Anfangs dürfte diese für den ungeübten Nutzer ein ziemliches Gefummel sein, da der Touchscreen der Uhr zum Wischen ziemlich genau auf 3, 6, 9 oder 12 Uhr getroffen werden muss. Damit war die Einrichtung eigentlich schon abgeschlossen.
Grundsätzlich sollte sich der Smartwatch-User aber verinnerlichen, dass bei Android-Wear-Geräten die Uhr als eine Art Remote Control fungiert und die eigentliche App auf dem Smartphone läuft und dieses auch die Rechenleistung übernimmt. Während des Tests erhielt unsere Uhr ein Update und lief schließlich mit Android Wear 5.0.1.
In den ersten Tagen nach der Installation kam allerdings mit der Uhr keine Rechte Begeisterung auf. Eingehende Mails wurden nicht auf der Uhr signalisiert und die Auswahl der Apps erschien eher bescheiden. Langsam aber sicher stellte sich bei dem Tester die Sinnfrage, was denn eine Smartwatch nun wirklich bringt? Etwas Herzfrequenz messen und auf Dienstreisen die gelaufenen Schritte zählen? Sollte dies wirklich alles sein?
Google auf der Smartwatch
Die Ursache, warum unsere Uhr keine Mails zeigte, war dann schnell gefunden: Wir hatten auf dem Smartphone nicht standardmäßig Googles Gmail-App als Mail-Client aktiviert, sondern etwa für Business-Mails die Software Touchdown von Nitrodesk - ein Unternehmen das mittlerweile zu Symantec gehört -, da sie hervorragend mit dem Exchange Server harmonisiert. Ein Phänomen, das auch unsere privaten Mails betraf, da wir hier ebenfalls einen anderen Mail-Client verwendeten.
Die Lösung des Problems war im Prinzip relativ einfach: Gut versteckt befindet sich in Android Wear eine Option, ob Benachrichtigungen von anderen Apps angezeigt werden sollen. Und diese musste aktiviert sein. Danach bekamen wir von allen eingehenden Mails die Betreffzeilen auf die Uhr und wurden bei anstehenden Terminen durch ein Vibrieren der Uhr alarmiert. Komplette Mails bekamen wir auf der Smartwatch angezeigt, als unser Smartphone während des Tests auf das neue Android-Betriebssystem Lollipop migrierten und unser Mail-Client dabei auf die Gmail-Apps zwangsweise geupgradet wurde.
In Verbindung mit der Gmail-App zeigt die Uhr nun zumindest die ersten Zeilen einer Mail an, während in Verbindung mit Touchdown lediglich der Absender und Teile des Betreffs angezeigt werden. Ebenso zeigte die Uhr nun auch mit Unterstützung von Google Now die Fahrtzeit zur Arbeitsstätte beziehungsweise nach Hause an sowie eine viertägige Wettervorhersage.
Ebenfalls ganz praktisch war, dass die Uhr abends bei der Heimfahrt eine kleine Karte mit den Staus in der näheren Umgebung einblendete. Endgültig überraschte die Uhr dann auf einer Dienstreise in London, als sie automatisch die Uhrzeit umstellte, als Wettervorhersage mit dem Londoner Wetter aufwartete, aber parallel dazu durch wischen eine Seite mit der Uhrzeit und dem Wetter zuhause zeigte.
Auch wenn noch keine rechten Begeisterungsstürme aufkamen, so versöhnte sich der Tester langsam mit der Uhr, da das Potenzial der Smartwatch doch ganz ordentlich zu sein schien. Ärgerlich war allerdings, dass dieses Potenzial langsam und mühsam im Selbstversuch erforscht werden musste, da die Dokumentation zu Android Wear seitens Google nur als mangelhaft bezeichnet werden kann.
Da muss es dann vermutlich nicht weiter wundern, wenn im Frühjahr womöglich Apples Watch den ganzen Android Wearables die Schau stiehlt. Wer wie Google so einen großen zeitlichen Vorsprung hat, es aber nicht schafft das Potenzial seiner Produkte und Partner zu promoten und zu vermarkten ist selbst schuld. Zur Ehrenrettung für LG ist anzumerken, dass der Hersteller seiner Uhr zumindest eine kleine gedruckte Anleitung beilegt. Allerdings geht man auch hier leider nicht näher auf das Potenzial der Smartwatch im Zusammenspiel mit dem Android-Universum ein.
Unverzichtbar: Wear Mini-Launcher
Wer mehr aus seiner Smartwatch herauskitzeln will, für den ist Google Play eine Anlaufstelle. Nach Eingabe des Suchbegriffes Wear zeigt Android eine Vielzahl an Apps für Smartwatches an. Das Angebot reicht von bekannten Tools wie Evernote oder Microsoft OneNote über virtuelle Taschenlampen, Wetter-Apps oder Kalender bis hin zu einfachen Spielen.
Eine Must-have-App ist dabei sicher der Wear Mini-Launcher. Er fügt der Smartwatch, wie vom Smartphone bekannt, eine Art Homescreen hinzu. Von diesem Bildschirm lassen sich dann die diversen Apps starten. Gleichzeitig ist er noch für eine Überraschung gut: Er zeigt endlich deutlich die Apps an, die bei der Einrichtung Smartwatch gleich automatisch vom Smartphone mitinstalliert wurden, weil von ihnen eine Watch-kompatible Version existiert.
Zudem lassen sich über den Mini-Launcher die Smartwatch-Apps deutlich einfacher und bequemer starten. Ebenfalls ist mit ihm ein bequemerer Zugriff auf die Einstellungen der Uhr möglich. Auf dem Smartphone kann der Mini-Launcher an die persönlichen Vorlieben des Nutzers angepasst werden, etwa ob er sich beim Wischen von links nach rechts oder umgekehrt öffnet.
Apps für die Uhr
Mit Apps wie einem Carfinder oder einem Minitaschenrechner auf der Uhr entwickelte sich langsam aus der eher auf Distanz bedachten Haltung zur Smartwatch ein erster zarter Flirt. Doch die Killer-App war schließlich die Entdeckung, dass die App ImperiHome auch auf der Smartwatch lief. ImperiHome ist eine App zur Ansteuerung diverser Home-Automatisierungssysteme. In Kombination von ImperiHome und Smartwatch ließen sich nun die Lichter im Haus per Sprachbefehl an die Uhr ein- und ausschalten. Damit hatte sich die LG-Uhr endlich ihren festen Platz erobert.
Fazit zur LG G Watch R W110
Grundsätzlich gibt es an der LG G Watch R W110 aus technischer Sicht nichts zu bemängeln und Design ist ja bekanntlich Geschmackssache. Schade ist dagegen, dass weder LG noch Google den Usern das Zusammenspiel zwischen Android-Smartphone und Android Wear richtig erklären - hier wird unnötig Potenzial verschenkt. Ist eine Smartwatch nun lediglich ein nettes Gadget oder eine sinnvolle Ergänzung zum Smartphone?
Obwohl der Autor letzteres Bejahen und die Smartwatch eigentlich nicht mehr missen möchte, würde er sie dennoch nicht kaufen. Warum? Schlicht, weil ihm der Spaß keine 270 Euro wert sind. Bei 150 Euro würde er zuschlagen.