Microsoft und die Partner

Es ist, wie es ist!

Kommentar  von Axel Oppermann
Ganz herzlichen Glückwunsch an Microsoft, dass es endlich eine Machtposition hat, um seine Partner mit neuen Regeln und Anforderungen zu quälen, die sie erfüllen müssen, wenn sie auf den Genuss von Teilhabe am Partnerprogramm nicht verzichten möchten. Aber keine Sorge, es ist schließlich nur fair, dass die Partner sich dem Willen von Microsoft beugen.
Viele Partner waren mit den Vorgaben des neuen Microsoft-Partnerprogramms nicht wirklich zufrieden und brachten ihren Ärger deutlich zum Ausdruck.
Foto: Sjale - shutterstock.com

Microsoft hat abermals sein Partnerprogramm angepasst und so Millionen an Euro, Dollar und Yen entwertet, die Microsoft-Partner in den vergangenen Jahren in Kompetenzen & Co. investiert haben. Vernichtet. Den Abguss runtergespült. Und dennoch muss man sagen, dass Microsoft wieder einmal alles richtig gemacht hat.

Und nun, da NCE (New Commerce Experience) schon eine Weile im Channel ist, die Diskussionen um Lizenz-Commitments, die Auswirkungen von monatlich und jährlich wiederkehrenden Umsätzen im Kontext Risikoübernahme bei Ausfall von Kundenzahlungen und Incentivierung aber noch immer nicht verhallen wollen und MCPP ("Microsoft Cloud Partner Program") jüngst für einiges Unbehagen sorgt, nun, da sich der Vorhang der Nacht von der Bühne hebt, kann das Spiel beginnen, das uns vom Drama einer Partnerschaft berichtet. Für euch berichtet in fünf Akten.

Prolog

Ich könnte sagen: "Ich habe es ja gesagt!" Ich meine, ich habe es hier und da und dort gesagt. Ich habe es öfters gesagt, manchmal sogar mit einer Megafonstimme. Aber nein, niemand hörte auf mich. Und auf andere Besserwisser wurde auch nicht gehört; es wurde ja schließlich gutes Geld verdient. Aber es ist egal, ob ich - oder irgendjemand anderes - es jemals gesagt habe. Es ist vollkommen egal. Nahezu jedermann hat in den vergangenen fünf Jahren im Microsoft-Ökosystem massiv Geld verdient.

Und das nicht zwingend, weil man selbst wirklich gut war. Sondern vielmehr, weil am Markt Bedarfe auftraten, die irgendjemand halt befriedigen musste. Und bei manchem Microsoft-Partner kam es zur Situation, dass ohne weiteres Zutun die gebratenen Tauben in den Mund flogen. Doch damit ist jetzt Schluss. Aus. Und vorbei. Der Grund? MCPP! Die Lage: schwierig, aber nicht hoffnungslos. Die Situation: Es ist, wie es ist.

Akt 1: Warum die vielen Worte?

Microsoft hat mal wieder sein Partnerprogramm überarbeitet. Dabei scheint der Liebling der Massen es sich zur Aufgabe gemacht zu haben, sein Partnerprogramm zu einem Albtraum für den durchschnittlichen Partner zu machen. Wird bedacht, dass im "alten" Microsoft Partner Network (MPN) bereits viele Silver-Partner kaum in der Lage waren, Gold-Status zu erreichen, ist es mehr als unwahrscheinlich, dass sie - oder viele Gold-Partner - den neuen Solutions-Partner-Standard erfüllen werden.

Aber der Reihe nach: Das Credo lautet, weg vom Microsoft Partner Network (MPN) hin zum Microsoft Cloud Partner Program (MCPP). Weg von Gold- und Silberkompetenzen hin zu "Solutions Partner Designations". Hin zu verschärften Anforderungen in den Bereichen Performance, Skilling und Customer Success. Hin zu echten "All-in"-Partnern, die sich auf Microsoft fokussieren und sich nicht beim Versuch, ihren Status zu erreichen, dazu hinleiten lassen zu bescheißen, indem sie falsche Kunden mit falschen "Seats" (Einheiten) melden oder wie "früher" durch Skripte nicht vorhandene Seats aktivieren.

Akt 2: MCPP kurz und knapp

Das neue Microsoft-Partnerprogramm sieht für den durchschnittlichen Partner, der auf Liebe (sprich: die Weitergabe von Leads und Opportunities), Transaktionserlöse, sonstige Incentives und Differenzierung im Markt- und Markenauftritt angewiesen ist, "leider" alles andere als rosig aus. Die neuen "Solutions Partner"-Designationen beinhalten Metriken, die bereits von den alten Kompetenzen her bekannt sind; wie zum Beispiel neue Kunden, interne Zertifizierungen und Wachstumsmetriken.

Tatsächlich gliedert Microsoft die Anforderungen jetzt in drei große Kategorien: Performance, Skilling und Customer Success. Innerhalb dieser Kategorien können Punkte gesammelt werden. Etwa durch "net customer ads", "Usage Growth" oder "Deployments". Hat man in allen Kategorien Punkte erarbeitet und insgesamt 70+ Punkte und zahlt dann noch knapp 5.000 Dollar pro Jahr, dann wird man Solution Partner. Glückwunsch!

Losgelöst von Details und Metriken: Für viele Microsoft-Partner bedeuten die Änderungen Benachteiligungen. Darüber hinaus zeigt die Gestaltung von MCPP, dass Microsoft eher in größere Akteure im Ökosystem investieren möchte, anstatt ein breiteres Partnernetzwerk qualitativ zu unterstützen; ähnlich wie in der Vergangenheit, wo einst hofierte und gut gestellte Partner an ein Management - oder besser gesagt ein Verwalten - durch die Distribution abgeschoben wurden. Auch deshalb sehen viele Partner die Änderungen im MCPP kritisch und befürchten, dass ihre Geschäftsmöglichkeiten beschränkt werden.

Akt 3: Asymmetrie

Microsoft hat die Macht, Regeln und Anforderungen für sein Partnerprogramm festzulegen. Viele Partner können das Partnersystem nicht verlassen, weil sie beispielsweise zu stark auf das Microsoft-Ökosystem angewiesen sind und/oder kurz- bis mittelfristig keine Alternative haben. Eine Vielzahl von Partnerunternehmen hat sich zu sehr auf Microsoft fokussiert. Sie haben den "Point of no Return" schon lange überschritten. Microsoft hat sie abhängig gemacht, wie gerade Power-User von "Teams" oder "Power-Apps"/"Power Platform" abhängig gemacht werden.

Der "Point of no Return" bezieht sich in diesem Fall auf die Situation, in der ein Partner bereits so viel in die Partnerschaft mit Microsoft investiert hat, dass es für ihn keine sinnvolle Option mehr ist, aus dem Ökosystem auszusteigen. Dies kann beispielsweise aufgrund finanzieller Investitionen, humaner Ressourcen oder spezialisiertem Wissen der Fall sein. In einer solchen Situation fühlt sich der Partner "gefangen" und hat keine andere Wahl, als mit den Änderungen im Partnerprogramm zu leben, selbst wenn sie für ihn ungünstig sind. Ein witzig und wenig reflektierter Beobachter würde vielleicht sagen, dass es sich hierbei um den Preis für die Dummheit handele, sich zu sehr auf Microsoft zu verlassen.

Aus verhaltensökonomischer Perspektive ist dies jedoch auf die Kosteneffekte und "Sunk Costs" zurückzuführen. "Sunk Costs" beziehen sich auf bereits getätigte Investitionen, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können (und/oder bei einer Neuausrichtung keinen Wert mehr haben) und bei zukünftigen Entscheidungen berücksichtigt werden müssen. Exemplarisch, wenn ein Fade-out von Microsoft hin zu Google oder AWS in Erwägung gezogen wird. Darüber hinaus ist es für sehr viele Unternehmen im Channel zu lukrativ.

Zurück zu Microsoft: Der Hersteller kann in einer dominanten Position agieren. Dies ermöglicht es ihm, die Regeln und Anforderungen für das Partnerprogramm nach eigenem Ermessen zu ändern, ohne dass es negative Konsequenzen für das Unternehmen hat. Das bisschen mediale Rauschen und die kalkulierte Empörung, die gerade durch das System ziehen, sind eingeplant und werden professionell gemanagt.

Microsoft verfolgt in diesem Spiel zwei primäre Ziele: Stärkung der eigenen Position (am Markt) sowie eine Stärkung des Ökosystems. MCPP ist so gestaltet, dass es für größere Partnerunternehmen attraktiv ist. Microsoft geht davon aus, dass es für die größeren Partner attraktiv ist, Teil des Programms zu werden (oder bleiben), da sie durch die Unterstützung von Microsoft ihre Geschäftsmöglichkeiten maximieren können. Aus Sicht von Microsoft bedeutet dies, dass eigene Ressourcen auf die Akteure verteilt werden, die am besten in der Lage sind, sie zu nutzen. Und somit das System zu stärken.

Akt 4: Darum jetzt!

Eine Frage, die sich stellt, ist, warum Microsoft gerade "jetzt" die Änderungen umsetzt; jetzt, zu einem stressigen Zeitpunkt für viele Partner. In einer Zeit der Einarbeitung in neue Themen, bei einem wahrgenommenen Mangel an Fachkräften, unmittelbar nach den Kraftanstrengungen der Pandemie und im Kontext von Störungen der Lieferketten. Also warum jetzt? Oder warum im Zeitplan von März 2022 bis heute?

Weil der Zeitpunkt - der Zeitraum - für Microsoft und das Ökosystem perfekt ist. Er ist so ausgewählt, dass der kommende Zyklus des Wachstums optimiert adressiert werden kann. Viele Kunden konsolidieren seit der großen Pandemie ihre Workloads. Oder besser gesagt: Sie optimieren, um Kosten zu senken. Es ist zu erkennen, dass es seit 2022 einen neuen Zyklus gibt, in dem die Optimierung zunehmend abgeschlossen ist und trotz - oder wegen - der wirtschaftlichen Rahmenparameter flächendeckend neue Themen aufgegriffen werden; neue Projekte Fahrt aufnehmen. Dies geschieht im Kontext zum Hyperzyklus von AI, auf den Microsoft bestens vorbereitet ist. Eine Ertüchtigung des Partnerökosystems führt dazu, dass der neue Zyklus bzw. die neuen Zyklen optimiert adressiert werden können.

Akt 5: Auf die Matratzen gehen

Man könnte jetzt annehmen, dass das die Auswüchse rings um NCE und MCPP das Gesamtökosystem beeinträchtigt oder einige (relevante) Partner veranlasst, in Opposition zu gehen oder sich anderweitig zu orientieren. Aber außer viel heißer Luft passiert nichts. Zu groß der Trog, an dem sich gelabt wird. Zu süß der Nektar der Zitze, aus der gezuzelt wird. Und das, obwohl klar zu erkennen ist, dass Microsoft das Direct-to-Customer-Geschäft an den Stellen weiter ausbaut, wo es lukrativ ist und Risiken in der Breite an Partner auslagert.

Partner, die nicht durch MCPP respektive durch Solutions Partner Designations profitieren - oder denen die Rahmenparameter im Kontext von NCE, insbesondere bezogen auf Transaktionen nicht passen -, haben mehrere Möglichkeiten für ihr Unternehmen zu optimieren:

  1. Transaktionspartner sollten aufhören, Transaktionen durchzuführen. Mein Shout-out: Hör auf, Microsoft-Abonnements jeglicher Art zu verkaufen! Lasst jemand anderen sie verkaufen - wie zum Beispiel Microsoft selbst. Das wird wahrscheinlich ohnehin irgendwann passieren. Stellt auf "Non-transacting"-Dienstleistungen um.

  2. Egal wie Kunden oder Zielkunden tatsächlich über Silber- und Goldkompetenzen gedacht haben; oder denken: Der jeweilige Status war ein starkes Marketinginstrument, mit dem Qualität und Leistungsfähigkeit suggeriert werden konnte. Also: Sucht - oder schafft euch - eigene Marketing-Leuchttürme und Qualifizierungen; jenseits von Microsoft. Baut ein Qualitätsnetzwerk mit Zertifizierungen auf, das zum Markt positioniert werden kann. Niemand hindert euch daran, im Rahmen bestehender oder neuer Partnervereinigungen so etwas aufzubauen.

  3. Kooperiert stärker untereinander. Und zwar im Sinne echter Wertschöpfungsnetzwerke. Solutions Partner sollten hierzu das Partner-to-Partner-Geschäft optimieren. Beziehungsweise, statuslose Partner sollten sich mit Solutions-Partnern eng verzahnen.

  4. Andere Mütter haben auch schöne Töchter; bzw. die Weide des Nachbarn ist auch grün. Auch wenn Microsoft im Vergleich mit anderen Tier-1-Partner-Systemen oder Ökosystemen noch immer überdurchschnittlich lukrativ ist, ist festzustellen, dass die Weiden hinter dem Zaun auch grün sind. Google und AWS sind hier exemplarisch genannt. Und ein stufenweises Fade-out aus der Microsoft-Welt kann für Schnellentschlossene spannend sein.

Epilog

Keine Sorge, liebe Freunde. Microsoft lässt euch weiterhin für fast keine Gegenleistung seine Produkte bewerben, erklären und verkaufen. Und dann sagen sie euch weiterhin, dass ihr euren Aufwand durch den Mehrwert verdienen sollt, den ihr hinzufügt. Aber keine Angst, falls ihr irgendwie einen sinnvollen Gewinn damit erzielen solltet, dessen Erzielen zu automatisieren, zu reproduzieren oder in einen Azure-Service zu packen ist, werden sie auch hier einen Weg finden, diesen Markt zu übernehmen. Sie sind halt großzügig! Sie haben es sich verdient! Und: Es ist, wie es ist!

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Zum Video: Es ist, wie es ist!