Digitalisierung als Volksfest

Erstes "Netzfest" der re:publica-Macher in Berlin

07.05.2018
Nicht nur Politiker tun sich mit Digitalthemen schwer. Die Internetkonferenz re:publica will in diesem Jahr Mauern einreißen. Bei der Digitalisierung müssen alle mitreden, finden die Macher - und rufen dafür ein "digitales Volksfest" ins Leben.

"Wo sind denn die Glitzersteine?", fragt ein Mädchen im Grundschulalter. Mit anderen Kindern bastelt sie an diesem Tag ihre erste eigene Virtual-Reality-Brille. "Mit der richtigen App und einem Handy können die Kinder dann auf Entdeckungsreise gehen", erklärt Jana Engel, die den Stand der Netzausstellung des Technischen Museums an diesem Tag betreut. Mit der Technik hätten die Kinder kein Problem. "Ich staune oft, wie schnell sie das begreifen", sagt Engel. Genau darum geht es den Veranstaltern des ersten digitalen Volksfestes, das am Samstag in Berlin Premiere feiert: Alle sollen bei der Digitalisierung mitmachen und mitreden.

Am vergangenen Samstag fand in Berlin zum ersten Mal das "Netzfest" statt.
Foto: re:publica

Digitalisierung in den Köpfen der Menschen verankern

Einen Tag nach dem Ende der Digitalkonferenz re:publica soll das eintrittsfreie Familienfest die digitale Kultur in die Öffentlichkeit tragen. "Unser Ziel war es seit den Anfängen der re:publica, viele Menschen für Themen rund um die digitale Gesellschaft zu begeistern", erklärt re:publica-Mitgründer und -Geschäftsführer Markus Beckedahl. Und während es bei Volksfesten in Deutschland sonst oft um Traditionen und den Blick zurück geht, soll das Netzfest nach vorne schauen - auf aktuelle Herausforderungen und Probleme der Digitalisierung. Aber auch auf die Chancen. Vor allem aber sollen Mauern eingerissen werden, Berührungsängste verschwinden.

Für viele der jüngeren Besucher ist das kein Thema: Es sind "digital natives". Die Wischbewegungen, mit denen sich das Smartphone steuern lässt, haben selbst die Kleinsten schon drauf, wie Jana Engel am Virtual-Reality-Stand beobachtet. Dafür haben viele Probleme mit den klassischen Bastelaufgaben: Das Brillengestell aus Pappe auszuschneiden sei für viele die größere Herausforderung. Bei den Eltern ist es oft umgekehrt. "Wie halte ich das denn jetzt?", fragt eine Besucherin, die ihre erste Reise durch virtuelle Welten antreten will.

Hate Speech und Fake News, Datenschutz und Netzpolitik, Künstliche Intelligenz und die Zukunft der Arbeit: Viele der Themen, die in den Panels der Digitalmesse verhandelt wurden, tauchen auch an den Ständen und in den Gesprächen im Park am Gleisdreieck wieder auf. Unter dem Titel "Die Daten, die ich rief" erklärt die Netzaktivistin Katharina Nocun, wie man die Kontrolle über die eigenen Daten gewinnt und wie sich Rechte einfordern lassen. Marieke Reimann von Zett, dem Online-Angebot der Zeit für junge Menschen, erzählt davon, wie sich Jugendliche für Politik begeistern lassen.

Von Digital Natives lernen

In vielen Fällen sind Jugendliche auch selbst die Experten. Als der 16-jährige Kolja Richter erklärt, was es mit Kryptowährungen wie "Bitcoin" auf sich hat, ist das kleine Zelt am Gleisdreieck gerammelt voll. Er finde es seltsam, einer Bank sein Geld zu geben, die dieses Geld dann benutzen dürfe und dafür noch Gebühren verlangt, sagt Richter. Mit Kryptowährungen lasse sich das umgehen: "einfache Transaktionen für Jedermann". Entscheidend sei es, selbst die Kontrolle zu behalten.

Das gilt auch für den Umgang mit sozialen Netzwerken, wie die YouTuberin Nora Wunderwald erklärt. Im Netz wie im realen Leben gehe es darum, zu finden, was einem wirklich guttue. "Die schlechten Stimmen sind leider meistens lauter", sagt Wunderwald zu Themen wie Cybermobbing und Hassreden. Lernen, Nein zu sagen, unangenehme Videos stoppen, schlechte Texte nicht zu Ende lesen - es sind Wunderwalds Tipps an die Zuhörer.

Ansonsten geht es oft spielerisch zu: Am Stand eines Radiosenders lässt sich mit Funkkopfhörern zu Musik tanzen. Das besondere: Auch der Boden überträgt die Bässe. Mal mit den Füßen, mal mit den Ohren erkundet der zweijährige August die Musik, die so zum Ganzkörpererlebnis wird. Auf der "Netzfest"-Bühne nebenan wechseln sich Vorträge und Live-Musik ab.

"Es ist ja ein Experiment, das wir hier machen", sagt der re:publica-Mitgründer Johnny Haeusler - und ist überzeugt: Es hat geklappt. "Da sitzen ganz viele Menschen vor dieser Bühne und hören sich an, wie jemand über Facebook-Datennutzung redet", freut sich der 53-Jährige. "Eigentlich beschäftigen wir uns doch alle mit diesen Fragen." Ob das Netzfest zur Dauereinrichtung wird, ist noch unklar. Die re:publica-Macher hätten jedenfalls nichts dagegen. (Oliver Beckhoff, dpa/mz)

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