Die alljährliche Erhebung von Consulting Solutions zeigt erneut, dass die meisten ERP-Projekte Kosten- und Zeitpläne überschreiten. Geändert haben sich indes die Gründe. Zudem zeigt die Umfrage, dass externe Berater keine Lösung sind, und dass Cloud-ERP eine Randerscheinung ist.
Im jüngsten "2014 ERP Report" belegt Analystenhaus Panorama Consulting Solutions erneut, dass die Mehrzahl der ERP-Projekte die Vorgaben hinsichtlich Budget- und Zeitrahmen sprengt: 54 Prozent der im vergangenen Jahr betriebenen Vorhaben haben den Kostenplan überschritten und sogar 72 Prozent wurden nicht in der vorgesehenen Zeit fertig. Das hat eine Online-Umfrage auf der Web-Seite des Beratungshauses ergaben, an der sich 192 Unternehmen beteiligt haben.
Projektbudgets werden kleiner, die Laufzeiten nicht
Damit hat sich die Situation gegenüber den Vorjahren kaum gebessert. Ausufernde Kosten beklagten auch in den vergangenen Umfragen mehr als die Hälfte der Befragten, und die vorgesehene Deadline wurde 2013 sogar häufiger als in der Vergangenheit überschritten. Auch die Zahl derer, die die erhofften Vorteile nicht erzielen konnte, ist in der jüngsten Erhebung erneut gestiegen.
Die dürftigen Ergebnisse sind erstaunlich, weil die Projekte kleiner als in den vergangenen Jahren sind. Panorama ermittelte ein durchschnittliches Budget von 2,8 Millionen Dollar im Jahr 2013. Damit setzt sich der Trend zu kleineren Vorhaben fort, der vielerorts wohl auch deshalb verfolgt wird, um die vielschichtigen Aufgaben besser zu beherrschen. Doch diese Hoffnung hat sich laut Erhebung nicht erfüllt. Auch die Projektlaufzeit ist trotz des kleineren Umfangs nur leicht rückläufig. Durchschnittlich benötigen Unternehmen 16,3 Monate bis zum Ende des ERP-Projekts.
Organisatorische Gründe machen die meisten Probleme
Geändert hat sich indes die Begründung für das unter dem Strich dürftige Ergebnis: "Während die Daten aus dem 2013 ERP Report zeigten, dass der wachsende Scope beziehungsweise Projektumfang Hauptursache für die überschrittene Projektdauer war, weist die Erhebung in diesem Jahr auf organisatorische Angelegenheiten als wichtigsten Grund hin", schreiben die Verfasser des ERP-Berichts.
Der "2014 ERP Report" von Panorama -
Überschrittene Budgets Obwohl die Projekt mit einem durchschnittlichen Budget von 2,8 Millionen Dollar im vergangenen Jahr weniger umfangreich als zuvor waren, sind viele Vorhaben finanziell und terminlich aus dem Ruder gelaufen. Zwei Drittel der Befragten haben mit ihren ERP-Installationen weniger als 50 Prozent der erhofften Vorteile erreicht.
Warum werden ERP-Berater verpflichtet? Externe Berater sollen die internen Kräfte mit ihren Erfahrungen und Fertigkeiten zur Seite stehen oder die Implementation managen. Oft sind es aber auch strategische Partner, die das Projekt mitgestalten.
Anbieterwahl SAP ist der Anbieter, der am häufigsten auf die Shortlist der Unternehmen landet. Bei der tatsächlichen Entscheidung, welches System installiert wird, hat Oracle die Nase vorn (34 Prozent). Das dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass die Studie US-lastig ist.
Umsatz Dargestellt ist der Jahresumsatz der befragten Unternehmen.
Welche Verbesserungen? Zumeist hat sich die Verfügbarkeit von Informationen verbessert. Aber auch die Produktivität, Effizienz und Interaktion im gesamten Unternehmen haben mit den ERP-Installationen gewonnen.
Zufriedenheit mit ERP-Funktionen Die zufriedenen (lila) und neutralen (grün) Bewertungen überwiegen bei der Fragen nach der Zufriedenheit mit den einzelnen ERP-Funktionen. Die besten Werte erreicht die "allgemeine Software-Funktionalität" (52 Prozent "satisfied" oder "very satisfied").
Amortisierte Kosten 27 Prozent der Befragten gaben ab, dass sich die Kosten für das ERP-Projekt nicht amortisiert haben.
Zeitplan überschritten Ein Viertel der Teilnehmer hat ihr Projekt fristgereicht, zwei Prozent sogar vor der Zeit abgeschlossen. Alle anderen mussten überziehen.
Betriebsunterbrechungen Mehr als die Hälfte hatten schon Betriebsunterbrechungen infolge fehlerhafter ERP-Installationen zu beklagen. Die Gründe können technischer, prozessualer und organisatorischer Natur sein. Einfacher zu beheben, so schreiben die Berater von Panorama Consulting, sind technische Fehler.
Zahl der named User Fast die Hälfte der antwortenden Unternehmen haben ihre ERP-Installationen für bis zu 100 named User ausgelegt.
Gründe für die ERP-Implementierung Befragten nach den Gründen für das ERP-Projekt, antworteten die Meisten recht allgemein: steigende Business-Performance. Die weiteren Nennungen sind etwas konkreter und beziehen sich etwa auf verbesserte Kundenservices, integrierte Niederlassungen und Compliance-Vorgaben.
Erfolgreiche Installationen Obwohl die Projekt oft holprig verlaufen, bewerten die Anwender ihre späteren Installationen zumeist gut. 63 Prozent der Befragten bezeichnen sie als erfolgreich.
Wofür ERP-Berater verpflichtet werden Zumeist kommen die engagierten ERP-Consultants für die Implementierung zum Einsatz. Häufig werden sie aber auch verpflichtet, um Mitarbeiter zu schulen und das Change-Management zu begleiten.
Einsparungen durch Cloud Die mit dem Cloud-Einsatz erzielten Einsparungen beziffern 36 Prozent auf Null bis 20 Prozent (blau) und weitere 18 Prozent der Befragten auf 21 bis 40 Prozent (grün). Das erachten die Berater von Panorama als zu wenig.
Projektkosten werden überschritten 37 Prozent der Befragten haben das Projekt im Rahmen der budgetierten Kosten abgeschlossen. Alle anderen mussten mehr zahlen. Jeder zehnte musste 51 Prozent und mehr drauflegen.
Erzielter Nutzen Die Angaben zu den erzielten Vorteilen durch das ERP-Projekt sind sehr vielfältig. Oft besteht das Problem darin, dass die Ziele nicht klar formuliert und das Erreichte nicht mit den Erwartungen abgeglichen werden kann. Dennoch sind Angaben wie "wir haben keinen Business Case" und "wir haben keinen messbaren Nutzen erzielt" besorgniserregend.
on-Premise dominiert Reine SaaS-Installationen sind eine Randerscheinung, selbst gehostete ERP-Cloud sind selten. Zusammen kommen diese beiden Betriebsarten im Jahr 2013 auf 15 Prozent. In der letztjährigen Erhebung waren es sogar noch 18 Prozent.
Die Schwierigkeiten sind hausgemacht, weil nur wenige Unternehmen in ihren Planungen Gelder vorsehen, um die Eingriffe in die Abläufe abzufedern und die Mitarbeiter auf eine neue Softwarelösung vorzubereiten. "Kaum überraschend zeigen die erhobenen Daten, dass über die Hälfte der Befragten Null bis 25 Prozent ihre Budgets für organisatorische Änderungen und das Geschäftsprozess-Management ausgeben", kritisiert der Bericht. Das ist zu wenig. Die Umfragedaten sprechen Bände, wenn nur acht Prozent der Unternehmen von exzellenter Akzeptanz bei den Nutzern berichten.
Schlechtes Projekt, gutes Produkt
Bemerkenswert ist, dass die Zufriedenheit mit den ERP-Herstellern und ERP-Systemen keineswegs schlecht ausfällt. Ist der Ärger aus der Projektlaufzeit erst einmal verflogen, finden 70 Prozent der Teilnehmer ihre Software gut und mehr als drei von vier Befragten würde die Lösungen noch einmal wählen. Das ist bemerkenswert, wo doch nur 63 Prozent ihr ERP-Projekt auch als Erfolg verbuchen würden.
Das mag auch an der unklaren Definition von Erfolg liegen. Ganz oben auf der Liste der Anforderungen an das neue ERP-System stehen etwa eine erhöhte Geschäfts-Performance, die verstärkte Integration von Systemen über mehrere Niederlassungen hinweg und eine verbesserte Kundenbetreuung. Ob diese Ziele erreicht werden, ist vielfach unklar, weil - so die Beobachtung der Berater von Panorama - eine Nachbetrachtung der Projekterfolge etwa im Rahmen eines Audits und eine Kommunikation über die Resultate fehle. Das ist insbesondere in solchen Firmen zu beobachten, die ihre ERP-Projekte als Misserfolg bewerten.
"Unternehmen, die keinen Business Case entworfen haben und die Projektergebnisse nicht mit dem erwarteten Nutzen abgleichen, haben es schwierig, den Erfolg zu definieren. Wenn man mit den Nutzern und den Stakeholdern zusammenarbeitet, um die Ziele und die Erwartungen zu formulieren, ergeben sich bessere Messgröße für eine spätere, realistische Einschätzung der Zufriedenheit und des Erfolgs", heißt es in dem aktuellen ERP-Report.
ERP-SaaS ist eine seltene Wahl
Die Umfrage zeigt zudem, dass ERP-Lösungen aus der Cloud derzeit eine Randerscheinung sind: 85 Prozent der Befragten haben sich für eine klassische on-Premise-Installation im eigenen Data Center entschieden. Elf Prozent lassen die ERP-Installation von einem externen Provider hosten. Den Public-Cloud-Offerten im SaaS-Modus (Software as a Service) vertrauen nur vier Prozent der Teilnehmer. Damit ist die Reichweite der Cloud-Angebote sogar rückläufig. Zählt der Report in diesem Jahr insgesamt 15 Prozent Cloud-Nutzer (ERP-Cloud plus SaaS), waren es im Jahr zuvor noch 18 Prozent.
Moderne ERP-Lösungen aus der deutschen Cloud -
Weclapp Warenwirtschaft Die auf Java basierende “Weclapp Warenwirtschaft” versetzt Firmen in die Lage, ihre Geschäftsprozesse im Verkauf, Einkauf, Produktion und Lagerverwaltung sicher und effizient managen zu können.
Sage Office Line 24 Eine weitere Cloud-basierende ERP-Lösung ist “Sage Office Line 24”. Angeboten wird das Ende 2013 lancierte System von der britischen Softwareschmiede Sage Software. Es richtet sich in erster Linie an Unternehmen im Handels- und Dienstleistungsbereich.
My Factory Die ERP-Suite "My Factory Cloud" fokussiert sich auf die Geschäftsbereiche Einkauf, Distribution, Lagerhaltung und Verkauf und ermöglicht die zentrale Verwaltung von Kunden, Lieferanten und Artikeln.
Scopevisio Bei "Scopevisio" handelt es sich um eine umfangreiche ERP-Suite, die Kunden-Management, Vertrieb, Invoicing, Finanzen, und Buchhaltung unter einen Hut bringt.
Work for All Cloud "Work for All" verfolgt einen interessanten Lösungsansatz, bei dem CRM, ERP und Projekt-Management die zentralen Bausteine des ERP-Systems bilden.
Actindo Mit "Actindo" bietet sich eine umfangreiche ERP-Suite, die speziell für den Handel und E-Commerce konzipiert ist.
Befragt nach den Gründen ihrer Zurückhaltung, sagten die Meisten, dass sie zu wenig über ERP-Cloud-Angebote wissen (45 Prozent) und das Sicherheitsrisiko scheuen (30 Prozent). Letzteres, so betonen die Berater von Panorama, ist unbegründet. Ihrer Beobachtung zufolge sind die Lösungen der Cloud-ERP-Provider sicher und zuverlässig.
Dennoch dürften sich die SaaS-Anbieter im ERP-Umfeld auch weiter auf schleppende Geschäfte einstellen. Das für sie wichtige Verkaufsargument der günstigen Betriebskosten hält offenbar den geschürten Erwartungen in der Praxis nicht immer stand. 54 Prozent haben Einsparungen zwischen Null und 40 Prozent erhoben. Das klingt nicht schlecht, dennoch raten die Panorama-Experten mit Blick auf die Langzeitkosten: "Unternehmen, die den Cloud-Einsatz aus finanziellen Gründen erwägen, sollten die tatsächlichen Kosten über die gesamte Laufzeit betrachten."
Berater verfehlen die erhoffte Wirkung
Eine weitere interessante Erkenntnis aus der Erhebung betrifft den Einsatz von externen Beratern. Sie werden oft geholt, um den ERP-Projekten mehr Professionalität zu verleihen. Gegenüber den Vorjahresumfragen zeigt sich ein deutlicher Anstieg bei der Verpflichtung der Consultants. In der aktuellen Umfrage räumte 83 Prozent der Befragten ein, einen Berater an Bord zu haben. Zuvor waren es 60 Prozent.
Beratertypen -
Berater ist nicht gleich Berater In der Projektarbeit für Kunden übernehmen die einzelnen Consultants jeweils recht unterschiedliche Rollen. Manchmal sind Vordenker, manchmal Umsetzer und manchmal Fachexperten gefragt. Das Metaberatungshaus Cardea hat die diversen Rollen klassifiziert.
Der Vordenker In einem Projektteam ist er derjenige, der neue Lösungen erkennt. Dafür benötigt der Vordenker ein Gespür für das Kundenunternehmen und den Markt . Seine Aufgabe ist es, das Potenzial neuer Produkte, Verfahren oder Organisationsformen für das Unternehmen zu heben. Er ist Berater für Innovationen.
Der Moderator Nach dem Hilfe-zur-Selbsthilfe-Prinzip unterstützt er die Mitarbeiter darin, ihr Wissen und ihre Erfahrungen in neue Strategien, Organisationsstrukturen und Prozesse zu überführen.
Der Experte Der Kunde kauft beim Berater Fach- und Erfahrungswissen ein, das im Unternehmen selbst nicht vorhanden ist.
Der Lösungslieferant und Umsetzer Bei Aufgaben, für deren Lösung das Know-how oder die personelle Ressourcen fehlen, liefern Berater Lösungen, die sie anschließend gemeinsam mit dem Kunden auch umsetzen.
Der Trainer Praxiserfahrene Spezialisten schulen die Mitarbeiter des Kunden in Methodentrainings, um Aufgaben selber lösen und umzusetzen zu können.
Der Outsourcer Der Berater erledigt für das Unternehmen fest definierte Aufgabe als Dienstleister.
Der Methodenanbieter Der Consultant stellt dem Unternehmen bereits entwickelte und in der Praxis getestete Methoden und Prozesslösungen zur Verfügung.
Der Lösungsanbieter Sollen besonders komplexe oder kreative Fragen gelöst werde, steht der Berater den Unternehmen zur Seite, indem er seine analytischen Fähigkeiten oder seine langjährigen einschlägigen Industrieerfahrungen einbringt.
Der Umsetzungsbegleiter Zusammen mit den internen Projektmitarbeitern begleitet, steuert und koordiniert er die Umsetzung von Vorhaben.
Der Interims-Manager Der Berater übernimmt als Senior Projekt-Manager selbst weitgehend Führungs- und Umsetzungsfunktionen.
Oft stoßen die Externen schon in einer recht frühen Phase zum Projektteam. Die meisten holen die Experten schon während der Produktauswahl hinzu (39 Prozent), viele tun dies zum Start der Planungen beziehungsweise Implementierung (jeweils 29 Prozent).
Ein Effekt in der Abwicklung der ERP-Vorhaben hat sich indes nicht eingestellt. Die Marktforscher beschreiben es als "beunruhigend", dass es trotz externer Leitung und Führung nicht gelingt, die organisatorischen Herausforderungen eines solchen Projekts zu beherrschen. Dennoch glauben sie, dass die Unterstützung durch erfahrene Experten richtig ist. Schwierig sei es anscheinend, das passende Beratungshaus zu finden.
Die Umfrage
Von Januar 2013 bis Februar 2014 haben 192 Teilnehmer den auf der Web-Seite von Panorama Consulting Solutions hinterlegten Fragebogen komplett ausgefüllt. Darunter waren sowohl große Konzerne (zehn Prozent mit einem Jahresumsatz über zwei Milliarden Dollar) als auch kleine Unternehmen (28 Prozent mit einem Unsatz von weniger als 25 Millionen Dollar). Genaue Angaben darüber, welchen Branchen und Ländern die Teilnehmer zugeordnet werden können, macht der Report nicht. Darin heißt lediglich, die Teilnehmer verteilen sich über alle Industrien und Regionen hinweg.