ERP im Mittelstand oft noch Fremdwort

12.08.2004
Unglaublich: Viele kleine und mittelständische Betriebe in Deutschland arbeiten noch ohne PC, von kaufmännischer Software ganz zu schweigen. Das ergab eine von Sage Software in Auftrag gegebene Studie. Von ComputerPartner-Redakteur Klaus Hauptfleisch

Ganz Deutschland hat mittlerweile den Sprung ins digitale Zeitalter geschafft, möchte man meinen. Ganz Deutschland? Mitnichten. Rund zwölf Prozent der kleinen und mittelständischen Unternehmen setzen für ihre Betriebsführung gar keinen Computer ein und meinen, auch in den nächsten zwölf Monaten darauf verzichten zu können. Von denen, die schon mit dem PC arbeiten, wird kaufmännische Software oder ERP (Enterprise Ressource Planning) im SMB-Segment nur von 43 Prozent der Unternehmen genutzt. Das brachte eine Umfrage des Nürnberger Marktforschungsinstituts Icon Brand Navigation im Auftrage von Sage Software zu Tage. Befragt wurden 1.500 Freiberufler, Selbstständige und Entscheidungsträger mittelständischer Unternehmen aus den Branchen Dienstleistung, Handel, Vertrieb, Ex- und Import, Handwerk, Landwirtschaft, Institutionen und öffentlicher Dienst, Forst- und Fischereiwesen.

Institutionen und öffentliche Hand bei PC-Nutzung vorn

Am häufigsten eingesetzt werden Computer in Institutionen und im öffentlichen Dienst. Hier wollen nur drei Prozent der Befragten ohne PC auskommen. Handwerk und Landwirtschaft halten PCs mit 16 respektive 21 Prozent zwar am häufigsten für verzichtbar, liegen da, wo Computer eingesetzt werden, bei der Nutzung von kaufmännischer Software mit 50 und 45 Prozent aber noch vor den Dienstleistern, Einzelhändlern, Institutionen, dem öffentlichen Dienst und Selbstständigen.

Wenn betriebswirtschaftliche Software eingesetzt wird, werden mit 82 beziehungsweise 65 Prozent am häufigsten Softwaremodule für Finanz- und Rechnungswesen sowie für die Auftragsbearbeitung genutzt. Hier sind der Studie zufolge vor allem branchenspezifische Lösungen gefragt. Gut die Hälfte aller Befragten, vor allem öffentliche Einrichtungen, Handwerksbetriebe, Selbstständige und Unternehmen mit über 100 Mitarbeitern, nutzt vorzugsweise Branchensoftware. Mittelständische Industrieunternehmen setzen dagegen zu fast zwei Dritteln lieber auf Standardsoftware.

Angst vor aufwändigen Lösungen hemmt Investitionslust

Wenig ermutigend sind die Aussichten für kaufmännische Software im Mittelstand. Raum für neue Installationen ist der Sage-Studie zufolge zwar vorhanden, wird aber kaum marktwirksam, da viele Betriebe nach wie vor meinen, darauf verzichten zu können. Wo betriebliche Software vorhanden ist, wird sie zu drei Vierteln bereits seit bis zu zehn Jahren genutzt. Nur sechs Prozent der Befragten planen, die Software für Finanz- und Rechnungswesen auszutauschen. Bedarf nach moderneren Lösungen werde zu selten erkannt. Nachfrage bestehe viel mehr nach Ergänzungs- und Integrationslösungen wie E-Commerce-, CRM- (Customer Relationship Management) oder Controlling-Tools sowie Produkt-Updates.

"Die Studie bestätigt unsere Erfahrungen, dass viele kleine Unternehmen ihre Chancen verkennen, durch den Einsatz einer ERP-Software zu einer professionelleren Betriebsführung zu kommen", kommentiert Sage-Geschäftsführer Peter Dewald die Studie. Vielfach herrsche noch das Prinzip "Das haben wir schon immer so gemacht".

Ein wenig spiele aber auch die Angst mit, dass die Implementierung zu lange dauere und die Software nachher nicht halte, was sie verspreicht. "Hier haben wir als Anbieter von ERP-Software für kleine Unternehmen die Aufgabe, unseren Job besser zu machen als die ERP-Anbieter für Großkonzerne", nimmt Dewald sich und seine Mitarbeiter selbst in die Pflicht.

Meinung des Redakteurs

Man kann es den kleinen und mittelständischen Betrieben nicht verübeln, dass sie auf ERP-Software meist noch verzichten wollen, zumal viele der etablierten Anbieter noch zu wenig auf ihre Bedürfnisse eingehen können oder wollen. Was SMB-Kunden verlangen, sind günstige Lösungen, die nicht einen Rattenschwanz neuer Probleme nach sich ziehen. Wenn es die großen Anbieter nicht schaffen, dann sollten sie das Feld den kleineren überlassen, die vielleicht mehr Verständnis für die Sorgen, Ängste und Nöte im Mittelstand mitbringen.