Im Folgenden soll aufgezeigt werden, welche Pflichten für den Geschäftsführer einer GmbH entstehen, wenn erste Anzeichen einer Krise - im Vorfeld von Insolvenzantragspflichten - auftreten.
Grundlage und Ausgangspunkt des Pflichtenkreises ist die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 06.06.1994 (BGHZ 126, 181), in der erstmals ausdrücklich festgehalten wurde, dass der Geschäftsführer einer GmbH verpflichtet ist, die Unternehmenslage laufend zu überprüfen. Hieraus wird eine generelle Verpflichtung des Geschäftsführers zur sog. "beständigen Selbstprüfung" des Unternehmens abgeleitet. Danach ist der Geschäftsführer gehalten, in regelmäßigen Abständen die Finanz-, Ertrags- und Vermögenslage zu überprüfen. Vor allem muss er stets untersuchen, ob die Gesellschaft ihren laufenden Zahlungsverpflichtungen nachkommen kann.
Im Gegensatz zum Vorstand einer AG ist der Geschäftsführer einer GmbH nicht verpflichtet ein Risikokontrollsystem einzurichten. Aber auch ohne gesetzlichen Zwang sollte ein ordentlicher Kaufmann im Rahmen seiner Bestandssicherungsverantwortung ein Überwachungssystem einrichten. Nur dadurch kann er früh genug erkennen, ob sich Entwicklungen abzeichnen, die den Fortbestand der Gesellschaft gefährden könnten. Hierzu dient in der Praxis meist ein internes, nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichtetes Controlling.
Die Anzeichen einer Krise sind im Geschäftsleben außerordentlich vielfältig, so z. B. Zahlungsschwierigkeiten von Kunden, Forderungsausfälle durch Insolvenzen, Preissteigerungen bei Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen, Streiks, Liefer- und Absatzschwierigkeiten, unvorhergesehene Zahlungsverpflichtungen, Schadenersatzleistungen, Gewährleistungen, um nur einige zu nennen.
Zeigen sich eine oder mehrere dieser Anzeichen, erhöhen sich die Pflichten des Geschäftsführers erheblich.
So ist im Rahmen einer ordnungsgemäßen Unternehmensführung ein Vermögensstatus aufzustellen, aus dem sich die gegenwärtige Finanz- und Ertragslage ergibt. Aus dem Vermögensstatus muss vor allem ersichtlich sein, ob die Gesellschaft unter Berücksichtigung der ersten Krisenanzeichen bereits überschuldet ist. Um festzustellen, ob die laufenden Zahlungsverpflichtungen der GmbH erfüllt werden können, muss ein Finanzplan erstellt werden.
Stellt der Geschäftsführer danach fest, dass zwar Krisenanzeichen vorhanden sind, aber noch keine Insolvenztatbestände vorliegen, entstehen Pflichten in zweierlei Hinsicht:
I.. Pflichten gegenüber den Gesellschaftern
1. Pflicht zur Erhaltung des Stammkapitals
Das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft darf nicht an die Gesellschafter ausbezahlt werden. Zahlungen die unter Verstoß gegen die Kapitalerhaltungspflicht an die Gesellschafter geleistet worden sind, müssen der Gesellschaft erstattet werden. Der Geschäftsführer der GmbH ist auch verpflichtet, den Rückerstattungsanspruch geltend zu machen, wenn er sich nicht selbst einer Haftung nach § 43 GmbHG aussetzen will.
2. Pflicht zur Einberufung einer Gesellschafterversammlung bei Verlust der Hälfte des Stammkapitals
Der Geschäftsführer ist nach § 49 Abs. 3 GmbHG verpflichtet, eine Gesellschaftsversammlung einzuberufen, wenn sich aus einer im Laufe des Geschäftsjahres aufgestellten Bilanz ergibt, dass die Hälfte des Stammkapitals verloren ist. Verstößt der Geschäftsführer gegen diese Verpflichtung, macht er sich nach § 84 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG strafbar.
3. Pflicht zur laufenden Unterrichtung der Gesellschafter
Wird eine Unterkapitalisierung der GmbH festgestellt, muss der Geschäftsführer dies den Gesellschaftern miteilen und ihnen Gelegenheit geben, weiteres erforderliches Eigenkapital z. B. durch eine Erhöhung des Stammkapitals oder durch Einzahlungen in die Kapitalrücklage zur Verfügung zu stellen.
II. Pflichten gegenüber der Gesellschaft
Gegenüber der Gesellschaft ist der Geschäftsführer verpflichtet, bei Feststellung einer Krise nach den Ursachen im leistungs- und finanzwirtschaftlichen Bereich zu forschen und aufgrund einer sorgfältigen Schwachstellenanalyse die Ursachen zu beseitigen (sog. interne Sanierungspflicht). Die weiteren Pflichten des Geschäftsführers sind außerordentlich vielfältig und je nach Geschäftsfeld der GmbH auch unterschiedlich. Sie können daher nur stichpunktartig genannt werden.
Der Geschäftsführer muss im Einzelnen untersuchen, ob ein Kapitalschnitt z. B. durch eine Kapitalherabsetzung zweckmäßig ist, neues Kapital durch die Aufnahme neuer Gesellschafter oder anderes Beteiligungskapital zugeführt werden kann oder eine gänzliche Restrukturierung, z. B. durch Umwandlung, Verschmelzung, Abspaltung notwendig ist oder Unternehmensteile verkauft oder eingestellt werden müssen.
Der Geschäftsführer muss im Produktionsbereich prüfen, ob Kosten gesenkt werden können, indem Rückstände abgebaut, das Qualitätsniveau verbessert, die Produktion umgestellt oder Fertigungszeiten verkürzt werden können.
Der Geschäftsführer muss im Personalbereich analysieren, ob Entlassungen vorzunehmen sind, ein Einstellungsstopp verhängt werden muss, Kurzarbeit anzuordnen ist oder Mitarbeiter vorzeitig pensioniert werden können.
Der Geschäftsführer ist im Materialwesen gehalten, Lagerbestände abzubauen, Versandzeiten zu minimieren und Lieferkonditionen mit Lieferanten zu verbessern.
Schließlich muss der Geschäftsführer prüfen, ob das Unternehmen weiterhin eine positive Fortführungsprognose hat. Ist dies der Fall, kann und muss er das Unternehmen weiter betreiben. Hierbei ist dem Geschäftsführer ein Beurteilungsspielraum zuzubilligen. Notfalls muss sich der Geschäftsführer fachkundig beraten lassen.
Verletzt der Geschäftsführer die vorgenannten Pflichten, steht seine Haftung gegenüber der GmbH nach § 43 Abs. 2 GmbHG im Raum, womit eine weitere "Vorverlagerung" persönlicher Risiken stattfindet.
Der Autor Dr. Achim Walk ist Mitglied in der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V. Kontakt und weitere Informationen siehe Kasten. (mf)