Jahrelang wurde heftig gestritten, nun ist es so weit: Seit 1. August gibt es keinen sogenannten Routerzwang mehr. Bisher verweigerten zahlreiche DSL- und Kabelprovider ihren Kunden die Herausgabe der Zugangsdaten zum Aufbau der Onlineverbindung und stellten stattdessen einen vorkonfigurierten Router zur Verfügung. Routerzwang oder Zwangsrouter hieß diese Praxis im Fachjargon.
Bemühungen von Verbraucherschützern, diesen Zustand zu ändern und damit den Verbrauchern die freie Wahl eines Routers zu ermöglichen, liefen ins Leere. Anfang 2013 teilte die zuständige Bundesnetzagentur mit, dass sie „ keine rechtliche Handhabe gegen die Vertragskopplung mit einem bestimmten Router des Netzbetreibers“ sieht. Die Behörde argumentierte damals, dass die DSL- und Kabelanbieter die „Zugangsgeräte“, also die Router, als ihre Netzbestandteile ansähen. Die Router und nicht die TAE-Dosen an der Wand seien die Netzschnittstellen, an welche die Kunden ihre Endgeräte anschlössen.
Router gehören nicht mehr zum Netz der Internetprovider
Betroffene Kunden konnten also zunächst nichts tun und mussten mit den daraus resultierenden Einschränkungen leben. Als Ausweg blieb nur der Provider- oder Systemwechsel, denn vor allem im Kabelnetz war der Routerzwang gängige Praxis. Im ländlichen Raum aber, wo die Anbieterwahl oft stark eingeschränkt ist, bedeutete ein Wechsel meist weniger Bandbreite und/oder höhere Preise – doch damit ist nun Schluss.
Anfang August lief die sechsmonatige Übergangsfrist des im Februar in Kraft getretenen Gesetzes aus: „Die Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze und die Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten dürfen den Anschluss von Telekommunikationsendeinrichtungen an das öffentliche Telekommunikationsnetz nicht verweigern ... Sie können dem Teilnehmer Telekommunikationsendeinrichtungen überlassen, dürfen aber deren Anschluss und Nutzung nicht zwingend vorschreiben. Notwendige Zugangsdaten und Informationen für den Anschluss von Telekommunikationsendeinrichtungen und die Nutzung der Telekommunikationsdienste haben sie dem Teilnehmer in Textform, unaufgefordert und kostenfrei bei Vertragsschluss zur Verfügung zu stellen.“
So weit, so klar. Zur weiteren Klarstellung sei an dieser Stelle angemerkt, dass wir den Begriff „Router“ wie üblich für die Gerätekombination aus Modem (für den Internetzugang) und Router im engeren Sinn (Verteiler) verwenden. Reine Modems kommen meist nur bei Kabelund Glasfaseranschlüssen zum Einsatz.
Zwangsrouter waren bisher nur eingeschränkt nutzbar
Mancher Kritiker der Neuregelung wendet ein, dass es doch praktisch sei, wenn O2, Tele 2, Vodafone oder Versatel und die diversen Kabelgesellschaften ihren Kunden einen fix und fertig konfigurierten Router bereitstellten. Dieser müsse nur noch angeschlossen werden und laufe danach ohne jede Nachkonfiguration. Ja, das ist in der Tat praktisch, doch dieser Komfort ist nur die eine Seite der Medaille.
Denn auf der anderen Seite konnten die Provider ihre Geräte so einschränken, wie sie wollten. Wenn sie dafür speziell gebrandete Router auslieferten, war das noch verständlich. Daneben aber stellte mancher Netzbetreiber seinen Kunden eine scheinbar frei konfigurierbare Fritzbox zur Verfügung. Kaum ein Betroffener dürfte geahnt haben, dass es sich bei diesen Exemplaren um eine spezielle Providerversion des AVM-Routers handelte. Das merkte man erst, wenn man bestimmte Einstellungen vornehmen wollte: So ließ sich teilweise kein zusätzlicher VoIP-Telefonanschluss eines Fremdproviders einrichten. De facto waren also auch Leute vom Routerzwang betroffen, die davon gar nichts wussten!
Richtig gefährlich wurde der Zwangsrouter bei Sicherheitslücken, wenn der Gerätehersteller diese per neuer Firmware prinzipiell geschlossen hatte, der Netzbetreiber diese aber erst mit Verzögerung aufspielte – so geschehen im Februar 2015 bei der verbreiteten Fritzbox. Der Verbraucher bleibt de facto ungeschützt, wenn die Updatefunktion seines Routers gesperrt ist. Selbst ein Tool wie Fritzrepass zum Auslesen der Zugangsdaten aus der vom Netzbetreiber gestellten, aber „provisionierten“ Fritzbox half im konkreten Fall nicht weiter. Eine baugleiche, frei konfigurierbare Fritzbox funktionierte nicht.
Die Beispiele demonstrieren, dass es ärgerlich und sogar gefährlich werden kann, wenn man in der Konfiguration seines Routers beschränkt ist. Dieser Zustand endet nun durch die Aufhebung des Routerzwangs, gleichzeitig steht nun der Anschlussinhaber in der Pflicht, sein Zugangsgerät zu konfigurieren und zu warten, also auch Firmware-Updates aufzuspielen.
Unterschiede bei Neu- und Bestandskunden
Das Gesetz zum Ende des Routerzwangs regelt nicht explizit, wie mit bereits laufenden Verträgen umzugehen ist. Für Bestandskunden ändert sich also zunächst nichts, sie müssen unter Umständen noch bis zu zwei Jahren mit ihrem Zwangsrouter leben – so lange laufen die Verträge bei Erstabschluss in aller Regel. Anspruch auf die Verwendung eines eigenen Routers hat nur, wer seit dem 1. August einen neuen Kontrakt eingeht. Auch ein Sonderkündigungsrecht haben Bestandskunden nach herrschender juristischer Meinung nicht. Viele Provider, darunter die Kabelanbieter Unitymedia (mit Kabel Baden-Württemberg) und Vodafone (mit Kabel Deutschland) zeigen sich aber insofern kulant, als sie nicht zwischen Neu- und Bestandskunden unterscheiden wollen. Die müssen jedoch selbst aktiv werden, sofern sie einen Gerätewechsel wünschen. Verweigert der Anbieter den Umstieg, bleibt die Möglichkeit, den Zwangsrouter nur als Zugangsmodem zu nutzen und das frei konfigurierbare Gerät dahinter zu schalten.
Übergangsfrist für Provider wurde kaum genutzt
Noch wenige Wochen vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes waren wichtige Details unklar. Keiner der Provider, die ihren Kunden bisher einen Zwangsrouter zur Verfügung gestellt hatten, hatte die Spezifikationen des eigenen Netzes den Geräteherstellern zur Verfügung gestellt. Obwohl alle beteiligten Firmen um das Einführungsdatum wussten und ihnen der Gesetzgeber gerade für die erforderlichen Vorbereitungen sechs Monate als Übergangsfrist eingeräumt hatte, ließen sie diese weitgehend ungenutzt verstreichen.
Am weitesten vorgewagt hat sich der Kabelprovider Unitymedia, der den ehemaligen Anbieter Kabel Baden-Württemberg übernommen hat und nun in Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen aktiv ist. In einer detaillierten Anleitung beschreibt das Unternehmen, für wen die Neuregelung gilt und was Kunden tun müssen, um ihren Zwangsrouter gegen ein frei konfigurierbares Gerät auszutauschen.
Demnach erhalten Privatkunden, die seit April 2013 einen Vertrag mit Unitymedia abgeschlossen haben, auf Anfrage ihre individuellen Zugangsdaten. Wer schon vor diesem Datum Kunde von Unitymedia beziehungsweise Kabel Baden-Württemberg war, muss erst seinen Vertrag anpassen, um in den Genuss der Routerfreiheit zu kommen. Hintergrund ist, dass bis zu diesem Stichtag auch Geräte eingesetzt wurden, die nicht dem Standard Docsis 3.0 entsprechen. Der wiederum ist Voraussetzung für den Einsatz beliebiger Router. Dass die nun benutzbaren Geräte „der ab dem 1. August geltenden Schnittstellenbeschreibung entsprechen“ müssen – diese aber lange nicht veröffentlicht waren –, zeigt, unter welchem Zeitdruck die beteiligten Unternehmen stehen. Der Router-Hersteller AVM jedenfalls hat angekündigt, dass seine Kabelmodelle Fritzbox 6360 Cable und 6490 Cable anders als bisher nun auch frei verkäuflich sein werden. Das gleiche dürfte für die neue Variante 6590 Cable gelten.
DSL-/VDSL- oder Kabelanschluss: Das bleibt zu tun
Unitymedia-Kunden, die ihre eigenen Router verwenden möchten, müssen sich telefonisch beim Kundencenter melden und dort die sogenannte MAC-Adresse (Media Access Control) und die Seriennummer ihres Routers angeben. Beides findet sich auf einem Aufkleber auf der Unterseite des Gerätes und identifiziert es eindeutig, über die MAC-Adresse auch im Netzwerk. Die Daten werden in einer Datenbank hinterlegt und dann mit der jeweils vom Kunden gebuchten Bandbreite verknüpft. Anders als bei DSL-Anschlüssen muss man persönliche Zugangsdaten im Kabelrouter nur für die Telefonfunktion eingeben.
Da die Technik im Kabelnetz beim anderen großen Provider, also bei Vodafone (inklusive dem früheren Kabel Deutschland), die gleiche ist, dürfte sich das Verfahren dort kaum unterscheiden. Offiziell hatte Vodafone bei Redaktionsschluss noch keine Angaben zum Wechsel des Routers veröffentlicht, Einträge im Unternehmensforum bestätigen aber unsere Annahmen.
Kundenfreundlich ist die Informationsseite des Fritzbox-Herstellers, der für wichtige DSL- und Kabelprovider Informationen zum Ende des Routerzwangs aufführt. Dazu gehört eine Kunden-Hotline des jeweiligen Anbieters sowie eine Beschreibung, was der Routerbesitzer tun muss – natürlich nur für die eigenen Fritzbox-Modelle.
Vergleichsweise wenig ändert sich bei den meisten DSL- oder VDSL-Anschlüssen. Wer einen x-beliebigen Router verwendet, fordert von seinem Provider die Zugangsdaten für den Online-Zugang sowie gegebenenfalls zusätzlich die zum Telefonieren an und trägt diese in das Konfigurationsmenü des Routers ein. In den meisten Fällen muss man zumindest anfangs selbst die Initiative ergreifen und sich bei seinem Anbieter melden.
Ob sich speziell provisionierte, vom Netzbetreiber zur Verfügung gestellte Standardrouter „entbranden“ und nutzen lassen, blieb zunächst offen. So teilte M-Net auf Anfrage von PC-WELT mit, bei den zur Verfügung gestellten Fritzboxen mit ergänzender M-Net-Konfiguration „sind nach wie vor alle Funktionen einer im Laden gekauften Fritzbox vorhanden“ – doch das ist nach unseren Erfahrungen wie zuvor beschrieben nicht der Fall.
Stationäres LTE für Zuhause, wie es die Telekom und Vodafone anbieten, ist hinsichtlich der Neuregelung unproblematisch. Zwar stellten beide Unternehmen ihren LTE-Kunden wahlweise Hardware zur Verfügung ( Speedport LTE II und Easybox 904 LTE), doch ließen sich auch bisher schon alternative Router mit Modemfunktion nutzen. Allein AVM führt vier LTE-Modelle im Sortiment, nämlich die Fritzbox 6810, 6820, 6840 und 6842.
Bei Glasfaser schließlich muss sorgfältig zwischen FTTH (Fibre to the home) und FTTB (Fibre to the building) unterschieden werden. Echtes FTTH, also ein optischer Anschluss in der eigenen Wohnung beziehungsweise im eigenen Haus ist in Deutschland selten anzutreffen. „FTTH“ als Begriff wird häufig aber auch für die Glasfaserleitungen verwendet, bei denen vom Netzanbieter ein Glasfasermodem vorgeschaltet ist. Daran kann jeder beliebige Router angeschlossen werden. Nur für einen echten FTTH-Anschluss ist ein Router mit optischem Eingang erforderlich.
Technikunterschiede: Kabel und DSL
DSL/VDSL und TV-Kabel sind die beiden mit Abstand wichtigsten Anschlussarten für private Internetzugänge, Glasfaser und stationäres LTE haben nur untergeordnete Bedeutung.
Während man bei DSL und VDSL eine eigene Leitung mitsamt (automatischer) Einwahl und persönlichen Zugangsdaten hat, arbeitet Internet über Kabel auf Docsis-Basis (Data Over Cable Service Interface Specification). In diesem Shared Medium, in dem sich die Teilnehmer die vorhandene Bandbreite teilen, werden die Netzwerkgeräte über die MAC-Adresse identifiziert und konfiguriert. Statt über persönliche Zugangsdaten muss man seinen Router hier beim Kabelnetzprovider registrieren lassen.
Wartung, Auswirkungen auf den Routermarkt und Fazit
Zunächst einmal ist die Routervermietung gegen monatliches Entgelt auch ein Geschäft, das nun zumindest teilweise wegfällt. Nicht zuletzt deshalb haben sich die Netzbetreiber lange gegen das Ende des Routerzwangs gewehrt. Sie argumentieren zudem, dass sie sich um die Konfiguration, Updates und damit auch um die Sicherheit kümmerten – sofern sie es wirklich taten.
Tatsächlich fällt dieser Service weg, wenn man nicht freiwillig beim gemieteten Router bleibt. Bei einer Störung wird sich mancher Verbraucher von seinem Provider in Zukunft also anhören müssen, dass es „am Router liegt“ und man dafür nicht zuständig sei. Das aber ist zum Glück äußerst selten.
Die zusätzliche Arbeit auf Kundenseite besteht in der Regel in der einmaligen Eingabe der persönlichen Zugangsdaten beziehungsweise im Kabelnetz der Übermittlung von MAC-Adresse und Gerätenummer. Konfiguriert man seinen Router dann noch so, dass Firmware-Updates automatisch installiert werden, sobald der Hardwarehersteller diese bereitstellt, hat man sogar einen Sicherheitsgewinn. Die Provider ließen sich nämlich gerne schon manchmal Monate Zeit, um neue Software „in ihrem Netz zu testen“ und auszurollen.
Und schließlich gilt: Geht der eigene Router kaputt, muss der Besitzer ihn natürlich selbst ersetzen.
Größere Störungen durch „fremde“ Router sind auch in den Kabelnetzen langfristig nicht zu erwarten, sofern die netzspezifischen Anforderungen erfüllt sind. Weil die Gerätehersteller auf die Schnittstellenbeschreibungen jedoch so lange warten mussten, sind anfangs sicher nicht gleich alle Kabelrouter einsetzbar, weil sie von den Netzbetreibern nicht sofort freigeschaltet werden.
Derzeit verfügt ein einzelner Routerhersteller in Deutschland über einen Marktanteil von rund 50 Prozent: AVM mit seiner Fritzbox. Das ist gewaltig und resultiert auch daher, dass viele Provider in ihrem Miet- oder Kaufprogramm bisher gar keine andere Hardware führten. Ob AVM seine herausgehobene Position halten kann, ist angesichts der veränderten Rahmenbedingungen offen. Denn einerseits sind die Geräte des Berliner Unternehmens durchaus zuverlässig, funktional und einfach zu bedienen, andererseits aber auch vergleichsweise teuer. Genau da liegt die Chance für günstige Anbieter wie TP-Link und Co.: Mancher Nutzer gibt sich mit weniger zufrieden – ganz so wie bisher in Zeiten des Routerzwangs.
„Lassen Sie Ihrem Provider noch etwas Zeit.“
Selbst leidgeprüft vom Routerzwang, lautet mein Fazit zum nun gesetzlich festgelegten Ende: längst überfällig. Der bisherige Zustand lässt sich damit vergleichen, dass Ihnen das Verkehrsministerium als Betreiber des Straßennetzes vorschreiben wollte, dass Sie darauf nur mit einem ganz bestimmten Automodell fahren dürften. Absurd? Ja, aber genau so sah die jahrelange Praxis mancher Provider aus.
Als Kunde profitieren Sie von der Wahlfreiheit, auch wenn sich mancher Nutzer mit dem Neuen erst vertraut machen muss – so wie beim Umstieg vom fiktiven Einheitsfahrzeug auf das Auto der Wahl. Doch keine Angst – wer einen PC oder ein Smartphone bedienen kann, kann auch einen Router konfigurieren.
Am Schluss noch ein Tipp: Neu ist die Situation auch für Ihren Provider. Lassen Sie ihm gegebenenfalls ein paar Wochen Zeit, bis Sie Ihren Zwangsrouter außer Betrieb nehmen. Dann haben sich die Umstellungsprozesse (hoffentlich) eingespielt, was dann für alle Beteiligten weniger Stress bedeutet. (PC-Welt)