Die ersten Tage im neuen Job sind hart. Niemand weiß das besser als Sabine Bendiek, seit 01. April 2011 Geschäftsführerin von EMC. Man muss sich so viele Namen merken - nicht zuletzt den des neuen Arbeitsgebers. Und dann passiert es: "Ich hoffe, Sie sehen mir nach, wenn ich noch nicht in allen Themen so sattelfest bin", eröffnet Bendiek das EMC Partner Kick-Off 2011, das am 12. und 13.04.2011 in Sonthofen stattfand, "ich bin erst seit ein paar Tagen Geschäftsführerin bei …. Dell."
Der Freudsche Versprecher ist verständlich, war Bendiek doch sieben Jahre lang in den Diensten Dells und dort unter anderem mit dem Aufbau des Channelgeschäfts betraut. Diese Tätigkeit dürfte eine Schlüsselqualifikation für den neuen Job sein, denn EMC will sein Channel-Geschäft massiv ausbauen. "Wir wollen den Marktanteil im Mittelstandssegment bis Ende 2012 verdoppeln", sagt Ingo Gehrke, der als Sales Director Midmarket, SMB und Partnersales die Rolle des zum 01. März 2011 ausgeschiedenen Channel-Managers Jörg Lösche mit übernommen hat.
Wie hoch EMCs Anteil in diesem Segment derzeit ist, sagen Bendiek und Gehrke allerdings nicht. Genau so wenig gibt es eine klare Aussage dazu, welchen Markt sie damit eigentlich meinen. Nur, dass man "Kunden sehr genau den einzelnen Segmenten, Enterprise, Mid-Market und SMB" zuordnen könne, ist den Managern zu entlocken.
Diese Segmentierung ist Bendiek sehr wichtig: "Das heißt für uns, ein verlässlicher Partner für den Channel zu sein." Unterhalb einer definierten Unternehmensgröße, so Bendiek weiter, sollen Kunden "bevorzugt über den Channel bedient werden". Darüber gäbe es immer die Möglichkeit "kompensationsneutral mit dem Channel zusammenzuarbeiten".
Dell - Freund oder Feind?
Auch wenn der Channel laut Bendiek ein "wichtiges Wachstumsfeld ist" - weltweit erwirtschaftet EMC immer noch 45 Prozent des Gesamtumsatzes direkt. In Deutschland sieht es etwas besser aus. Hier zu Lande wurden nach Angaben des Herstellers im vergangenen Jahr 65 Prozent der Umsätze über den indirekten Vertrieb erzielt. Dazu zählt EMC allerdings auch Partner wie Dell und Fujitsu. Allein Dell hat als EMC-Reseller in der Vergangenheit bis zu einem Drittel zu den indirekten Umsätzen beigetragen. Und den anderen Channel-Partnern das Leben schwer gemacht: "Wann immer Dell als Mitbewerber in einem EMC-Projekt auftaucht, sind wir raus", sagt ein Partner.
Das könnte besser werden, denn erstens ist die Liebe zwischen EMC und Dell deutlich abgekühlt, seit letzterer mit der Übernahme von Equallogic und Compellent nicht nur Reseller sondern auch direkter Wettbewerber von EMC wurde. Auch wenn Bendiek die Animositäten zwischen beiden Unternehmen herunterspielt (siehe Interview) - die Tatsache, dass die im Januar 2011 gelaunchte VNX-Serie nicht über den einstmaligen Lieblingspartner vertrieben wird, spricht Bände.
Und so läuft es auf das alte NetApp-EMC-Spiel hinaus. Wie ersterer im Februar 2011 seine Partner in Berlin einschwor und zum Angriff blies, so tat EMC dies in Sonthofen - allerdings mit deutlich weniger aggressiven Tönen. So fiel in den Präsentationen keine einziges Mal der Name NetApp, auch wenn klar ist, gegen wen das "25-Prozent-Effizienz-Versprechen" oder die Isilon-Akquisition gerichtet sind.
Was also will EMC seinen Partnern 2011 bieten? Da ist zum einen der erleichterte Einsteig für neue Wiederverkäufer, die mit einem Tag Aufwand und per Online-Schulung zum Authorized Reseller werden können - dann allerdings nur das mit 7.500 Euro Einstiegspreis aggressiv positionierte Entry-Level-System VNXe verkaufen dürfen.
Da sind zum anderen erhöhte Boni für Partner die Neukundengeschäft oder neue Projekte bringen, mehr Mitarbeiter in der Channel-Betreuung, weitere Demo Center in Stuttgart, Schwalbach, Neuss und Hamburg sowie eine deutlich verstärkte Marketing-Unterstützung.
Ob das für Partner eine gute Story ist? Jörg Eilenstein, Vorstand des Distributors Tim, glaubt ja: "Während früher der 2-Tier-Bereich bei EMC eher unterrepräsentiert war, wurden nun die richtigen Maßnahmen eingeleitet." Die Nachfrage nach den neuen Produkten sei hoch: "Die Angebotsanfrage hat sich massiv erhöht." Und auch für die Scale-out-NAS-Produkte der EMC-Akquisition Isilon, die TIM seit April im Portfolio hat, sieht Eilenstein eine Nachfrage: "Wir gehen davon aus, dass Isilon ein hohe Channel-Fähigkeit hat."
"Wir müssen unsere Partnerbasis deutlich ausbauen"
Frau Bendiek, Sie sind seit dem 01. April 2011 Geschäftsführerin von EMC Deutschland. Was ist Ihr erster Eindruck - nach knapp 14 Tagen im Amt?
Sabine Bendiek: EMC hat mich von der Breite der Produktpalette beeindruckt und auch von der Strategie, die sich in den Akquisitionen zeigt. Das ist einer der Gründe, warum ich zu EMC gekommen bin. Ich glaube auch, dass EMC ein Unternehmen ist, das ganz hervorragend positioniert ist im Bereich des Managements der Dateninfrastruktur von Unternehmen inzwischen auch aller Größen, und ich glaube, das ist ein sehr wichtiger Punkt. Wir sind ja eigentlich bekannt und groß geworden als der, der die ganz großen Lösungen gemacht hat für die ganz großen Kunden ...
... und so wird EMC heute häufig immer noch wahrgenommen.
Bendiek: Das ist der Punkt, wo wir die Wahrnehmung drehen müssen. Wir haben Produkte, die ganz weit runter selbst in den kleinen Mittelstand gehen. Die VNX, die wir im Januar gelauncht haben, ist ein Produkt, das bei 7.500 Euro anfängt und damit auch für kleine Mittelstandskunden interessant ist. Diese Nachrichten müssen wir in den Markt tragen. Isilon startet bei 30.000 Euro für das Einstiegsbundle mit 50 TB. Wir sind mit Sicherheit mit diesen Produkten absolut so aufgestellt, den Markt in seiner gesamten Breite abzudecken, was gerade in Deutschland ein sehr spannendes Thema ist. Wir alle wissen: der Mittelstandsmarkt ist das Herz des deutschen IT-Marktes und wir glauben, dass wir in Deutschland gerade im Mittelstandsmarkt extrem viele Wachstumspotenzial haben, was wir jetzt adressieren wollen und auch können.
Was wollen sie dafür tun?
Bendiek: Um diesen Markt zu adressieren, müssen wir natürlich unsere Partnerbasis deutlich ausbauen und zwar insbesondere im Bereich der Tier-2-Partner. Wir müssen die Perzeption im Markt, dass EMC nur etwas für ganz große Unternehmen ist, umdrehen und zeigen, dass wir extrem spannende Produkte und Lösungen haben, die für den Mittelstand nicht nur finanziell attraktiv sind, sondern die eben auch die richtigen Lösungen darstellen. Wir sind so überzeugt von unseren Produkten, dass wir dem Kunden 25 Prozent mehr Effizienz im Vergleich zum Wettbewerb versprechen.
Wie messen Sie diese 25 Prozent mehr Effizienz?
Ingo Gehrke: Wir versprechen, dass wir 25 Prozent weniger Bruttokapazität benötigen um die gleiche Nettokapazität zu erreichen wie der Wettbewerb.
Wodurch erreichen Sie diese Effizienzsteigerung?
Gehrke: Die Effizienz erreichen wir durch das zentrale Management der Systeme. Wir haben mit Unisphere eine einheitliche Managementoberfläche für die VNX-Systeme geschaffen. Die ist sehr einfach zu bedienen und sehr intuitiv. Deshalb benötigt man weniger Ressourcen und kann mehr managen. Das ganze Thema wird noch verstärkt durch Isilon eine Akquisition, die wir im letzten Jahr getätigt haben. Während sie bei anderen Herstellern nur maximal 16 Terabyte pro Filesystem verwalten können, lassen sich mit Isilon bis zu 10 Petabyte in einem Filesystem unterbringen.
Fokus auf Cross-Selling
Zurück zu Ihrer Rolle bei EMC, Frau Bendiek. Sie waren bei Dell ja für den Channel-Aufbau zuständig. Werden Sie sich bei EMC weiter um dieses Thema kümmern?
Bendiek: Mit Sicherheit, das ist ein sehr wichtiges Thema. Wir haben bei EMC natürlich eine andere Struktur als bei Dell, wir haben ein sehr großes Enterprise-Geschäft, wir haben ein signifikantes Geschäft mit der Öffentlichen Hand, das sind natürlich alles Dinge, die sehr wichtig sind. Da werden wir mit aller Kraft weiter machen. Wir werden den Fokus sehr stark auf das Cross-Selling auch der Akquisitionen setzen und mit unseren Kunden über solche Themen wie Backup & Recovery, Sicherheit und Big-Data-Management sprechen. Der andere vorrangige Bereich ist aber der Aufbau des Channels und das Vorantreiben des Mittelstandsgeschäftes. Das ist etwas, das ich mitbringe. Und das war mit Sicherheit auch einer der Punkte, von dem man gesagt hat, das ist ein sehr schöner Fit. Das ist ein Thema, das bei uns im strategischen Fokus liegt.
Hat ihr Wechsel die Spannungen zwischen Dell und EMC weiter verschärft?
Bendiek (lacht): So wichtig würde ich mich persönlich nicht nehmen wollen. Natürlich hat sich Dell mit eigenen Speicherprodukten verstärkt, was dazu führt, dass wir uns auch in Wettbewerbssituationen wiederfinden. Aber genauso ist Dell nach wie vor ein großer Partner von uns, der nicht nur Produkte, die er selbst nicht im Portfolio hat - wie zum Beispiel Data Domain - aktiv weiter vermarktet. Sondern auch ein Partner, mit dem wir eine große installierte Basis haben. Und diese Basis betreuen wir natürlich absolut professionell auch beide gemeinsam weiter. Da muss man einfach sehr klar sehen und trennen, wann redet man über eine Wettbewerbssituation und wann redet man darüber, dass man als Partner gemeinsam bei einem Kunden ist und dieses Geschäft macht.
Und das funktioniert?
Bendiek: Das funktioniert, das haben Sie ja in vielen anderen Bereichen auch. Gerade im IT-Markt ist das nicht die einzige Situation einer Coopetition.
Sicher, aber wie bekommen Sie diese saubere Trennung hin?
Bendiek: Ich glaube, das ist eine Entscheidung, die man auf Kundenbasis treffen muss. Was man mit Sicherheit hat, ist ein klares Thema in der installierten Basis, dass man sagt, die bearbeiten und betreuen wir weiterhin gemeinsam. Im Bereich des Neugeschäftes sollte man wirklich kundenbasiert die Entscheidung treffen, inwieweit man als Wettbewerber oder als Partner in diese Geschäft reingeht. Das ist völlig normale Praxis, das spricht man dann vorher ab. Sicher, es ist nicht mehr eine strategische Partnerschaft wie sie es lange Jahre war, sondern nur noch eine taktische. Das ist so und das ist allen Seiten bewusst. Die Welt geht weiter.
Der Anteil von Dell betrug bis zu einem Drittel des indirekten Umsatzes von EMC. Wie verändert sich das?
Bendiek: Der Anteil wird allein schon dadurch sinken, dass wir unser Geschäft im Partnerbereich deutlich ausbauen. Wenn wir jetzt mit anderen Partnern Geschäft aktiv aufbauen, wird prozentual gesehen der Dell-Umsatz runtergehen. Das heißt aber noch lange nicht, dass der absolute Umsatz, den wir mit Dell machen, sinken wird.
Kannibalisierung vermeiden
Sie haben die Reseller-Autorisierung stark vereinfacht. Befürchten Sie nicht, dass Sie dadurch viele Partner bekommen, die nur über den Preis verkaufen können, weil ihnen die Lösungskompetenz fehlt?
Gehrke: Das ist eine berechtigte Frage. Wir haben deshalb diese Authorized Reseller ganz bewusst auf die VNXe-Produktpalette beschränkt, Dieses Produkt ist sehr einfach zu installieren und zu konfigurieren ...
... und wird dann über den Preis verkauft ...
Gehrke: Das würde ich nicht sagen. Wir haben natürlich schon unsere Preisstrukturen für die Reseller, für die Affiliate Partner, für die Signature und Signature Solution Center Partner. Sie wissen auch, dass Projektgeschäft über Projektpreise läuft und das müssen wir natürlich sehr genau monitoren. Wir wollen eine Kannibalisierung natürlich verhindern.
Wie ist denn die aktuelle Wettbewerbssituation, hat das verbesserte Investitionsklima den Preisdruck verringert?
Gehrke: Die Kunden sind mehr und mehr bereit, für Mehrwerte auch mehr zu bezahlen. Die Hardware ist ja relativ vergleichbar. Über Software-Themen wie FAST (Fully Automated Storage Tiering) können wir uns heute am Markt deutlich von den Wettbewerbern abheben. Mit diesen Technologien tragen wir auch dazu bei, Kosten einzusparen.
Sie hoffen also, dass der Kunde das, was er an Hardware spart, in Software investiert.
Bendiek: Ich glaube noch nicht mal dass das eine Hoffung ist. Was wir haben, sind zwei große Trends. Da ist zum einen der Trend zur Konsolidierung im klassischen Hardware-Speichermarkt. Der zweite ist der zur Virtualisierung und damit die Notwendigkeit, über ein Konzept eines vernetzen Managements der IT nachzudenken. Den Kunden sind die Komplexität und zum Teil auch die Kosten weggelaufen. Virtualisierung ist hier die klassische Antwort und deswegen auch ein Megatrend. Virtualisierung funktioniert allerdings nur, wenn sie mit den richtigen Unternehmen und den richtigen Partnern ein passendes Lösungsangebot über den reinen Speicher hinaus darstellen können.
Mich wundert, dass Sie das Thema "Cloud Computing" nicht nennen, wenn es um die Reduktion von Kosten und Komplexität geht.
Bendiek (lacht): Da haben Sie mich jetzt erwischt. Ich glaube, Virtualisierung ist das, was jetzt absolut da ist. Was zusätzlich da ist, ist ein sehr großes Interesse an der Cloud.
Das Thema ist im Channel aber auch sehr stark angstbesetzt.
Gehrke: Wir glauben, dass die Cloud, wenn wir jetzt über die Private Cloud reden beim Kunden im Haus stattfindet …
… aber da reden wir doch eher über den gehobenen Mittelstand …
Gehrke: Was den kleinen Mittelstand angeht, so sehen wir verstärkt Initiativen unser Vertriebspartner, eigene Cloud-Lösungen aufzubauen und diese regional für ihre Kunden anzubieten.
Ist es das, was sie einem Reseller auch raten würden?
Gehrke: Das muss der Reseller selbst entscheiden.
Aber hat denn das klassische Resale-Geschäft auf längere Sicht überhaupt noch Zukunft?
Bendiek: Ich persönlich glaube, er hat keine andere Chance. Jeder Reseller muss sich mit dieser Entwicklung beschäftigen. Wir stehen an einem Punkt, wo es relativ klar ist, dass die Cloud in vielen Bereich passieren wird, das heißt, es wird zu Brüchen in den heutigen Geschäftsmodellen vieler Reseller kommen. Jeder Reseller ist gut beraten sich zu überlegen, wie er diese Reise mitgeht. Sein Geschäft wird sich verändern, ob er will oder nicht. (haf)